Es geht hier heute um nationale Farbsymbolik. Der Anlaß für diesen Post ist das patriotische Gedicht Schwarz-Rot-Gold von Ferdinand Freiligrath, geschrieben am 17. März 1848. Aber natürlich weiß ich auch, dass der 17. März der St Patrick's Day ist. Da nehme ich doch einmal diese patriotische junge Dame, die es ➱hier vor Jahren schon einmal zu sehen gab. Honi soit qui mal y pense, es muss doch noch erlaubt sein, die nationalen Farben und Symbole zu tragen. Die Iren sind eine der wenigen Nationen, die mit ihrer Flagge nie Probleme hatten. Wir hatten in der Weimarer Republik einen Flaggenstreit mit Straßenkämpfen. Es ging um Schwarz-Weiß-Rot und Schwarz-Rot-Gold.
Die Bremer Speckflagge ist rot und weiß. Die Flagge Preußens ist schwarz und weiß. Also wurde die Flagge des Norddeutschen Bundes ab 1867 schwarz-weiß-rot. Das waren von 1871 bis 1919 sowie von 1933 bis 1945 die Reichsfarben des Deutschen Reiches. Im Kaiserreich war Schwarz-Weiß-Rot ab 1892 die offizielle Nationalflagge. Es gab auch eine Reichskriegsflagge, die sieht man heute manchmal (wie die Flagge der rebellischen amerikanischen Südstaaten) in Fußballstadien. Und bei Rechtsradikalen. Diese schwarz-weiß-rote Flagge hat aber nichts zu tun mit der Reichskriegsflagge, die der Kapitän zur See Brommy 1849 an seinem Flaggschiff Barbarossa führte (lesen Sie ➱hier mehr über den Admiral Brommy).
Das mit den Farben Schwarz und Weiß in der Flagge Preußens weiß ich, seit ich ein Kind war. Wir hatten einmal an einem Wochenende die Verwandten in Cloppenburg besucht, und mein Vater drängte uns zu einem frühen Aufbruch. Fuhr mit der Familie aber nicht Richtung Bremen sondern Richtung Münster. Und verriet uns auf dem Weg, dass er gerne Fiffi Gerritzen sehen wollte. Fiffi Gerritzen spielte damals für Preußen Münster und war der berühmteste Fußballspieler in Norddeutschland. Also damals, bevor uns Uwe kam (Fußball Fans lesen jetzt mal eben ➱Uns Uwe und ➱Hannover 96).
Am Ortsausgang von Cloppenburg gerieten wir in eine große Menschenmenge, mein Vater musste halten und stellte den Motor ab. Ich fragte ihn, warum wir nicht weiterfahren, und er sagte, dass dies eine Prozession sei. Wenn man aus Bremen kommt, kennt man keine katholischen Prozessionen. Wir schafften es gerade noch, zur zweiten Halbzeit in Münster zu sein. Und ich habe Fiffi Gerritzen noch gesehen. Der spielte natürlich in schwarz-weißem Trikot, weil sein Verein Preußen Münster hieß. Gut, ein büschen Grün war auch dabei. Heute laufen sie ja in schwarz-grün herum. Dafür sind sie auch in der Dritten Liga, damals spielten sie ganz oben mit. Wenn Werder Bremen nur seine alten Vereinsfarben tragen würde und nicht auf der Brust Werbung von so zweifelhaften Unternehmen wie KiK oder Wiesenhof tragen würde, dann stünden sie auch weiter oben in der Tabelle. Und vielleicht sollte sich Borussia Dortmund einmal daran erinnern, dass Borussia ja Preußen heißt, dann brauchten sie diese ➱Biene Maja Trikots nicht mehr zu tragen.
Die Nationalmannschaft, in der Gerritzen auch mal spielte, trug früher die Farben Preußens. Heute ist sie Werbeträger für Adidas, Daimler Benz und ich weiß nicht wen. Offensichtlich kann man nationale Symbolik und Werbung miteinander leicht verbinden. Vor allem im Fußball, der ja immer mehr kommerzialisiert wird. Da ist der Firma Adidas nichts mehr heilig. Dieses Trikot für die Weltmeisterschaft in Brasilien mussten sie allerdings wegen sexueller Zweideutigkeit vom Markt nehmen.
Ich bin in der Woche nach dem Fall der Mauer in Mecklenburg-Vorpommern gewesen und habe da in einem halbverfallenen kleinen Kaff an einem abbruchreifen Haus eine meterhohe Werbung gesehen: WEST. In den Farben Schwarz, Weiß und Rot. Das war ein Bild schöner Symbolik, jetzt war der Westen in Gestalt der Zigarettenwerbung (lesen Sie ➱hier mehr zur Werbung, das ist ein Post, der über zehntausend Mal angeklickt wurde) und in den Farben des Deutschen Reiches in den Osten gekommen. War das das, wovon man im Osten geträumt hatte? Noch bevor die Mauer fiel, hatte Coca Cola den Weg in die DDR gefunden, wurde tatsächlich für zwei Mark fünfzig (Ost) in Läden gesehen. Eine Studentin, die in den Semesterferien bei Coca Cola arbeitete, schenkte mir damals einen Coca Cola Anstecker und prophezeite mir, der wäre eines Tages sehr viel wert. Der rote Anstecker zeigte das geeinte Deutschland, mit dem Schriftzug Coca Cola in der Mitte. So, als ob Coca Cola Deutschland geeint hätte. Coca Cola und Kommunismus haben die gleiche symbolische Farbe. Ich weiß nicht, was der kleine Anstecker heute wert ist. Ich habe ihn aber immer noch, er liegt gerade vor mir auf dem Schreibtisch.
