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Dienstag, 11. August 2020

schöne Beine


Eine Dame nimmt ein Sonnenbad auf der Terrasse eines Châteaus in Südfrankreich. So etwas darf ein Maler malen. Zumal die Dame ja auch noch relativ züchtig bekleidet ist, obgleich ihre Shorts im Jahre 1933 schon etwas Gewagtes sind. Das Bild sieht ein klein wenig danach aus, als ob es ein Amateurmaler gemalt hätte. Ein Profi hätte die Dame anders im Raum plaziert, nicht so an die Wand gedrückt.

Dieses Bild zeigt dieselbe Frau. Es ist von einem Profi gemalt (der übrigens dem Maler des ersten Bildes mal Malunterricht gegeben hat). Er setzt die blonde Lady auf das Sprungbett eines Swimming Pools, und schon dominiert sie das Bild, weil ihre Beine in dieser provokativen Pose jetzt ganz anders ins Bild kommen. Das Bild, das in den dreißiger Jahren in Palm Springs gemalt wurde, besitzt eine erstaunliche Modernität, es nimmt ein wenig die Swimmingpool Bilder von David Hockney vorweg. Das Bild kam vor Jahren bei de Veres in Dublin zur Auktion, der Schätzpreis lag bei 50.000 bis 70.000 Euro, es wurde für 50.000 Ezro zugeschlagen.

Die Dame mit den schönen Beinen hat ein gesellschaftliches Leben außerhalb von Swimmingpools. Auf diesem Photo, das 1929 auf einem Kostümball aufgenommen wurde, ist sie als Nixe zu sehen, da verzichtet sie darauf, ihre berühmten Beine zu zeigen. Hans Christian Andersen hat sich seine kleine Meerjungfrau wahrscheinlich ganz anders vorgestellt. Wenn ich dieses schreiend komische Bild vor Jahren schon gekannt hätte, hätte ich es in dem Post Meerjungfrauen + Waldnixen plaziert.

Unser Amateurmaler, der die Frau mit den Shorts auf dem Sofa malt, ist von der schönen Frau fasziniert. What fun we had at Maxine's. It was beautiful having you there. You were once again a manifest blessing and a ray of sunshine around the pool. I wonder whether we shall meet again next summer, schreibt er ihr. Sie werden sich im nächsten Sommer sehen. Er wird sie auch wieder malen. Es ist jetzt vielleicht an der Zeit zu sagen, wer Maler und Modell sind. Und die Frage zu klären: Haben die beiden etwas miteinander?

Bleiben wir zuerst noch einmal bei den Swimmingpools. Hier sehen wir die Blondine mit dem Mann, den sie gerade geheiratet hat. Wenn eine schöne Frau solch einen Fettsack heiratet, muss sie dafür ihre Gründe haben. Die gibt es, denn durch die Heirat wird aus einer Jessie Doris Delevingne eine Viscountess Castlerosse. You may think it fun to make love. But if you had to make love to dirty old men as I do, you would think again, hat sie über ihre Karierre gesagt. Vorher war sie eine poule de luxe, jetzt ist sie eine Viscountess und hat ein kleines Krönchen auf ihrem Briefpapier und ihren Kissenbezügen.

Sie hat sich nach oben geschlafen. An Englishwoman’s bed is her castle, hat sie einmal gesagt. Auf irgendeine Art und Weise müssen der Rolls Royce, die glitzernden Kleinigkeiten von Cartier, die Kleider von Schiaparelli und die tausend italienischen Schuhe ja bezahlt werden. Die Viscountess hat schöne Beine, die zeigt sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit, hier in Deauville. 1956 schrieb der Punch: Legs, now, are relatively retiring; it was in the 1920s that they reached, with the shortest skirts, their greatest influence. On the screen, leg appeal was epitomized by Marlene Dietrich; in Society by Doris Delevingne. Mit der Dame neben ihr wird sie irgendwann ein lesbisches Verhältnis haben. Die amerikanische Millionärin kauft den Palazzo Venier dei Leoni und schenkt ihn ihr.

Die schönen Beine kann man natürlich, wenn man genau hinschaut, schon auf dem Bild des Amateurmalers im ersten Absatz sehen. Bei Sir John Laverys Bild im zweiten Absatz kommen die Beine richtig zur Geltung. Sir John, der auf diesem Photo mit seinem aristokratischen Modell am Schwimmbecken steht, hatte schon ein Portrait (ohne Swimmingpool und nackte Beine) von ihr gemalt. In züchtiger Kleidung (einem Reitkostüm aus dem 18. Jahrhundert - unsere Wassernixe verkleidet sich gerne) mit einem schwarzen Hut.

