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Samstag, 31. Dezember 2011
The Big Trail
In seinem ersten großen Tonfilm The Big Trail (the most important picture ever produced, unter solchen Sätzen tut Hollywood es ja nicht) führt John Wayne als scout eine Gruppe von Siedlern gen Westen. Eigentlich sollte Gary Cooper die Hauptrolle spielen, der gerade in seinem ersten Tonfilm The Virginian den archetypischen amerikanischen Westernhelden gespielt hatte, aber die Fox hatte nicht genug Geld für ihn, hohe Verluste an der Börse am Black Thursday 1929. Gary Cooper war die zweite Wahl, eigentlich wollte Raoul Walsh die Hauptrolle selbst spielen. Aber bei den Dreharbeiten von In Old Arizona war ihm ein Hase in die Windschutzscheibe gesprungen, und er hatte bei dem Unfall ein Auge verloren. Trug fortan eine schwarze Augenklappe, noch bevor die das Markenzeichen von John Ford wurde (der Walsh immer bewundert hat). Angeblich soll John Ford, der auch bei Fox Films unter Vertrag war, das Drehbuch ab von The Big Trail abgelehnt haben, weil ihm die Handlung zu dürftig erschien, aber die Geschichte ist nicht wirklich belegt.
Der Unfall von Walsh und die Absage von Cooper sind die Chance für einen Unbekannten, der Marion Morrison heißt. Der jetzt zum ersten Mal in seinem Leben 150 Dollar die Woche bekommt (Tyrone Power Sr bekommt mehr). Und einen neuen Namen, er ist fortan John Wayne. John Wayne (hier mit der hübschen Marguerite Churchill) ist dreiundzwanzig, aber wir alle glauben ihm, dass er den Weg nach Westen kennt. Wie Daniel Boone, Davy Crockett und wie all diese amerikanischen Helden mit den Bärenfellmützen so heißen. Aber irgendwann können die Siedler nicht mehr, ➱Flussüberquerungen und Indianerüberfälle und dann noch die Rocky Mountains. Und der furchtbare Schneesturm. Sie wollen nicht mehr weiter. Doch John Wayne hält eine flammende Rede, die nachträglich gesehen wie eine Propagandarede für Roosevelts New Deal klingt: No you're not. We can't turn back! We're blazing a trail that started in England. Not even the storms of the sea could turn back those first settlers - and they carried it on further, they blazed it on through the wilderness of Kentucky. Famine, hunger, not even massacres could stop them. Now we've picked up the trail again and nothing can stop us, not even the snows of winter nor the peaks of the highest mountains. We're building a nation, but we've got to suffer. No great trail was ever blazed without hardship. And you've got to fight. That's life! And when you stop fightin', that's death! What are you going to do, lay down and die? Not in a thousand years! You're going on with me!
Roosevelt beschäftigte keine Hollywood script writers, für ihn schrieben sein Berater Harry Hopkins oder Schriftsteller wie Archibald MacLeish und Robert Sherwood. Woodrow Wilson war der letzte amerikanische Präsident, der seine Reden selbst schrieb. Und auf seiner alten Schreibmaschine selbst tippte. Das ist heute unvorstellbar. Können Sie sich einen deutschen Politiker vorstellen - ich nehme mal Männer wie Heuss, Carlo Schmid und Helmut Schmidt aus - die ihre Reden selbst schreiben? Und tippen?
Die erste große Rolle für John Wayne ist auch gleich das Ende seiner Karriere - auch Marguerite Churchill, so hübsch sie ist und so gut sie spielt, bekommt keine großen Rollen mehr. Auf dem Film liegt ein Fluch, niemand erwähnt ihn gerne. Die Fox ist pleite, wird erst Jahre später von einer anderen Gesellschaft (Twentieth Century) gerettet und heißt dann Twentieth Century-Fox. William Fox wandert ins Gefängnis, weil er versucht hatte, einen Richter zu bestechen. Irgendwie scheint er das amerikanische Gerichtssystem der dreißiger Jahre mit dem amerikanischen Westen zur Zeit von Roy Bean verwechselt zu haben. John Wayne ist noch bei der Fox unter Vertrag, die ihn für Billigproduktionen beschäftigt, für mehr hat sie eh kein Kapital. Danach kann er bei anderen Studios wieder von unten anfangen. Und so wird er B-Pictures drehen, bis John Ford ihn 1939 für ➱Stagecoach holt.
Wir lassen das mal beiseite, dass John Wayne bei seiner großen Rede (und bei den anderen Reden, die ihm von Tag zu Tag geschrieben wurden - der Drehbuchautor war jeden Tag betrunken) im Schneesturm sehr steif wirkt. Das hat simple Gründe: er darf sich nicht bewegen, damit er nicht aus der Reichweite des Mikrophons kommt. Man hat die Aufnahme- und die Tontechnik noch nicht im Griff. Die Synchronisation erst recht nicht. Also greift man auf ein altes Mittel des Stummfilms zurück und dreht den Film für andere Länder mit anderen Schauspielern (häufig aber den gleichen Statisten) in den selben Kulissen oder locations wie das Original. Also haben wir neben The Big Trail noch die Versionen La Piste des géants (1931), Die Große Fahrt (1931), Il grande sentiero (1931) und La Gran jornada (1931). John Wayne ist bei keiner der Auslandsproduktionen dabei, aber Walsh führt bei mehreren Regie.
An dem Werbespruch the most important picture ever produced ist aber doch etwas dran, denn The Big Trail ist nicht nur ein Tonfilm, es ist auch ein Breitwandfilm. Fox Grandeur heißt das Ganze. Ist bloß blöd, dass die meisten Kinos noch nicht mal auf den Tonfilm vorbereitet sind, geschweige denn Projektoren für 70mm Filme haben. Die Premiere des Filmes ist in Grauman's Chinese Theatre (einem von zwei Kinos in den USA, die damals einen 70mm Film zeigen können). Glücklicherweise hat man auch (mit einem anderen Kameramann) gleichzeitig eine 35mm Version gedreht. Das ist die Fassung, die Cineasten verachten, aber jahrzehntelang gab es nichts anderes. Ich habe auch nur die 35mm Version, ist besser als nix. Vor Jahren hat man in einem immens komplizierten und aufwendigen Prozess die originale 70mm Fassung restauriert (hat Jahre gedauert), und auf ➱You Tube kann man das Ergebnis sehen. Ist wirklich toll, die ersten 15 Minuten sollten Sie sich unbedingt anschauen. Es gibt in Amerika auch eine DVD von der 70mm Fassung, aber ich weiß nicht, ob die hier auf jedem DVD Player läuft.
Raoul Walsh, Schauspieler und Regisseur, ist heute vor 31 Jahren gestorben. Zehn Jahre zuvor war seine Jugendfreundin Virginia O'Hanlon gestorben, die als Kind eine nationale Berühmtheit war. Weil sie der Sun geschrieben hatte und gefragt hatte, ob es Santa Claus wirklich gäbe. Die Antwort der Redaktion hieß ➱Yes, Virginia, there is a Santa Claus.
Ich wünsche all meinen Lesern alles Gute für das neue Jahr. Und falls Sie den Text von Dinner for One suchen, gehen Sie doch einfach mal auf diese ➱Seite.
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