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Freitag, 29. März 2013

Kuckucksnest


They don't bother not talking out loud about their hate secrets when I'm nearby because they think I'm deaf and dumb. Everybody thinks so. I'm cagey enough to fool them that much. If my being half Indian ever helped me in any way in this dirty life, it helped me being cagey, helped me all these years ... Der da spricht, ist der angeblich taubstumme Chief Bromden, der Erzähler von Ken Keseys One flew over the cuckoo's nest. Am Ende des ersten Kapitels sagt er: I been silent so long now it’s gonna roar out of me like floodwaters and you think the guy telling this is ranting and raving my God; you think this is too horrible to have really happened, this is too awful to be the truth! But, please. It’s still hard for me to have a clear mind thinking on it. But it’s the truth even if it didn’t happen.

Das auf dem Photo ist natürlich nicht Chief Bromden, das ist Jack Nicholson als Randle McMurphy in dem Film von Milos Forman. Der hat am 29. März des Jahres 1975 mächtig viele Oscars abgeräumt. Das Studio war gut beraten, den beinahe unverfilmbaren Roman einem Regisseur wie Milos Forman zu überlassen. Als ich One flew over the cuckoo's nest damals im Kino sah, konnte ich mich noch gut an die beiden Filme von Forman erinnern, die ich ein Jahrzehnt zuvor gesehen hatte: Die Liebe einer Blondine und Der Feuerwehrball. Es waren die Filme, die seinen Weltruhm begründeten.

Der Roman One flew over the cuckoo's nest war damals nicht mehr ganz neu, er war 1962 erschienen und schon im nächsten Jahr auf den Broadway gewandert (der Autor des Filmdrehbuchs, Bo Goldmann, hat aber die Theaterversion von Dale Wassermann nicht für sein Drehbuch benutzt). Dies hier ist das Cover der englischen Picador Ausgabe, hab' ich aus Nostalgie hierher gestellt. Ich habe aber auch noch die von John C. Pratt herausgegebene dicke Ausgabe der Viking Critical Library des Romans, die eine Vielzahl von Materialien enthält. Dieser Professor John Pratt hat eine erstaunliche Karriere: PhD von Princeton, dann US Air Force, Pilot in Vietnam, später Lehrer an der Luftwaffenakademie. Danach wurde der pensionierte Lieutenant Colonel Pratt Professor an der University of Colorado. Bei den Interviews, die er Anfang der siebziger Jahre mit Ken Kesey führte, wäre ich gerne dabei gewesen.

Was der Film natürlich nicht leisten kann, ist die Perspektive des Romans wiederzugeben: die ganze Welt aus der Sicht von Chief Bromden, der seit Ende des Zweiten Weltkriegs in der Psychiatrie ist. Und der der einzige ist, der am Ende des Romans aus dieser Welt ausbricht. Für Leslie Fiedler, der sein Buch The Return of the Vanishing American mit einem thanks to the Blackfoot tribe who adopted me versah, war der Indianer ein Zeichen dafür, dass die amerikanische Literatur nicht mehr blind gegenüber den Native Americans war. Also gegenüber denen that you've chased across America's movie screens, wie ➱Buffy Sainte-Marie sang. Und wenn wir an Thomas Bergers Little Big Man, ➱Arthur Kopits Indians und die Lieder der protest singers denken, gab es ja schon eine kleine Welle der Indianerliteratur.

Keseys Roman bietet Raum für eine Vielzahl von Interpretationen. Überall Symbole in den Text hineinzuschreiben, hatte er an der Stanford Universität in dem Creative Writing Program von Wallace Stegner gelernt. Mit dem er sich ständig gezofft hat. Angeblich hielt ➱Stegner ihn für einen threat to civilization and intellectualism and sobriety. Ähnliches befürchteten damals ja viele, die counter culture war ein Gegenentwurf, der dem konservativen Amerika nicht behagte. Aber Charles A. Reichs Buch The Greening of America, eine Art Bibel der counter culture wurde 1970 ein Bestseller, ebenso wie One flew over the cuckoo's nest  ein Bestseller war. Es ist auch ein Roman, der sich nach einem halben Jahrhundert immer noch gut gehalten hat. Was auch für andere Titel aus dem Jahr 1962 wie Anthony Burgess' A Clockwork Orange gilt. Kultbücher sind angesagt. Manche haben ein kürzeres Verfallsdatum, Pirsigs Zen and the Art of Motorcycle Maintenance hat sich leider nicht so gut gehalten.

