Beim Aufräumen am Neujahrstag - der erste Vorsatz des neuen Jahres: Bücher aufräumen - fiel mir plötzlich ein Buch in die Hand, das ich schon länger nicht mehr gesehen hatte. Es war ein roter PAN Paperback aus dem Jahre 1955 mit dem Titel Happy Odyssey. Auf dem Cover ist auch ein Photo des Autors (obgleich den damals in England wohl noch jeder kannte) und der Zusatz The Memoirs of Lieutenant General Sir Adrian Carton de Wiart, VC, KBE, CB, CMG, DSO. Und dann noch der dezente Hinweis, dass das Vorwort von Winston Churchill ist. Das Photo auf dem Buchdeckel ist nicht dieses hier, dies ist von Cecil Beaton. Die National Portrait Gallery besitzt einen Originalabzug des Photos. Es findet sich auch in dem unter ästhetischen wie historischen Gesichtspunkten sehr interessanten Photoband von Cecil Beaton: War Photographs 1939-1945.
Die National Portrait Gallery hat aber nicht nur das Schwarzweißphoto von Beaton, sie hat auch dies Gemälde von Sir William Orpen (man kann hier auch ➱Drucke von dem Bild kaufen), das nach dem Ersten Weltkrieg gemalt wurde. Es existiert noch ein Portrait aus dem Jahre 1972 von Simon Elwes, das im Club White's hing, aber davon kann ich keine Abbildung im Netz finden. Allerdings kann man im Internet eine Vielzahl von Photographien von diesem außergewöhnlichen Gentleman finden.
Happy Odyssey beschreibt das abenteuerliche Leben eines Mannes, der direkt aus dem Roman The Prisoner of Zenda stammen könnte, Menschen wie Adrian Carton de Wiart kommen im wirklichen Leben nicht so häufig vor. Memoiren von Generälen sind ein sonderliches Ding, viele sind von Ghostwritern, viele sind schlichtweg unlesbar und allenfalls für Historiker von Interesse. Wenn überhaupt. Viele Autobiographien dienen den Autoren ja auch nur dazu, verlorene Schlachten nachträglich am Schreibtisch zu gewinnen. Viele Memoiren enthalten nur eine Sammlung von Tagesbefehlen und Auszüge aus Kriegstagebüchern. Manche Werke bestechen durch ihren Stil, das ist aber selten. Gertrude Stein fand - und das ist einigermaßen erstaunlich - dass Ulysses S. Grant die beste Prosa von allen Amerikanern schriebe. Wahrscheinlich hat Mark Twain die ➱Memoiren von Grant deshalb verlegt. Und manche Autobiographien liest man nur deshalb, weil die Person so herzerfrischend direkt in die Welt des Leser kommt, dass man ihn wie einen alten Freund begrüßt. ➱Brian Horrocks mit seiner Autobiographie A Full Life wäre so ein Beispiel.
Und natürlich Adrian Carton de Wiart (hier im Alter als englischer Landedelmann). Seine Gattin, eine österreichische Gräfin, wird in den Memoiren nie erwähnt, weil unser Gentleman noch zwischen Öffentlichem und Privatem unterscheiden kann. Der belgische Adelige - sein Cousin Graf Carton de Wiart wird einmal belgischer Premierminister werden - mit irischen Vorfahren (manche halten ihn für den illegitimen Sohn des belgischen Königs Leopold II) wächst in England auf. Er merkt erst, als er sich als Freiwilliger in den Burenkrieg meldet, dass er gar keinen englischen Paß besitzt. Also kämpft der Balliol Student, der sich selbst beurlaubt hat, unter einem angenommenem Namen. Aber wenig später ist er dann doch als Leutnant in der englischen Armee in Indien. Wir schreiben das Jahr 1902 und noch beinahe ein halbes Jahrhundert lang wird Adrian Carton de Wiart in Englands Diensten sein, zuletzt als Churchills Verbindungsmann zu Tschiang Kai-shek. Er ist unzählige Male verwundet worden, hat nur noch einen Arm und ein Auge, vom Lungendurchschuss und der Kugel, die den Schädel streifte, nicht zu reden. Frankly, I had enjoyed the war; it had given me many bad moments, lots of good ones, plenty of excitement... resümiert er den Ersten Weltkrieg. Die gefährlichste Verletzung seines Lebens trägt ihm allerdings eine rutschende Badematte ein.
Er hat das Victoria Cross (was er in seinen Memoiren nicht erwähnt, der Verlag fühlte sich bemüssigt, einen Hinweis darauf in die Bücher zu drucken) und die höchsten Orden Englands. Auf dem Photo, das Cecil Beaton während des Krieges in China von ihm macht, betrachtet er den Betrachter skeptisch, jeder Zoll ein aristokratischer Gentleman. Eigentlich ist er wirklich ein Relikt des spätviktorianischen Abenteuerromans, in der Welt von Ruritania wäre er gut aufgehoben. Der trotz aller Verwundungen leidenschaftliche Sportsmann (was die Oberklassenengländer so Sport nennen: Polo und die Jagd) hat von sich gesagt, dass er very few brains habe. Seien wir ihm für diese Selbstironie dankbar, dies ist die ungeschminkte Geschichte eines abenteuerlichen Lebens, erzählt von einem Haudegen, den man liebhaben muss. Carton de Wiart was a happy warrior if ever there was one begann Lord Ismay seinen Nachruf. Das Wort happy wird häufig gebraucht, wenn sich Menschen an Carton de Wiart erinnern. So der Maler William Orpen, dem er 1919 Modell saß: That warrior, General Carton de Wiart, V.C., came to sit: a man who loved war. What a happy nature! He told me he never suffered any pain from all his wounds except once—mental pain—when he temporarily lost the sight of his other eye, and he thought he might be blind for life. A joyous man, so quiet, so calm, so utterly unaffected.