Die Zeitschrift Sketch nannte das Portrait a delightful example of the art of the President of the Royal Academy. Ihr Ehemann warf nur einen Blick auf das Bild und sagte: It may be art, which I doubt, but it isn't Doris. Das Bild wurde 1997 bei Sotheby's verkauft. Davon gibt es allerdings leider keine Abbildung im Internet. Aber bei mir schon, wenn Sie in diesem Auktionskatalog auf die Seite 28 gehen, können Sie das Bild sehen. Ganz klein. Auf dem Cartoon des Tatler sieht unsere Viscountess natürlich ganz anders aus (die National Gallery sammelt inzwischen schon Doris Castlerosse Cartoons)-

Sir John Lavery konnte Frauen malen, dies hier ist seine Ehefrau Hazel. Im letzten Jahrhundert schmückte die Schönheit die irischen Banknoten. Der Viscount Castlerosse ist mit Lavery befreundet, weil der wie seine eigene Familie aus Irland kommt. Sir Johns Frau schwärmte für den dicken Castlerosse, hielt allerdings überhaupt nicht von Doris. Sie sagt zwar nicht Doris could write a book called 'Around the World in Eighty Beds' wie eine andere Dame, aber so etwas Ähnliches hat sie schon gedacht.

Ich kann nicht nur ein Photo von der Viscountess mit ihrem Maler in Palm Springs anbieten, ich habe auch ein Photo, das sie mit dem Amateurmaler, der sie zweimal portraitiert hat, an einem felsigen Rivierastrand zeigt. Er ist etwas übergewichtig, aber er ist definitiv nicht ihr Ehemann, der Viscount Castlerosse. Wir alle kennen den Herrn, es ist Winston Churchill. Die Maler Churchill und Lavery kennen sich, 1915 haben sie sich gegenseitig portraitiert, und Churchill hat Malunterricht bei Lavery genommen. Der Daily Express titelte damals: Mr Winston Churchill is challenging the achievement of Sir John Lavery. He is painting a portrait of Lady Castlerosse. Lavery hat über Churchill gesagt, dass er, wenn er sich nicht so viel mit Politik und Regieren beschäftigt hätte, er einen sichereren Pinselstrich gehabt hätte.

Hier fängt die Geschichte an, spannend zu werden: Gibt es eine Liebesgeschichte zwischen Lady Castlerosse und Winston Churchill? Die Verehrer von Churchill bestreiten das vehement. Wenn es diese love story gegeben hat, dann ist sie zuende, als Lavery 1938 das Palm Springs Bild malt. Ihre Ehe mit dem Viscount ist auch gerade zuende. Den Titel Viscountess darf sie aber nach der Scheidung behalten. Was nach diesem Sommertag kommt, an dem sie die Beine im Wasser baumeln lässt, ist ein langsamer und stetiger Niedergang eines It-Girls mit schönen Beinen.

Dass sie aus New York mitten im Krieg einen Flug mit einer Boeing Clipper nach London bekam, dafür hatte der Premierminister Winston Churchill gesorgt. Nicht aus Erinnerung an die alte Liebe. Er hatte Angst, dass sie der amerikanischen Klatschpresse etwas über die Sommer im Chateau de l'Horizon erzählen könnte. Ihr ehemaliger Ehemann, inzwischen der sechste Earl of Kenmare, hatte sie von der Waterloo Station abgeholt. London war verdunkelt, er erkannte sie an der Stimme und ihrem Parfüm. Da sah er noch nicht, wieviel sie von ihrer Schönheit eingebüsst hatte.

Sie dinierten im Dorchester, aber sie hatten sich nicht mehr viel zu sagen. Sie nahm sich ein Zimmer im Dorchester, wo sie schon einmal da war. Bezahlen hätte sie es nicht können, sie hatte kein Geld mehr, ihre Brillanten hat sie in New York ins Pfandhaus getragen. Wenige Geschichten von Frauen, die sich nach oben schlafen, haben ein happy ending. Sie schüttet sich auf ihrem Zimmer einen Drink ein und kippt all ihre Schlaftabletten in das Glas. Man findet sie am nächsten Tag, bringt sie in das St Mary’s Hospital in Paddington, aber man kann nichts mehr für sie tun. Es gibt ein Gerücht, dass Lady Clementine Churchill dies Bild, das ihr Mann von Doris malte, verbrannt hätte. Aber das stimmt nicht, es hängt immer noch in Chartwell.

Diese schöne Frau mit den schönen Beinen, die hier neben dem jungen Prince Philip sitzt, hat auch den Namen Delevingne. Sie hat 1937 den Bruder unserer femme fatale geheiratet. Angela Cara Delevingne, die aus einer Adelsfamilie kommt, wird sich nicht nach oben schlafen. Sie wird ein Leben ohne Skandale führen und einhundertzwei Jahre alt werden. Ihre Enkelinnen, die Poppy und Cara heißen, werden berühmt und sind ständig in den Schlagzeilen, weil sie Models oder It-Girls oder was weiß ich sind. Sie sind auf jeden Fall das, was Kate Moss einmal war. Ihre Großtante Doris wäre sicher stolz auf sie.

Wenn Sie alles über die demimondaine, oder wie immer wir sie bezeichnen wollen, wissen möchten, dann lesen Sie The Mistress of Mayfair: Men, Money and the Marriage of Doris Delevingne von Lyndsy Spence. Sie können natürlich auch in diesem Blog in den Posts Lady Emma Hamilton, les grandes horizontales, Demimonde und Christine Keeler lesen, das sind alles ähnliche Lebenswege.

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