Manche Symbole einstiger Macht und Stärke konnte man damals billig bekommen. Überall auf den Straßen vertickten Russen bunte russische Komandirskie-, Generalskie- und Admiralskie-Uhren. Beinahe ein halbes Jahrhundert zuvor hatten Russen mit dem Schlachtruf Uri, Uri hier Uhren eingesammelt. Jetzt begann der Ausverkauf, auf Berliner Flohmärkten wurden sogar Kalaschnikows angeboten. Und die Flagge der DDR, die man im Westen, als sie 1959 zum ersten Mal gehisst wurde, nur Spalterflagge nannte, brachte überhaupt keine Preise. Es ist ein wenig in Vergessenheit geraten, aber bis zum Jahre 1959 hatten beide Teile Deutschlands eine Flagge. Also die, die in unserem Grundgesetz in Art. 22 Abs. 2 beschrieben wird als Die Bundesflagge ist schwarz-rot-gold.
Die Dänen sind stolz auf ihr Dannebrog, an jedem Wochenende ziehen sie die Flagge auf, man sieht sie an Wochenendhäusern und auf Campingplätzen. Ohne großes Zeremoniell, also ohne etwas wie das Trooping the Colour am ➱Geburtstag der Queen. Wir in Deutschland schmücken bestenfalls unsere Autos mit der Flagge, wenn wir bei einer Fußballweltmeisterschaft ins Halbfinale kommen. Dann singen wir auch Schland o Schland, aber nicht mehr Deutschland, Deutschland über alles. Das hat man früher einmal gesungen. Mit der Nationalhymne haben wir immer Schwierigkeiten. Fußballer sowieso.
Ich zitiere dazu mal eben einen Absatz aus dem Post ➱God Save the King: God Save the King/Queen ist eine englische Nationalhymne, es gibt aber keine offizielle Nationalhymne. Bei uns wird so etwas gesetzlich geregelt, hat sogar schon das Bundesverfassungsgericht beschäftigt. Und so ist die dritte Strophe des Deutschlandliedes als Nationalhymne gemäß § 90a StGB gegen Verunglimpfung geschützt. Vor einem halben Jahrhundert, in den Kindertagen der Bundesrepublik war das alles nicht so eindeutig. So soll der Bundeskanzler Konrad Adenauer in Amerika einmal mit dem Lied Heidewitzka, Herr Kapitän begrüßt worden sein und auch der ➱Karnevalsschlager Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien (als Anspielung auf die drei Westzonen) wurde schon mal als Hymnenersatz gespielt. Aber heute haben wir natürlich eine Hymne, und wie die geht, macht uns Sarah Connor vor. Brüh' im Lichte dieses Glückes, ist das schon eine Verunglimpfung gemäß § 90a StGB?
Die deutsche Flagge ist im Paragraphen 90 a auch gegen Verunglimpfung geschützt: Ebenso wird bestraft, wer eine öffentlich gezeigte Flagge der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder oder ein von einer Behörde öffentlich angebrachtes Hoheitszeichen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder entfernt, zerstört, beschädigt, unbrauchbar oder unkenntlich macht oder beschimpfenden Unfug daran verübt. Der Versuch ist strafbar. In Amerika darf der freie Bürger seine Flagge verbrennen, es sei denn, er wäre gerade bei der Army. Wenn bei einer Flaggenparade der US Army die Flagge zufällig den Erdboden berührt, gibt es für die Wachsoldaten einige Tage Bau. Bei der Bundeswehr putzt sich die Wache vor der Flaggenparade mit dem schwarzen Teil der Flagge die Stiefel. Nichts ist mehr heilig.
Unsere Bundesflagge ist eine Trikolore (die Revolutionäre von 1848 nannten sie Dreifarb), aber nur in Frankreich gibt es eine tricolore. Unsere Flagge hat keinen Namen. Heißt nicht Dannebrog, Union Jack oder Jolly Roger. Segler sollen sie manchmal als Adenauer bezeichnen, aber das ist nicht offiziell. Die Farbsymbolik der Bundesflagge reicht bis ins Mittelalter zurück, in der Manessischen Handschrift finden sich schon die Farben Schwarz, Rot und Gold. Ihre große Bedeutung erhält die Flagge erst im 19. Jahrhundert, da wird sie die Flagge der Revolution. Denn beim Hambacher Fest 1832, da wehte sie über dem Schloss ➱Hambach.
