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Samstag, 1. Februar 2020

Simple Pleasures


So sieht Amerika im Jahre 1938 aus, auf jeden Fall das ländliche Amerika. General Store and Post Office, heißt das Bild, das einen neuen Stil der Genremalerei konstituiert. Das kleine Mädchen schaut sich einen Steckbrief an, es gibt jetzt viel Verbrechen in der Zeit der Great Depression. Meistens sind es Bankräuber wie Bonnie und Clyde, die auf diesen Steckbriefen abgebildet sind. Woody Guthrie hat in seiner Ballade über Pretty Boy Floyd gesungen: Yes, as through this world I've wandered I've seen lots of funny men; Some will rob you with a six-gun, And some with a fountain pen. Was mag der junge Mann in seiner Zeitung lesen? Berichte von Banküberfällen oder Berichte über Banken, die die Farmer ausplündern? Farmers Organize kann man lesen, das ist wichtig.

Draußen auf der Straße ist schon die Moderne, da ist die rote Zapfsäule der Firma Mobilgas zu sehen, die Edward Hopper zwei Jahre nach dem Bild General Store and Post Office auf seinem Bild Gas gemalt hat. Eins seiner vielen Bilder, das die amerikanische Einsamkeit zeigt.

Das Bild von dem Kleinstadtladen, in dem noch ein Spucknapf auf dem Boden steht, ist von der Malerin Doris Emrick Lee, die am 1. Februar 1905 geboren wurde. Es ist ein Wandgemälde für das Postgebäude in Washington, das von der Works Progress Administration in Auftrag gegeben wurde. Auch der Ehemann der Malerin, der Photograph Russell Lee, arbeitet für eine Organisation der Roosevelt Administration. Die heißt Farm Security Administration (FSA), und zu dem Thema gibt es hier mit Dokumentarfilm schon einen langen, ausführlichen Post.

Es gibt zu dem Bild von Doris Lee noch ein zweites Bild, das Country Post heißt. Es erzählt im Stil des social realism der Roosevelt Ära wieder eine kleine Geschichte. Die Post kommt hier schon mit einem Automobil, ein Junge auf einem Pferd will dem Postboten in letzter Minute noch einen Brief bringen. Die Frau rechts beginnt in einem Brief zu lesen. Der junge Mann mit dem Strohhut ist wohl derselbe, der in General Store and Post Office in der Zeitung liest. Oben rechts ist eine Lokomotive zu sehen, ein Zeichen für den Fortschritt. Oben links ist eine Kirche, im typischen James Gibbs Stil, der sich überall in Neuengland findet, ein Zeichen für die Tradition.

Hier kann man auch Benzin von der Firma Mobilgas tanken, aber das Bild The Blacksmith Shop von Doris Lee sieht definitiv anders aus, als Edward Hoppers Gas. Wir sollten diese Art der Malerei nicht mit der Malerei von Grandma Moses verwechseln, sie hat in Amerika eine lange Tradition, die von Edward Hicks bis zu Norman Rockwell reicht. Das habe ich schon in dem Post Grandma Moses gesagt. Grandma Moses kann nicht anders malen, Doris Lee, die in Amerika, München und Paris studiert hat, könnte es. Aber sie will es nicht. Sie will diesen Stil, der eine künstliche naive Malerei ist.

Es ist in manchen Bildern wie dieser Siesta aus dem Jahre 1944 auch ein Stil, der dem Magischen Realismus in Europa ähnelt. Dieses Bild hat einmal Clare Boothe Luce gehört, die es dem National Museum of Women in the Arts schenkte, wo es heute hängt. Doris Lee ist nicht bei dem Stil und den Themen der dreißiger Jahre geblieben, wo sie Malern wie Grant Wood, Thomas Hart Benton und Norman Rockwell (zu dem gibt es hier zwei Posts: Bilder: Geschichte und Norman Rockwell) ähnelt.

Wenn Sie wissen wollen, wie die Kunst in Amerika in den dreißiger und vierziger Jahren aussah, kann ich nur den Katalog der groß angelegten Ausstellung Amerika: Traum und Depression 1920/40 (Berlin 1980 und Hamburg 1981) zum Kauf empfehlen. Man kann ihn zu moderaten Preisen noch antiquarisch finden. Dass sich das Bild Country Wedding von 1942 eines Tages auf einer Grußkarte findet, wird niemanden erstaunen.

Die Verkäufe der Postkarten reichen nicht an Grandma Moses heran, von deren Bildern 1946 sechzehn Millionen Karten verkauft werden, aber sie sind eine kleine Einkommensquelle. Das Buch Painting for Enjoyment, das sie mit ihrem zweiten Ehemann Arnold Blanch verfasst, auch. Doris Lee hat Erfolg, sie gewinnt Kunstpreise (1935 für ✺Thanksgiving) und Museen kaufen ihre Bilder. So kauft zum Beispiel das Metropolitan Museum ihr Bild The Catastrophe, das den Absturz der brennenden Hindenburg zeigt. Und ihr Bild Harvest wird für eine ✺Bierreklame gebraucht. Im Westmoreland Museum of American Art in Pennsylvania wird man ab September einen Überblick über das Werk dieser interessanten Künstlerin in der Ausstellung Simple Pleasures: The Art of Doris Lee bekommen.

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