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Samstag, 18. Februar 2012

Bilder vom Tage


Das hier ist das Ende der schottischen Königin Mary Stuart am 18. Februar 1587. An einem 18. Februar ein Jahrhundert früher ist
George Plantagenet, der erste Duke of Clarence, im Tower umgebracht worden. Der 18. Februar scheint ein schlechter Tag für Könige und Herzöge zu sein. Vielleicht stimmt das mit dem Tag nicht so genau, weil die ja damals noch einen anderen Kalender hatten. Aber der Gedanke ist einfach verlockend: Bilder zusammenzustellen, die alle ein Ereignis eines 18. Februars illustrieren. Quer durch die Jahrhunderte. Ich weiß zwar nicht, wozu es gut ist, könnte mir aber vorstellen, dass man etwas Interessantes daraus machen könnte. Der 18. Februar ist übrigens auch der Geburtstag der Cousine von Mary Stuart, die auch Mary hieß. Das ist die Königin, nach der der Cocktail heißt, der zuerst in Harry's Bar serviert wurde.

Hier ist die Zeichnung eines unbekannten holländischen Künstlers aus dem Jahre 1613 noch einmal in besserer Qualität, diesmal hat sie noch einen erklärenden Text. Viele Bilder brauchen einen erklärenden Text, nicht immer sagt ein Bild mehr als tausend Worte. Deshalb gibt es hier noch einen Text von Pierre de Bourdeille, dem Seigneur de Brantôme: One of the women then tied the handkerchief over her eyes. The Queen quickly, and with great courage, knelt dawn, showing no signs of faltering. So great was her bravery that all present were moved, and there were few among them that could refrain from tears. In their hearts they condemned themselves far the injustice that was being done.
   The executioner, or rather the minister of Satan, strove to kill not only her body but also her soul, and kept interrupting her prayers. The Queen repeated in Latin the Psalm beginning In te, Domine, speravi; non confundar in aeternum. When she was through she laid her head on the block, and as she repeated the prayer, the executioner struck her a great blow upon the neck, which was not, however, entirely severed. Then he struck twice more, since it was obvious that he wished to make the victim's martyrdom all the more severe. It was not so much the suffering, but the cause, that made the martyr.
   The executioner then picked up the severed head and, showing it to those present, cried out: 'God save Queen Elizabeth! May all the enemies of the true Evangel thus perish!'


So kann es ausgesehen haben, aber ist er wirklich dabei gewesen? Er hat die schottische Königin gekannt, kein Zweifel. In seinem Buch Das Leben der galanten Damen (in dem er immer von sich als Brantôme in der dritten Person redet) findet sich seine Begegnung mit Mary: Von da an bewegte er sich über dreißig Jahre lang im Hofleben. Zunächst begleitete er den Herzog von Guise auf sein Schloß; nachdem dann Franz II. gestorben war, geleitete er seine Witwe Maria Stuart im August 1561 auf der königlichen Galeere nach England und hörte ihr letztes Lebewohl an Frankreich. Nach seinem Hofleben und seiner militärischen Karriere ist er jetzt Historiker, allerdings halten seine Zunftkollegen heute nicht so viel von ihm. Aber seine Schilderung ist auf jeden Fall viel glaubhafter als die Version von Donzettis Oper Maria Stuarda (die ja irgendwie auf dem Stück von Schiller beruht). Falls Sie noch keine Aufnahme von dieser Oper haben sollten, empfehle ich die alte Decca Aufnahme mit Huguette Tourangeau als Elizabeth und Joan Sutherland als Mary Stuart. Pavarotti singt da auch. Damals konnte es es noch.