Happy Odyssey ist nach mehr als ein halbes Jahrhundert wieder aufgelegt worden. Für anglophile Leser ist das Buch geradezu eine Pflichtlektüre.
Happy Odyssey beschreibt das abenteuerliche Leben eines Mannes, der direkt aus dem Roman The Prisoner of Zenda stammen könnte, Menschen wie Adrian Carton de Wiart kommen im wirklichen Leben nicht so häufig vor. Memoiren von Generälen sind ein sonderliches Ding, viele sind von Ghostwritern, viele sind schlichtweg unlesbar und allenfalls für Historiker von Interesse. Wenn überhaupt. Viele Autobiographien dienen den Autoren ja auch nur dazu, verlorene Schlachten nachträglich am Schreibtisch zu gewinnen. Viele Memoiren enthalten nur eine Sammlung von Tagesbefehlen und Auszüge aus Kriegstagebüchern. Manche Werke bestechen durch ihren Stil, das ist aber selten. Gertrude Stein fand - und das ist einigermaßen erstaunlich - dass Ulysses S. Grant die beste Prosa von allen Amerikanern schriebe. Wahrscheinlich hat Mark Twain die ➱Memoiren von Grant deshalb verlegt. Und manche Autobiographien liest man nur deshalb, weil die Person so herzerfrischend direkt in die Welt des Leser kommt, dass man ihn wie einen alten Freund begrüßt. ➱Brian Horrocks mit seiner Autobiographie A Full Life wäre so ein Beispiel.
Und natürlich Adrian Carton de Wiart (hier im Alter als englischer Landedelmann). Seine Gattin, eine österreichische Gräfin, wird in den Memoiren nie erwähnt, weil unser Gentleman noch zwischen Öffentlichem und Privatem unterscheiden kann. Der belgische Adelige - sein Cousin Graf Carton de Wiart wird einmal belgischer Premierminister werden - mit irischen Vorfahren (manche halten ihn für den illegitimen Sohn des belgischen Königs Leopold II) wächst in England auf. Er merkt erst, als er sich als Freiwilliger in den Burenkrieg meldet, dass er gar keinen englischen Paß besitzt. Also kämpft der Balliol Student, der sich selbst beurlaubt hat, unter einem angenommenem Namen. Aber wenig später ist er dann doch als Leutnant in der englischen Armee in Indien. Wir schreiben das Jahr 1902 und noch beinahe ein halbes Jahrhundert lang wird Adrian Carton de Wiart in Englands Diensten sein, zuletzt als Churchills Verbindungsmann zu Tschiang Kai-shek. Er ist unzählige Male verwundet worden, hat nur noch einen Arm und ein Auge, vom Lungendurchschuss und der Kugel, die den Schädel streifte, nicht zu reden. Frankly, I had enjoyed the war; it had given me many bad moments, lots of good ones, plenty of excitement... resümiert er den Ersten Weltkrieg. Die gefährlichste Verletzung seines Lebens trägt ihm allerdings eine rutschende Badematte ein.
Er hat das Victoria Cross (was er in seinen Memoiren nicht erwähnt, der Verlag fühlte sich bemüssigt, einen Hinweis darauf in die Bücher zu drucken) und die höchsten Orden Englands. Auf dem Photo, das Cecil Beaton während des Krieges in China von ihm macht, betrachtet er den Betrachter skeptisch, jeder Zoll ein aristokratischer Gentleman. Eigentlich ist er wirklich ein Relikt des spätviktorianischen Abenteuerromans, in der Welt von Ruritania wäre er gut aufgehoben. Der trotz aller Verwundungen leidenschaftliche Sportsmann (was die Oberklassenengländer so Sport nennen: Polo und die Jagd) hat von sich gesagt, dass er very few brains habe. Seien wir ihm für diese Selbstironie dankbar, dies ist die ungeschminkte Geschichte eines abenteuerlichen Lebens, erzählt von einem Haudegen, den man liebhaben muss. Carton de Wiart was a happy warrior if ever there was one begann Lord Ismay seinen Nachruf. Das Wort happy wird häufig gebraucht, wenn sich Menschen an Carton de Wiart erinnern. So der Maler William Orpen, dem er 1919 Modell saß: That warrior, General Carton de Wiart, V.C., came to sit: a man who loved war. What a happy nature! He told me he never suffered any pain from all his wounds except once—mental pain—when he temporarily lost the sight of his other eye, and he thought he might be blind for life. A joyous man, so quiet, so calm, so utterly unaffected.
Happy Odyssey ist nach mehr als ein halbes Jahrhundert wieder aufgelegt worden. Für anglophile Leser ist das Buch geradezu eine Pflichtlektüre.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen