Früher habe ich Weihnachtskarten gekauft, meist von Unicef und anderen karitativen Organisationen. Dann fand ich das nicht so originell und habe begonnen, Karten zu zeichnen und zu kolorieren. Der Begriff Künstlerpostkarte wäre jetzt zu hoch gegriffen. Das war aber à la longue zu aufwendig, und so verschickte ich Kunstpostkarten.
Womit ich nur meinen Freund Peter nachahmte, der das schon seit Jahrzehnten macht. Der weiß, dass ich seit dem Studium diesen Zettelkasten habe, in den ich alle Kunstpostkarten hinein tue. Früher haben wir uns in den Semesterferien abgefragt. Jeder hatte seinen Zettelkasten, und dann ging es los. Das übt das Sehen ungemein. Die Bilderflut, die uns aus dem Computer entgegen strömt, gab es damals noch nicht. Wir schulten unser Bildergedächnis (➱Aby Warburg hätte seine Freude daran gehabt) an Postkarten. Im Rigorosum kriegte ich einen kleinen Bilderschnipsel vorgelegt, keine drei Quadratzentimeter groß. Ich guckte einmal hin und sagte: Rogier van der Weyden. Das beeindruckte ➱Wolfgang J. Müller wohl so sehr, dass er auf weitere Tests verzichtete. Dies hier ist ein früher Lenbach: Dörflicher Friedhofseingang, das Bild kannte ich noch nicht. Ist natürlich auf der Qualtätspostkarte von Peter viel besser als diese Abbildung.
Als ich 2011 über ➱Lenbach schrieb, habe ich zu diesem Bild (das fünf Jahre nach der Friedhofsmauer entstand) gesagt: Dabei hatte der junge Franz Seraph Lenbach, der heute vor 175 Jahren geboren wurde, einmal ganz anders angefangen. Als Deutschlands erster plein air Maler, wie man auf diesem Bild aus dem Sommer 1859 sehen kann. Nimmt sozusagen den Impressionismus vorweg. Aber wenn man viel Geld verdienen will und ein Münchener Malerfürst werden will, ist Impressionismus nicht so gut. Da sind Reichskanzler und Hirtenknaben schon eine sichere Bank. Dies ist der Augenblick, wo sich talentierte Maler entscheiden können: gehen sie den Weg der Lichtmalerei oder malen sie totes Zeug wie Genremalerei, Historienmalerei und Promi-Portraits? Die meisten deutschen Maler entscheiden sich für den zweiten Weg. Ähnliches steht auch in dem ➱Lenbach Post aus dem Jahre 2014.
Dies ist kein Lenbach, die ist ein Landschaftsbild von Giorgio Morandi. Guck Dir das gut an, Georg, das war Deine Weihnachtskarte. Ist unglücklicherweise in dieser vorweihnachtlichen Verpackungshysterie in das Päckchen von Peter geraten. Von wo sie wieder zu mir kam. Jetzt behalte ich sie. Tue sie in meinem Zettelkasten. Ich finde manche seiner Landschaften sehr schön, viel besser als seine ganzen Bilderserien von Flaschen, Krügen, Bechern und Schalen.
Ich habe auch eine Karte aus der Gothic Ausstellung der British Library bekommen. Wenn Sie den Post ➱Gothick gelesen haben, dann werden Sie sich schon denken können, von wem die kam. Sehr hübsch war auch diese Karte von Raoul Dufy, die aus Frankreich kam. Wenn da etwas mehr Sonne drauf wäre, hätte ich die Abbildung noch in den Post der ➱Strandbilder getan. Noch schöner als die Karte war natürlich das Buch, das sie begleitete: ein Buch über den Strandmaler Eugène Boudin. Der hier in den Posts ➱Eugène Boudin und ➱Le Tréport natürlich schon einmal vorkommt.
Ich bekomme natürlich nicht nur Weihnachtskarten zum Fest. Ich bekomme auch schöne Bücher (viel zu Proust), ausgesuchte Bremensien (wie ein Biographie des Bremer Bürgermeisters ➱Johann Smidt), ausländische Düfte, kanadischen (!) Single Malt Whisky und einen hundert Jahre alten Katalog der Firma Ellwood Hats in London, die offensichtlich einmal der führende Hersteller von ➱Tropenhelmen waren. Jetzt kann ich anfangen, mich zu bedanken. Natürlich auf Kunstpostkarten. Und wenn Sie jemals solch eine Dose geschenkt bekommen: stellen Sie sie irgendwo hin. Aber machen Sie sie nicht auf.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen