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Mittwoch, 18. September 2019

Zauberberg


Am Ende des Films dirigiert der Komponist und Dirigent Fred Ballinger (gespielt von Sir Michael Caine) doch die Simple Songs, die die Königin gerne hören möchte. Am Anfang des Films Youth (Ewige Jugend) hatte er das noch abgelehnt, auch ein Adelstitel konnte ihn nicht locken. Zwischen dem Anfang und dem Ende, wenn Michael Caine im Frack der englischen Königin (ganz in weiß) und Prince Philip seinen ✱Simple Song #3 (gesungen von Sumi Jo) vorspielt, liegen zwei Stunden.

Die Story des Films ist so dünn wie die Schweizer Bergluft, befand Wolfgang Höbel bei Spiegel Online. Und Andreas Kilb schrieb in der FAZEin Rentnerfilm also, einer, in dem viel mehr geredet als gehandelt wird, ein Abgesang, in dem die Musik noch spielt, doch es ist die Musik verflossener Tage. Altes Kino für alte Augen. Aber noch böser und noch treffender ist der Satz: Der Film selbst, scheint es, hört auf zu denken, er macht es sich bequem in seinen Bildern, die wie eine Folge von Werbeclips auf der Suche nach dem passenden Produkt sind.

Es wird viel geredet in dem mit vielen Stars besetzten Film, aber inhaltlich gesehen, sagt uns eine Seite von Thomas Manns Zauberberg mehr als der ganze Film. Und an Clawdia Chauchat kommen die ganzen exotischen Schönheiten auch nicht heran. Paolo Sorrentino, der den wunderbaren Film La Grande Bellazza (lesen Sie dazu mehr in Felliniesque) gedreht hat, hat Michael Caine einen schönen Urlaub in einem alpinen Wellness Hotel verschafft. Ein Teil der Dreharbeiten wurde in dem Hotel gemacht, in dem Thomas Mann an seinem Zauberberg geschrieben hatte.

Heimat und Ordnung lagen nicht nur weit zurück, sie lagen hauptsächlich klaftertief unter ihm, und noch immer stieg er darüber hinaus. Schwebend zwischen ihnen und dem Unbekannten fragte er sich, wie es ihm dort oben ergehen werde. Vielleicht war es unklug und unzuträglich, daß er, geboren und gewohnt, nur ein paar Meter über dem Meeresspiegel zu atmen, sich plötzlich in diese extremen Gegenden befördern ließ, ohne wenigstens einige Tage an einem Platz von mittlerer Lage verweilt zu haben? Er wünschte, am Ziel zu sein, denn einmal oben, dachte er, würde man leben wie überall und nicht so wie jetzt im Klimmen daran erinnert sein, in welchen unangemessenen Sphären man sich befand. Er sah hinaus: der Zug wand sich gebogen auf schmalem Paß; man sah die vorderen Wagen, sah die Maschine, die in ihrer Mühe braune, grüne und schwarze Rauchmassen ausstieß, die verflatterten. 

Wasser rauschten in der Tiefe zur Rechten; links strebten dunkle Fichten zwischen Felsblöcken gegen einen steingrauen Himmel empor. Stockfinstere Tunnel kamen, und wenn es wieder Tag wurde, taten weitläufige Abgründe mit Ortschaften in der Tiefe sich auf. Sie schlossen sich, neue Engpässe folgten, mit Schneeresten in ihren Schründen und Spalten. Es gab Aufenthalte an armseligen Bahnhofshäuschen, Kopfstationen, die der Zug in entgegengesetzter Richtung verließ, was verwirrend wirkte, da man nicht mehr wußte, wie man fuhr und sich der Himmelsgegenden nicht länger entsann. Großartige Fernblicke in die heilig-phantasmagorisch sich türmende Gipfelwelt des Hochgebirges, in das man hinan- und hineinstrebte, eröffneten sich und gingen dem ehrfürchtigen Auge durch Pfadbiegungen wieder verloren. Hans Castorp bedachte, daß er die Zone der Laubbäume unter sich gelassen habe, auch die der Singvögel wohl, wenn ihm recht war, und dieser Gedanke des Aufhörens und der Verarmung bewirkte, daß er, angewandelt von einem leichten Schwindel und Übelbefinden, für zwei Sekunden die Augen mit der Hand bedeckte. Das ging vorüber. Er sah, daß der Aufstieg ein Ende genommen hatte, die Paßhöhe überwunden war. Auf ebener Talsohle rollte der Zug nun bequemer dahin.

Das bisschen Thomas Mann musste mal eben sein, weil der Post sonst zu inhaltsleer wird. Der Schauspieler Michael Caine, der Thomas Mann wahrscheinlich nie gelesen hat, hat England in den siebziger Jahren verlassen, weil ihm die Steuern zu hoch waren. Dann kam Mrs Thatcher und senkte die Steuern: Maggie Thatcher came in and put the taxes back down and in the end, you know, you don't mind paying tax. What am I going to do? Not pay tax and drive around in a Rolls Royce, with cripples begging on the street like you see in some countries? I decided not to become a tax exile, so I stayed in Britain, but they kept putting the tax up... Das ist natürlich eine schlimme Sache für Multimillionäre. Caine, der vor Jahren in einen Steuerskandal verwickelt war, lebte dann in Miami.

Das Haus in Miami hat er vor Jahren mit Gewinn verkauft, das große Landhaus in Surrey auch. Aber das Penthouse am Chelsea Harbour besitzt er noch. Und irgendwas in der Größe von 75 Millionen Dollar ist ihm auch geblieben. Im Jahre 2000 hat die Königin Sir Maurice Micklewhite zum Ritter geschlagen, er hat inzwischen seinen Namen in Michael Caine geändert. Die nette Julie Walters, die neben ihm in ✱Educating Rita spielt, ist auch geadelt worden.

Michael Caine ist Sozialist, das ist uns vielleicht nicht so klar: Emotionally, I am working class and I am a socialist. I have seen what the lower end of life is like and I want those people to get help. I am a left-wing Tory. Er ist nicht nur Sozialist, er kämpft auch für den Brexit: I'm a Brexiteer... I'd rather be a poor master of my fate than someone I don't know making me rich by running it. Ein Journalist hat das als one of the most thoughtless sentences ever uttered bezeichnet.

Wenn Sie den Film mit dem Sozialisten Michael Caine sehen wollen, dann können Sie das ✱hier tun (hinter all den ✱ Symbolen laufen heute Filme). Lesen Sie auch: Michael Caine.

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