So sah das Bild in einem dieser großen Bildbände meines Opas aus, die alle vorwiegend Bilder der Historien- und Genremalerei des 19. Jahrhunderts enthielten. Hat mich schon im Kindesalter zu einem Fachmann für Historienmalerei gemacht. Egal, ob da der Alte Fritz oder Andreas Hofer auf den Bildern war, ich kannte sie alle. Dieses Bild zeigt den Tod des Generalleutnants Prinz Louis Ferdinand von Preußen in einem Hohlweg bei Saalfeld. Napoleon verlieh dem Sergeanten Guindey, der Louis Ferdinand den tödlichen Säbelhieb versetzt hatte, die Ehrenlegion. Sagte aber auch, wenn er ihm einen lebenden Prinzen gebracht hätte, er ihn zum Offizier ernannt hätte.
Der Tod des Prinzen am 10. Oktober in dem eigentlich unbedeutenden Gefecht von Saalfeld, das vier Tage vor der Schlacht von Jena und Auerstädt stattfindet, veranlasste noch Jahrzehnte später Theodor Fontane zu dem ➱Gedicht, dessen ersten Strophe reine Preußenpropaganda ist:
Sechs Fuß hoch aufgeschossen,
Ein Kriegsgott anzuschaun,
Der Liebling der Genossen,
Der Abgott schöner Fraun,
Blauäugig, blond, verwegen
Und in der jungen Hand
Den alten Preußendegen –
Prinz Louis Ferdinand.
Für die einen ist der die glänzendste Verkörperung des Preußentums, ein Kriegsgott am Klavier (wie Günter de Bruyn ironisch das Kapitel über Louis Ferdinand in seinem schönen Buch Als Poesie gut überschrieben hat), ein Salonlöwe im literarischen Salon von Rahel van Varnhagen. Ich weiß nicht so recht, ob er wirklich mehr als ein preußischer Playboy und Weiberheld gewesen ist. Beethoven hat seine musikalischen Kompositionen gelobt (die Klaviertrios und Orchesterwerke kann man heute noch auf CD kaufen), er war eben sehr höflich. Er hat dem Prinzen auch sein Klavierkonzert No. 3 gewidmet. Dem Napoleon wollte Beethoven einmal seine dritte Symphonie widmen, hat es sich dann aber noch überlegt: Ist der auch nicht anders, wie ein gewöhnlicher Mensch! Nun wird er auch alle Menschenrechte mit Füßen treten, nur seinem Ehrgeize frönen; er wird sich nun höher, wie alle Anderen stellen, ein Tyrann werden!
In Fontanes Loblied auf den Prinzen ahnt Louis Ferdinand in der vorletzten Strophe schon sein Ende:
Zu spät zu Kampf und Beten,
Der Feinde Rosses-Huf
Wird über Nacht zertreten,
Was ein Jahrhundert schuf,
Ich seh es fallen, enden,
Und wie alles zusammenbricht,
Ich kann den Tag nicht wenden,
Aber leben will ich ihn nicht.
Bei seinem Dichterkollegen Christian Friedrich Scherenberg (den Fontane durchaus schätzte) klingt das noch ein wenig melodramatischer:
Prinz Ludwig sitzt vorm Saitenspiel
Im Rudolstädter Schlosse,
Der letzte Strahl durch’s Fenster fiel,
Und Nacht wird sein Genosse.
"Ade, mein Preußen!" greift voll Schmerz
Er wieder in die Tasten,
Als schlüg’ er drein sein wildes Herz
Mit allen seinen Lasten.
Springt auf: “Mein Pferd, mein Pferd! muß fort
Zu meinen Fahnen reiten!"
Stürmt weg, noch ehe der Akkord
Verklungen aus den Saiten.
Prinz Ludwig sitzt vorm Saitenspiel
Im Rudolstädter Schlosse,
Der letzte Strahl durch’s Fenster fiel,
Und Nacht wird sein Genosse.
"Ade, mein Preußen!" greift voll Schmerz
Er wieder in die Tasten,
Als schlüg’ er drein sein wildes Herz
Mit allen seinen Lasten.
Springt auf: “Mein Pferd, mein Pferd! muß fort
Zu meinen Fahnen reiten!"
Stürmt weg, noch ehe der Akkord
Verklungen aus den Saiten.
Der Sergeant Jean-Baptiste Guindey hatte dem Prinzen noch ein Rendez-vous, général, ou vous êtes mort ! zugerufen, aber der soll nur mit Sieg oder Tod! geantwortet haben. In anderen Kategorien können Preußen nicht denken. Sergeant Guindey ist Jahre später zum Leutnant in einem Garderegiment befördert worden, in der Schlacht von Hanau 1813 ist er gefallen. Um ihn hat es keinen Kult gegeben. Er komponierte keine Klaviermusik und hinterließ bei seinem Tod keinen Schuldenberg (von fast einer Million Thaler), keine illegitimen Kinder und keine trauernden Geliebten (wobei sich Louis Ferdinands Geliebte Pauline Wiesel auch schnell mit einem Franzosen getröstet hat). Neunzig Jahre nach Guindeys Tod hat ein Verwandter dafür gesorgt, dass er in seiner Heimatstadt Laruns ein Ehrenmal bekam:
QUI NAQUIT À LARUNS (BEARN) LE 12 AVRIL 1785
MARÉCHAL DES LOGIS AU 10e HUSSARDS
TUA DE SA PROPRE MAIN PAR UN HARDI COUP DE POINTE
A SAALFELD LE 10 OCTOBRE 1806
LE PRINCE LOUIS DE PRUSSE, NEVEU DU GRAND FREDERIC
LIEUTENANT DE GRENADIERS A CHEVAL DE LA GARDE IMPÉRIALE, OFFICIER DE LA L.H.
MOURUT GLORIEUSEMENT A LA BATAILLE DE HANAU LE 29 OCTOBRE 1813
Ob die Zeigelei in Ihrem Heimatort enteignet wird, wenn das NPD Verbot tatsächlich durchgeht?
AntwortenLöschenMir wäre es lieber, ein preußische Prinzessin hauchte mir was ins Ohr, wenn ich schon die Reden in gewissen Landtagen nicht einfach abstellen kann.
Herr Thielen ist glücklicherweise seit zwanzig Jahren tot, Über die preußischen Prinzessinnen und Prinzen aus Bremen-Oberneuland möchte ich lieber nichts mehr sagen.
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