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Freitag, 31. März 2017

Karos


Das hier ist der bayrische Prinz Luitpold, er ist gerade Regent von Bayern geworden. Durch eine sensationelle Proklamation: Im Namen Seiner Majestät des Königs. Unser Königliches Haus Bayerns treubewährtes Volk ist nach Gottes unerforschlichem Ratschlusse von dem erschütternden Ereignisse betroffen worden, daß Unser vielgeliebter Neffe, der allerdurchlauchtigste großmächtigste König und Herr, Seine Majestät König Ludwig II., an einem schweren Leiden erkrankt sind, welches Allerhöchstdieselben an der Ausübung der Regierung auf längere Zeit im Sinne des Titels II § 11 der Verfassungsurkunde hindert. Der an einem schweren Leiden erkrankte König wird drei Tage später im Starnberger See ertrinken. Luitpold bleibt bis zu seinem Tode Prinzregent, da Ludwigs Nachfolger Otto auch geisteskrank ist.

Regenten sind in Bayern also etwas Besonderes, aber um die Prinzregenten soll es heute nicht gehen, sondern um die bayrische Firma Regent in Weißenburg. Die natürlich auch etwas Besonderes ist, die 1946 gegründete Firma ist der einzige deutsche Hersteller im HAKA Bereich, der Handarbeit Made in Germany produziert. Schon in der Zeit, als Bayern eine amerikanische Besatzungszone war (das kann man am Nummernschild erkennen), präsentierte man  sartoriale Luxusprodukte. Mit BMW, Vorzeigedame, Pudel und ➱Spectator Schuhen. Vielleicht ein wenig zu viel des Guten.

Eigentlich brauchte ich keine Jacketts mehr, die Schränke sind voll. Doch ich hatte in der Woche zufälligerweise als eine Art Frühlings ➱Sale vier Jacketts an Freunde verkauft (beziehungsweise verschenkt), da kam mir das braune, karierte Kaschmirsakko von Regent, das ich bei ebay Kleinanzeigen sah, gerade recht. Jacketts kosten bei mir für Freunde und Bekannte zwischen zehn und fünfzig Euro, dafür kriegen die dann auch Belvest, Boglioli, ➱Caruso oder ➱Zegna. Die Gattinnen und Lebensgefährtinnen meiner Freunde sind mir sehr dankbar dafür, dass ich über die Jahre eine vollständige sartoriale Veränderung an ihrem Gespons durchgeführt habe.

Das Regent Jackett bei ebay Kleinanzeigen gefiel mir, weil ich vor über vierzig Jahren schon einmal ein sehr ähnliches Teil mit braunen Karos hatte. Das kam von ➱Windsor (die damals noch etwas darstellten), und es war auch aus Kaschmir. ➱Kelly hat es mir bei seinem ersten Ausverkauf, den er in seinem neuen Laden machte, für 75 Mark verkauft. Ich habe es lange getragen, es ist auf vielen meiner Photos zu sehen.

Für 75 Mark hatte ich mir auch Jahre zuvor in Hamburg mein erstes Regent Jackett gekauft. Die kleine Geschichte steht schon in dem Post ➱Made in Germany. Ein Post, der zahlenmäßig ein klein wenig Furore bei den Lesern gemacht hat und mir eine lange Mail vom damaligen Regent Chef Detlev Diehm eintrug. Bei diesem Bild hat die Steffi, die mir das Jackett verkauft hat, den Zollstock über das Jackett gelegt, weil ich ihr gesagt hatte, dass ihre ersten Maßangaben nicht stimmen konnten.

Ich hatte recht, das Photo mit dem Zollstock bewies es. Viele Händler bei ebay machen sich nicht die Mühe, Maße anzugeben. Die schreiben eine Konfektionsgröße in den Text und fertig. Bei ebay Kleinanzeigen sind die Verkäufer häufig viel netter als bei ➱ebay, und die Steffi hat alle meine Fragen nett beantwortet. Wir wissen natürlich alle längst, dass Konfektionsgrößen heute überhaupt nichts mehr bedeuten. Die aus Deutschland nicht, und die aus anderen Ländern erst recht nicht. Das ist wahrscheinlich das Unwichtigste von den Dingen, das ➱Europa nicht hinkriegt, aber es ist immer ein Ärgernis. Es ist ja auch nicht so, dass man sich bei einem Hersteller auf die Größen verlassen kann. Von der Firma Regent habe ich Jacketts, die mit den Größen 26, 50, 52 und 54 ausgezeichnet sind. Alle passen.