Mein zweites Bild zum 18. Februar ist dieses hier, das wiederum ein historisches Ereignis illustriert, beinahe vierhundert Jahre liegen zwischen den Begebenheiten. Und wie bei dem Bild des holländischen Malers besitzt auch dieses Bild eigentlich eine erklärende Bildunterschrift. Das Gemälde von J. J. Reiner zeigt das Attentat auf Kaiser Franz Joseph I. am 18. 2. 1853. Auf diesem Bild sind sie in der Bewegung alle miteinander verbunden: der ungarische Schneidergeselle, der seinen Kaiser erstechen will, der adlige Adjutant und der brave Bürger, die das verhindern wollen. Der Flügeladjutant Graf Maximilian O'Donnell hat noch nicht zu seinem Säbel gegriffen, mit dem er den Attentäter János Libényi niederstrecken wird, der Fleischer Josef Ettenreich (der für seine Tat geadelt wird) hat den Schneidergesellen noch nicht überwältigt. Es ist ein eingefrorener Moment: der Kaiser, der auf die Mauer gestützt die Parade seiner Truppen beobachtet hat, wendet sich erstaunt um, bevor ihn der Messerstich trifft. Er wird leicht verletzt, sein hoher, gestärkter Uniformkragen verhindert Schlimmeres. Es gibt Augenblicke, da haben steife Kragen Vorteile. Franz Joseph wirkt auf diesem Bild wie ein junger Dandy, wahrscheinlich war sein Kragen noch etwas höher, als ihn das Reglement vorschreibt. Der Attentäter wird wenig später öffentlich hingerichtet, und der Volksmund dichtet:

Auf der Simmeringer Had', hat's an Schneider verwaht
es g'schicht ihm schon recht, warum sticht er so schlecht.
Auf der Simmeringer Had', hat's an Schneider verwaht
mit der Nadel samt dem Öhr, samt dem Zwirn und der Scher'.
Auf der Simmeringer Had', hat's an Schneider verwaht
allen sei es a Lehr, er lebt nimmermehr
Und Leut'ln hurcht's auf, der Wind hört schon auf,
gang er allerweil so furt, wa ka Schneider mehr durt.


Ich weiß nichts über den Maler Johann Josef Reiner (der manchmal auch Rainer geschrieben wird), aber das Bild fasziniert mich. Er sieht aus wie die vorweg genommene pittura metafisica. Es ist aber eigentlich ein Votivbild (links), das ein gewisser Johannes Braunsteiner in Auftrag gegeben hat. Wir sehen im Internet bei diesem Bild immer nur die halbe Wahrheit, die barocke göttliche Dreifaltigkeit ist abgeschnitten. Und schon wird aus einem geheimnisvoll metaphysischen Bild ein mehr oder weniger scheußliches Bild des 19. Jahrhunderts. Das Bild ist durchkomponiert bis ins kleinste Detail, man kann Diagonalen und andere Linien durch das Bild ziehen. Wenn man zum Beispiel die Höhe der Köpfe betrachtet, gibt es eine ganz klare Ordnung nach dem Status der Personen: der Kopf des Herrschers ist am höchsten angeordnet, der des Attentäters am niedrigsten. Und natürlich sollte einem, wenn man nur die untere Hälfte serviert bekommt, diese Wolke zu denken geben. Die da wie eine Art Windhose hinter dem Kaiser mit seiner Dandypose endet und sich dann in den Himmel schraubt. Wenn man nur die untere Häfte des Bildes kennt, macht die Wolke (außer als eine Art Halo für Franz Joseph) keinen Sinn. Auf dem ganzen Votivbild stellt sie natürlich die Verbindung zwischen Kaiser und Gott dar. Weil das Attentat ja durch die göttliche Vorsehung (so die Bildunterschrift) vereitelt wurde. Oder vielleicht doch durch den Schrei einer Frau, die den Attentäter kommen sah.

Hier ist das Attentat vorbei, auf dieser Lithographie schreitet der leicht verletzte Kaiser über die Bastei und sagt zu den herbeigeeilten Bürgern: Beruhigen sie sich, Ich theile nur das Schicksal meiner tapferen Soldaten in Mailand. Der Schneidergeselle (ob der mal die Uniform des Kaisers genäht hat?) ist längst abgeführt.

