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Sonntag, 20. November 2016

Lord Elgin


Sein Vater (hier von Anton Graff gemalt) war schon häufig in diesem Blog, er ist derjenige, der die Elgin Marbles nach England brachte. Das haben ihm die Griechen bis heute nicht verziehen. Am besten lesen Sie jetzt mal eben den Post ➱Griechen, dann wissen Sie alles, was man zu dem Thema wissen muss. Obgleich das Spekulationsgeschäft mit dem antiken Marmor für Elgin ein Reinfall war, reichte das Familienvermögen doch noch dazu aus, seinen Sohn James Bruce, den späteren 8. Earl of Elgin und 12. Earl of Kincardine, nach Eton und Oxford zu schicken. Eine solche Ausbildung fehlte unserem Steinräuber, dem hatte sein Pappi gleich den Rang eines Fähnrichs in einem Garderegiment gekauft. James Bruce wird nicht nur die Universität Oxford besuchen, er besteht auch das Examen in Klassischer Philologie mit Auszeichnung. Was dem Chief Inspector ➱Endeavour Morse, wie wir wissen, nicht gelungen ist.

James Bruce wird von seinen Freunden für seine Bildung und seine rhetorischen Fähigkeiten bewundert. Die Gruppe seiner Freunde ist die crème de la crème des viktorianischen Englands: William Ewart Gladstone, der Marquess of Dalhousie, Lord Canning, Lord Selborne, Sidney Herbert, Robert Lowe. Sie werden Vizekönige von Indien werden, Lord Chancellor, Generalgouverneur und Premierminister. Vizekönig von Indien wird James Bruce auch werden, nachdem er Gouverneur von Jamaica, ➱Generalgouverneur von Kanada und High Commissioner and Plenipotentiary in China war.

Auf diesem Bild zieht Lord Elgin im Zweiten Opiumkrieg gerade in Peking ein. Wohin man ihn auch schickt, er vertritt Englands Interessen. Und wundert sich über seine Landsleute: I know that our people for a long time used to insist on every Chinaman they met taking his hat off. Of course it rather astonished a respectable Chinese shopkeeper to be poked in the ribs by a sturdy sailor or soldier, and told, in bad Chinese or in pantomime, to take off his hat, which is a thing they never do, and which is not with them even a mark of respect. I only mention this as an instance of the follies which people commit when they know nothing of the manners of those with whom they have to deal.

Elgin bringt Recht und Ordnung, wohin er kommt, er ist ein Mann der Vernunft: Of Elgin's character as a public man, the most prominent features were the thoroughly practical manner in which he habitually dealt with public questions; his readiness to assume responsibility, and the strong sense of duty which enabled him to suppress personal considerations whenever they appeared to conflict with the public interests, heißt es im ➱Dictionary of National Biography.

Als er in Southampton für das Parlament kandidiert, sagt der redegewandte liberale Konservative: I am a Conservative, not upon principles of exclusionism—not from narrowness of view, or illiberality of sentiment—but because I believe that our admirable Constitution, on principles more exalted and under sanctions more holy than those which Owenism or Socialism can boast, proclaims between men of all classes and degrees in the body politic a sacred bond of brotherhood in the recognition of a common warfare here, and a common hope hereafter. I am a Conservative, not because I am adverse to improvement, not because I am unwilling to repair what is wasted, or to supply what is defective in the political fabric, but because I am satisfied that, in order to improve effectually, you must be resolved most religiously to preserve. I am a Conservative, because I believe that the institutions of our country, religious as well as civil, are wisely adapted, when duly and faithfully administered, to promote, not the interest of any class or classes exclusively, but the happiness and welfare of the great body of the people; and because I feel that, on the maintenance of these institutions, not only the economical prosperity of England, but, what is yet more important, the virtues that distinguish and adorn the English character, under God, mainly depend.