Eins muss man den deutschen Managern lassen, sie tragen meistens gutsitzende Anzüge, und sie strahlen eine gewerbsmäßige Zuversicht aus. Wie hier Dr Peter Krampf, der die Firma Regent im Februar 2015 aus der Insolvenz heraus gekauft hatte, nachdem die italienische Tombolini Gruppe kein Interesse mehr an Regent hatte. Dr Krampf hat in Bayreuth promoviert und war dann bei McKinsey, einem Unternehmen, das angeblich immer Firmen rettet. Wie das dann aussieht, weiß man, wenn man Hochhuths Theaterstück McKinsey kommt gelesen hat. Und kam es eben doch, wie es kommen musste, im letzten Jahr musste der Mann mit dem Doktortitel aus Bayreuth (den hatte ➱Guttenberg auch einmal) zweimal die Insolvenz anmelden. Obgleich ihm die Neupositionierung der Marke gelungen schien. Dr Krampf hatte auch eine schweineteure Werbeagentur, die schon für ➱Brioni gearbeitet hatte, verpflichtet. Und was haben McKinsey und Werbefuzzis gebracht? Nix.

Die neuen Herren bei Regent tragen keine ➱Krawatten mehr. Obgleich sie wohl das Geld hätten, sich eine zu kaufen. Hier sehen wir Philippe Brenninkmeijer und den Eichstätter Bauunternehmer Andreas Martin Meier, die die Firma Regent gerade ohne Fremdkapital gekauft haben und sie wieder in die schwarzen Zahlen bringen wollen. Brenninkmeijer hat der Presse gesagt: Das ist uns ein großes Anliegen, dass wir uns alle als Familie verstehen und gemeinsam für unsere Erfolge arbeiten und sie dann auch gemeinsam feiern. Auf das Feiern werden sie in Weißenburg wohl noch ein wenig warten.

Der Frack, den Willem-Alexander bei seiner Krönung trug, kam von Regent. Darauf ist man in Weißenburg immer noch stolz. Das Photo hängt im Flur der Firmenzentrale, Herzlichen Dank, hat der König auf das Bild geschrieben. So wird man mit Regent zum König. Das ist der Luitpold nie geworden. Philippe Brenninkmeijer träumt jetzt nicht von einem Königreich, aber von eigenständigen Regent Shops. Doch erstmal ist Schmalhans Küchenmeister. Der neue Chef hat sich für sein Büro einen neuen Teppich gekauft. Bei Ikea. Aus der eigenen Tasche bezahlt.

Brenninkmeijer war zuvor kurze Zeit Geschäftsführer bei dem Londoner Schneider Huntsman gewesen (dort trug er allerdings einen Schlips zur Arbeit), aber die Sache mit der bayrischen Firma Regent reizte ihn mehr. Huntsman hat auch gerade neue Eigentümer bekommen, denen ging es wahrlich (wie man anderen Firmen der Savile Row) nicht mehr gut. Im oberen Preissegment haben heute viele Firmen Probleme, H&M hat die nicht. An dem Artikel, den ➱Bernhard Roetzel im Januar schrieb, ist schon viel Wahres dran. Der englische Schneider Malcolm Plews sagte zur Lage der Savile Row nach dem Brexit Referendum: I don't think it will affect our particular craft because they're very few other countries who have got our reputation for making bespoke suits. Wenn er sich da mal nicht täuscht. Wenn Regent endlich mal offene Ärmelschlitze und echte Knopflöcher am Ärmel machen würde, könnten sie mit der Savile Row mithalten.

Und da Frau May gerade die Scheidungspapiere eingereicht hat, vielleicht noch einige Zeilen zur ➱Savile Row und dem ➱Brexit. Will UK fashion survive Brexit? hatte die Financial Times einmal getitelt, und nach dem Brexit Referendum gab es schon Ausverkäufe auf der Savile Row - in diesem deutschen Laden, der sich Sons of Savile Row nennt, auch. Früher war ich anglophil, sogar vielleicht ein wenig angloman, so etwas war in Bremen normal. Jetzt halte ich es mit Fontane, der im ➱Stechlin eine Romanfigur sagen lässt: England. Es hat für mich eine Zeit gegeben, wo ich bedingungslos dafür schwärmte. Nicht zu verwundern. Hieß es doch damals in dem ganzen Kreise, drin ich lebte: ›Ja, wenn wir England nicht mehr lieben sollen, was sollen wir dann überhaupt noch lieben?‹ Diese halbe Vergötterung hab' ich noch ehrlich mit durchgemacht. Aber das ist nun eine hübsche Weile her. Sie sind drüben schrecklich runtergekommen, weil der Kult vor dem Goldenen Kalbe beständig wächst; lauter Jobber und die vornehme Welt obenan. Und dabei so heuchlerisch; sie sagen ›Christus‹ und meinen Kattun.