Am 17. März 1848 hat der Dichter Ferdinand Freiligrath in London das später auch vertonte Gedicht Schwarz-Rot-Gold geschrieben (es findet sich ➱hier im Volltext). Das patriotische und politisch folgenreiche Gedicht beginnt mit den Versen:
In Kümmernis und Dunkelheit,
Da mußten wir sie bergen!
Nun haben wir sie doch befreit,
Befreit aus ihren Särgen!
Ha, wie das blitzt und rauscht und rollt!
Hurra, du Schwarz, du Rot, du Gold!
Pulver ist schwarz,
Blut ist rot,
Golden flackert die Flamme!
Eine Woche zuvor hatte der Bundestag des Deutschen Bundes dekretiert: Eben so werden die Bundesfarben der deutschen Vorzeit zu entnehmen seyn. Da war der Wunsch des Dichters Hoffmann von Fallersleben, der später ein Trinklied schreibt, das heute unsere Nationalhymne ist (lesen Sie mehr in dem Post ➱Kurgäste), Wirklichkeit geworden. Denn schon 1843 dichtete der:
Immer unerfüllt noch stehen
Schwarz, Rot, Gold im Reichspanier:
Alles läßt sich schwarz nur sehen,
Rot und Gold, wo bleibet ihr?
Rot und Gold, wo bleibet ihr?
Ach wann erglänzt aus dem Dunkel der Nacht
unsere Hoffnung in funkelnder Pracht?
Aber sind Schwarz, Rot, Gold im Reichspanier wirklich die Farben des Bürgertums? Sie kommen doch eher aus dem Malkasten der Heraldik der deutschen Fürsten. Und so teilten nicht alle deutschen Dichter diese Begeisterung für die neuen alten Farben. So schrieb ➱Heinrich Heine in Michel nach dem März:
Doch als die schwarz-rot-goldene Fahn,
Der altgermanische Plunder,
Aufs neue erschien, da schwand mein Wahn
Und die süßen Märchenwunder.
Ich kannte die Farben in diesem Panier
Und ihre Vorbedeutung:
Von deutscher Freiheit brachten sie mir
Die schlimmste Hiobszeitung.
Vor der Revolution klang das bei Harry Heine allerdings ein klein wenig anders: Pflanzt die schwarz-rot-goldene Fahne auf die Höhe des deutschen Gedankens, macht sie zur Standarte des freien Menschentums und ich will mein bestes Herzblut für sie hingeben. Flaggen spielen für uns heute kaum noch eine Rolle, 1931 war das anders, da konnte Tucholsky noch schreiben: Jeder Mensch hat 1 Leber, 1 Milz, 1 Lunge und 1 Fahne; sämtliche vier Organe sind lebenswichtiger Natur. Es soll Menschen ohne Leber, ohne Milz und mit halber Lunge geben; Menschen ohne Fahne gibt es nicht. Und dann kamen noch mehr Fahnen. Das Ende dieser Flaggenparade hat Kurt Tucholsky (dem Heinrich Heine ein großes Vorbild war) nicht mehr erlebt. So konnte er die Genugtuung nicht mehr haben, dass der letzte Satz aus ➱Die Frau mit dem Fähnchen - dies, im Jahre 1945 nachgelesen, wird sehr wahr sein - wirklich sehr wahr war.
Niemand wird heute mehr schwimmend in der Tropen Duft; von deutschen Kolonieen träumen, wo die deutsche Flagge weht, und ein Reich, in dessen Grenzen nie die Sonne untergeht sehen wollen. Wir sind nüchterner geworden. Als Gustav Heinemann vor der Wahl zum Bundespräsidenten gefragt wurde, ob er denn diesen Staat nicht liebe, antwortete er: Ach was, ich liebe keine Staaten, ich liebe meine Frau; fertig! Als Bundespräsident musste er mit dieser häßlichen Standarte herumfahren, den Reichsadler des Reichspräsidenten der Weimarer Republik führen die Bundespräsidenten immer noch immer Schilde. Das ist die moderne Designversion des Reichsadlers auf dem Bild von Heinrich VI in der Manessischen Handschrift (oben). Da hat sich in achthundert Jahren wenig verändert. Doch als die schwarz-rot-goldene Fahn, Der altgermanische Plunder, Aufs neue erschien, da schwand mein Wahn Und die süßen Märchenwunder.
Das Gedicht, das Freiligrath am 17. März 1848 schrieb, diente ein Jahr nach dem Ersten Weltkrieg einem anderen deutschen Dichter, der unter dem Pseudonym ➱Theobald Tiger schrieb, als Vorlage. Aber da klingt es nicht mehr so patriotisch und begeistert:
Das war damals, als Freiligrath
sang in die deutschen Ohren:
Was auch ein König für euch tat,
Toren bleibt ihr, Toren!
Sitzt so getreu in der Obrigkeit Hut,
artig, ein Kind bei der Amme --
Schwarz ist der Stahl,
rot ist das Blut.
Golden flackert die Flamme!
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