Es lohnt sich bei Bildern immer, auf das kleine Detail zu achten. Auch bei diesem Bild links. Das hat nichts mit der Weltgeschichte zu tun, aber auch mit einem 18. Februar. Denn am 18. Februar 1885 erscheint in Amerika Mark Twains Roman The Adventures of Huckleberry Finn. Der Roman, an dem Mark Twain am längsten geschrieben hatte. Immer wieder hat er ihn weggelegt und neu begonnen. Und dann hatte sich die Auslieferung in der letzten Minute noch verzögert als man entdeckte, dass sich da ein Grafiker (der trotz einer ausgelobten Belohnung niemals bekannt wurde) mit der Druckplatte zu einer Illustration des Buches einen obszönen Scherz erlaubt hatte. Und einen kleinen Penis in die Abbildung eingefügt hatte. Das darf natürlich nicht sein, auch in Büchern über kleine Ausreißer auf dem Mississippi muss das Decorum gewahrt bleiben.

Aber selbst am Mississippi werden wir von europäischer Geschichte nicht verschont. Selbst in Huckleberry Finn haben wir abgeschlagene Köpfe (Chop off her head!) und dukes und kings. Auch wenn die nur Kleinkriminelle sind. Huck Finn hält seinem Freund Jim einen kleinen Vortrag über das Wesen der Könige, aus dem wir viel über Könige lernen können: "Don't it s'prise you de way dem kings carries on, Huck?"
 "No," I says, "it don't."
 "Why don't it, Huck?"
 "Well, it don't, because it's in the breed. I reckon they're all alike,"
 "But, Huck, dese kings o' ourn is reglar rapscallions; dat's jist what dey is; dey's reglar rapscallions."
 "Well, that's what I'm a-saying; all kings is mostly rapscallions, as fur as I can make out."
 "Is dat so?"
 "You read about them once -- you'll see. Look at Henry the Eight; this 'n 's a Sunday-school Superintendent to him. And look at Charles Second, and Louis Fourteen, and Louis Fifteen, and James 
Second, and Edward Second, and Richard Third, and forty more; besides all them Saxon heptarchies that used to rip around so in old times and raise Cain. My, you ought to seen old Henry the Eight when he was in bloom. He was a blossom. He used to marry a new wife every day, and chop off her head next morning. And he would do it just as indifferent as if he was ordering up eggs. 'Fetch up Nell Gwynn,' he says. They fetch her up. Next morning, 'Chop off her head!' And they chop it off. 'Fetch up Jane Shore,' he says; and up she comes, Next morning, 'Chop off her head' -- and they chop it off. 'Ring up Fair Rosamun.' Fair Rosamun answers the bell. Next morning, 'Chop off her head.' And he made every one of them tell him a tale every night; and he kept that up till he had hogged a thousand and one tales that way, and then he put them all in a book, and called it Domesday Book -- which was a good name and stated the case. You don't know kings, Jim, but I know them; and this old rip of ourn is one of the cleanest I've struck in history. Well, Henry he takes a notion he wants to get up some trouble with this country. How does he go at it -- give notice? -- give the country a show? No. All of a sudden he heaves all the tea in Boston Harbor overboard, and whacks out a declaration of independence, and dares them to come on. That was his style -- he never give anybody a chance. He had suspicions of his father, the Duke of Wellington. Well, what did he do? Ask him to show up? No -- drownded him in a butt of mamsey, like a cat. S'pose people left money laying around where he was -- what did he do? He collared it. S'pose he contracted to do a thing, and you paid him, and didn't set down there and see that he done it -- what did he do? He always done the other thing. S'pose he opened his mouth -- what then? If he didn't shut it up powerful quick he'd lose a lie every time. That's the kind of a bug Henry was; and if we'd a had him along 'stead of our kings he'd a fooled that town a heap worse than ourn done. I don't say that ourn is lambs, because they ain't, when you come right down to the cold facts; but they ain't nothing to that old ram, anyway. All I say is, kings is kings, and you got to make allowances. Take them all around, they're a mighty ornery lot. It's the way they're raised."

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