Dieses schöne blaue Regent Jacket besitze ich nicht mehr. Es war ein hervorragendes Jackett, aber es fusselte. Pilling en masse. Ich schrieb an Regent, die wollten das Jackett sehen. Und schickten mir dann ein anderes, das nicht mehr dieses wunderbare geheimnisvolle Blau (in dem auch viel Schwarz war) hatte, aber dafür nicht mehr fusselte. Ich bekam auch einen Entschuldigungsbrief, in dem die Schuld auf den italienischen Partner geschoben wurde. Auf diese Weise erfuhr ich damals zum ersten Mal, dass die Firma im Besitz von Tombolini war. Ich war jahrelang auf der mailing list der Firma Regent und bekam diese schönen kleinen Hochglanzkataloge. Irgendwann kamen die nicht mehr, daran merkte man, dass neue Herren im Haus waren.

Aber ob die Besitzer nun Tombolini oder die Quandts (unter denen die Produktion nach Polen verlegt wurde) waren, so etwas wie dies hier hätten sie wohl keinem Kunden geliefert. Ein Jackettkragen sollte am Körper anliegen und sich nicht zu den Ohren bewegen. Das hier ist der berüchtigte Sean Spicer, der sich einige neue Anzüge hatte machen lassen, nachdem sein Chef seinen Kleidungsstil kritisiert hatte. Er kaufte die natürlich nicht bei einer Firma wie Oxxford (lesen Sie ➱hier mehr über die Anzüge amerikanischer Präsidenten), sondern orderte die bei irgendeiner asiatischen Internetfirma. Und so sehen die Anzüge auch aus. Das ist der wahre Geist des Make America Great Again: Klamotten aus Asien. Wo ja auch die Donald Trump Collection und die Ivanka Collection hergestellt werden. Trump und seine Rasselbande sind ja zu blöd. Wenn sie amerikanische Anzüge kaufen würden, dann könnten sie das patriotisch vermarkten. So wie Obama dezent seinen Schneider Martin Greenfield vermarktet hat, der noch ein Überlebender von Auschwitz war.

Detlev Diehm (Bild), der bei Regent vom Schneidermeister in die Unternehmensführung aufgestiegen war, war über Italiener gar nicht so unglücklich. Denn sein Ideal eines Anzugs war der italienische Anzug mit der neapolitanischen Schulter, sanft fallend, ohne Einlagen. Leider hat er sich nicht durchsetzen können, nach drei Jahren an der Spitze wechselte er nach London zu ➱Scabal. Ich habe im Internet auf der Seite von Seestraße 7  die netten Sätze gefunden: Das Unternehmen Regent genoß einst Weltruf und eine internationale Kundschaft. Nach der Übernahme durch den italienischem Großbetrieb Tombolini ereilte Regent ein Schicksal, das häufig kleinen mittelständischen Unternehmen der Branche beschieden ist, wenn Großunternehmen die Türschwelle überschreiten. Wir wünschen diesem letzten großen deutschen Schneiderunternehmen nur das Beste, denn ein Land mit Kultur kann in Sachen Herrenbekleidung keinesfalls nur von Boss oder Hess Natur repräsentiert werden. 

Das hier ist Martin Kury, der Betriebsleiter bei Regent. Er zeigt uns, wie hervorragend ein karierter Anzug sitzen und aussehen kann. Das ist schon etwas anderes als die karierten Anzüge vom Mautminister ➱Alexander Dobrindt. Denn Karos auf Anzügen sind eine gefährliche Sache, für ➱Major Thompson sind sie O.K., für Alexander Dobrindt garantiert nicht.