Ken Kesey hat Melville bewundert: Nobody had more class than Melville. To do what he did in 'Moby-Dick', to tell a story and to risk putting so much material into it. If you could weigh a book, I don’t know any book that would be more full. It’s more full than 'War and Peace' or 'The Brothers Karamazov'. It has Saint Elmo’s fire, and great whales, and grand arguments between heroes, and secret passions. It risks wandering far, far out into the globe. Melville took on the whole world, saw it all in a vision, and risked everything in prose that sings. You have a sense from the very beginning that Melville had a vision in his mind of what this book was going to look like, and he trusted himself to follow it through all the way.

Und natürlich kommt auch ein wenig Melville in dem Roman vor. Erinnern Sie sich an die Unterhosen von Randle McMurphy? The shorts under his work pants are coal black satin covered with big white whales with red eyes. He grins when he sees I'm looking at the shorts. 'From a co-ed at Oregon State, Chief, a Literary major.' He snaps the elastic with his thumb. 'She gave them to me because she said I was a symbol.' Es ist schön, wenn einem die Symbolik so klar geliefert wird.

Randle McMurphy - eine Paraderolle für Jack Nicholson - ist natürlich nicht Kapitän Ahab. Er ist eine comic book Figur, der amerikanische Cowboy, was immer wir wollen. Ken Kesey, der sich selbst als eine Übergangsfigur zwischen den Beatniks und den Hippies sah, soll angeblich Neal Cassady (den Jack Kerouac als Dean Moriarty in On the Road in die Literatur gebracht hatte) das Vorbild für Randle McMurphy sein. Das hat Kesey zurückgewiesen. Auf die Frage How much of Neal Cassady went into the making of Randle P. McMurphy? hat er geantwortet: He’s part of the myth. The Irish names—Kesey, Cassady, McMurphy—were all together in my mind as well as a sense of Irish blarney. That’s part of the romantic naïveté of McMurphy. But McMurphy was born a long time before I met Neal Cassady. The character of McMurphy comes from Sunday matinees, from American Westerns. He’s Shane that rides into town, shoots the bad guys, and gets killed in the course of the movie. McMurphy is a particular American cowboy hero, almost two-dimensional. He gains dimension from being viewed through the lens of Chief Bromden’s Indian consciousness.

Der von der Tyrannin der Irrenanstalt Amerika namens Nurse Ratched (= wretched) lobotomisierte McMurphy stirbt am Ende. Chief Bromden erstickt ihn mit einem Kissen, es ist ein Gnadentod. Oder ein Liebestod. Amerikas Cowboy muss sterben, damit Amerikas Indianer leben kann, eine schöne Vision. Eine Vielzahl von Literaturkritikern hat in dem Roman auch eine Parallele zur Leidensgeschichte Christi gesehen. Das ist sicherlich angedeutet, aber in seiner Symbolik kaum stringent. Trägt Jesus Boxershorts mit weißen Walen drauf?

Passend zum Karfreitag könnte ich natürlich noch auch Ken Keseys Good Friday (in dem Band  Demon Box) hinweisen. Und auf das in der amerikanischen Drogenkultur berühmte Good Friday Experiment. Aber wenn Sie etwas Klassisches lesen wollen, dann lesen Sie ➱hier John Donne.

1 Kommentar:

  1. Natürlich habe ich das "Kuckucksnest" gesehen. Mehrfach, denn beim ersten Mal erschloss sich mir dieser Film eher nicht.
    Der Chief Bromden fiel mir damals schon auf. Und sicher ist diese Figur auch mit einer vielleicht neueren Aussage zu Amerikas Ureinwohnern verbunden.
    Was mich betrifft, verweise ich hier einmal auf eine Althistorikerin, die sich mit den Indianern auf eine ganz andere Art beschäftigte, nämlich Liselotte Welskopf-Henrich. Über diese wird in unserem Blog sicherlich noch einiges zu lesen sein.

    Im übrigen freue ich mich, das "jay" als Seitenmitglied bei uns "aufgetaucht" ist.

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