Er kann mit Wörtern umgehen, dieser klassische Philologe, der Milton und Coleridge verehrt. Und er ist auch jemand, der meint, was er sagt. Das finden wir bei Politikern heute kaum noch. Außer bei ➱Donald Trump. Aber der hat nicht die Bildung von Lord Elgin. Und auch nicht die Macht, die der Schotte einmal hatte. Auf allen Photos sieht Elgin - wie die meisten Viktorianer - sehr alt aus. Als er am 20. November 1863 in Dharmshala in Indien stirbt, ist er erst zweiundfünfzig Jahre alt. Es hat dem Vizekönig nicht gefallen, wie seine Landsleute die Inder behandeln. Aber bevor er dagegen Maßnahmen ergreifen kann, ist er schon tot. Er hätte wohl besser nicht im Vorgebirge des Himalayas herumkraxeln sollen, wo er sich ein Fieber zuzog.

Im Jahre 1863 malt Thomas Jones Barker dieses scheußliche Bild. Es hat den Titel The Secret of England's Greatness. Die Botschaft ist klar: man muss den fremden Völkern, die vor der Königin knien, nur die Bibel überreichen. Sie sagen Christus und meinen Kattun, heißt es bei Theodor Fontane in ➱Der Stechlin, das fällt mir bei diesen moralintriefenen Bilder des Viktorianismus immer ein.

Das Bild ist (neben vielen anderen) in dem hochinteressanten Ausstellungskatalog Artist and Empire: Facing Britain's Imperial Past zu finden. In dem leider keine Bilder von Lord Elgin sind. Aber der Photograph Felice Beato, der im Krimkrieg und in Indien und China photographierte, ist hier mit seinen Bildern vertreten. Er hat auch unseren Lord Elgin abgelichtet, das Photo oben, das Elgin im Mantel mit Pelzkragen (und mit dem schottischen Distelorden) zeigt, ist von ihm.

Der schwarze Fleck auf der weißen Weste von Lord Elgin ist, dass er den Palast von Canton hat niederbrennen lassen. I never felt so ashamed of myself in my life, wird er seiner Frau schreiben. Aber eine symbolische Handlung musste sein: It was the Emperor’s favourite residence, and its destruction could not fail to be a blow to his pride as well as his feelings. Zu seiner Entschuldigung kann er vorbringen, dass die Franzosen schon mit der Zerstörung des ➱Palastes begonnen und vieles geplündert hatten.

Aber die Engländer sind auch mittenmang dabei. So schreibt der General Garnet Wolseley (Bild) über die englischen Truppen: in body and soul they were absorbed in one pursuit, which was plunder, plunder. Wolseley, der in der Oper The Pirates of Penzance von Gilbert und Sullivan als ➱the very model of a modern major-general karikiert wurde (das müssen Sie unbedingt anklicken), ist in diesem Blog schon in den Posts ➱Raglan, ➱Reiter und ➱Moltke erwähnt worden.

Theodore Walrond, der ➱The Letters and Journals of James, Eighth Earl of Elgin herausgegeben hat, schließt sein Buch mit den Worten: He sleeps far away from his native land, on the heights of Dhurmsala; a fitting grave, let us rejoice to think, for the Viceroy of India, overlooking from its lofty height the vast expanse of the hill and plain of these mighty provinces — a fitting burial beneath the snow-clad Himalaya range, for one who dwelt with such serene satisfaction on all that was grand and beautiful in man and nature — Pondering God's mysteries untold, and, tranquil as the glacier snows, He by those Indian mountains old Might well repose.

Bevor Sie jetzt zum Taschentuch greifen, hätte ich noch ein kleines Schmankerl zum Schluss. Das habe ich ja häufig (man will den ➱Hörsaal ja gerne unter Beifall verlassen). Mein Schmankerl ist ein kleiner Film vom National Film Board of Canada aus dem Jahre 1959, er heißt ➱Lord Elgin: Voice of the PeopleHe established the principles on which Canadian government stands today, steht in der Beschreibung. Das ist kein geringer Verdienst.

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