Dieser Herr macht natürlich alles richtig, auch das ist ein karierter Anzug. Mit der Sorte Karo, die wir gemeinhin Glencheck nennen. Die Engländer unterscheiden da noch zwischen Glen Urquhart Check und dem Prince of Wales Check. Der Name Urquart sagt Ihnen etwas, weil beim Castle Urquart sporadisch das Monster Nessie gesehen wird. Falls Sie den Post ➱Loch Ness Monster, Killerwelse und Dackel noch nicht gelesen haben, dann sollten Sie das unbedingt tun. Und zum Thema James Bond und seine Schneider lesen Sie bitte die Posts ➱Agentenmode und ➱Spectre.

Was sie bei Regent nicht so richtig hinkriegen, das ist das Anpassen der Karos. Ich habe schon in dem langen Post ➱Maßkonfektion geschrieben: Leider schaffen sie es bei Regent nie, die Karos bei einem Glencheckjackett anzupassen. Da würde man bei ➱Kiton oder ➱Caruso ja lieber tot umfallen, als so etwas aus dem Haus zu lassen. Ich kann das gerne wiederholen. Ist ihnen auch bei dem tollen Kaschmir Jackett, das mir die Steffi verkauft hat, nur stellenweise gelungen. Aber davon abgesehen ist es ein wuschelig weiches Klasseteil.

Natürlich mit Bemberg Futter, und nix geklebt. Da kommt in Weißenburg immer noch Strobels Roll-Pikiermaschine zum Einsatz, die mit einem Blindstich das Futter an den Stoff heftet. Über 10.000 Nadelstiche verlangt ein Anzug, erst nach zwanzig Stunden ist er zum Bügeln fertig. Das auch seine Zeit verlangt. Ein Boss Anzug, wird nicht pikiert. Da wird nur geklebt, und das Ganze ist nach zwei Stunden fertig, von einem Automaten in Form gepresst. Irgendwo in der Türkei, in Bangladesh oder Mexiko, wo Boss Hungerlöhne zahlt, die unter der Armutsgrenze des jeweiligen Landes liegen.

Die Knopflöcher werden bei Regent angeblich von Hand genäht, sehen aber nicht danach aus. Mit einem ➱Kiton Knopfloch zum Beispiel können sie nicht mithalten. Die Knöpfe von Regent Sakkos kommen von der Augsburger Knopffabrik Carl Schneider & Söhne. Sie haben immer drei statt vier Löcher, eine Erinnerung an die Zeit, als Regent und van Laack zusammengehörten. Vielleicht sollte man mit der Neuorientierung des Unternehmens mal zu einem Knopf mit vier Löchern übergehen.

Ich trage jetzt erst einmal wochenlang mein neues Regent Jackett, für das ich der Steffi sehr dankbar bin. Karos sind ja sowieso im Augenblick angesagt, hat mir ➱Michael Rieckhof (hier im karierten Anzug), der morgen das Geschäft seit zwanzig Jahren besitzt, gerade versichert. Er hat mir aber auch gesagt, dass die erste Reaktion eines Kunden, den er für einen karierten Anzug begeistern wollte, der Satz war: Aber dreh'n Sie mir bloß keinen Dobrindt an. Soweit ist es schon gekommen.

Und ich wünsche natürlich Philippe Brenninkmeijer und seinem Compagnon alles Glück der Welt für ihr Unternehmen. Und dass er viele Stammkunden zurückgewinnen möge. Früher war ja mal Thomas Rusche mit seinem Unternehmen ein Großkunde, heute taucht Regent im Sör Katalog nicht mehr auf. Warum lässt Ed Meier in München seine Klamotten bei den Portugiesen ➱Diniz & Cruz machen und nicht bei der bayrischen Firma Regent? Und was ist eigentlich mit dem bayrischen Ministerpräsidenten? Warum setzt der sich nicht für das bayrische Unternehmen ein? ➱Franz-Josef Strauß soll ja Regent getragen haben. Aber Politiker sind eine schlechte Werbung. Die Großkotz Anzeige im zweiten Absatz war auch schlechte Werbung, aber in der Wirtschaftswunderzeit fand man so etwas ganz toll. Vielleicht sollte man es mal mit witziger Werbung versuchen. Und mit dieser Paul Smith Anzeige komme ich wieder auf das braune, karierte Jackett zurück. Meines ist natürlich viel eleganter.

Noch mehr Regent in Made in Germany, noch mehr Karos in Gauland (kariert)

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