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Dienstag, 20. Oktober 2020

der Leibarzt


Als die Nachrichten über die Covid-19 Erkrankung von Donald Trump kamen, hörte ich mit Erstaunen das Wort Leibarzt in Verbindung mit Donald Trump. Es ist ein Wort, das ich mit Königen verbinde, nicht mit dem lügenden Twitterkönig. Es ist auch ein Wort, das ich mit dem 18. Jahrhundert verbinde, denn da ist das Wort zum erstenmal in diesem Sinne in einem deutschen Lexikon. Es findet sich 1741 in Johann Leonhard Frischs Teutsch-Lateinisches Wörter-Buch als: arzt eigens für die person, z. b. eines fürsten: leibarzt, archiater, der einem groszen herrn allein wegen der arzeney bedient ist (die Brüder Grimm, bei denen sich dieser Beleg findet, schreiben in ihrem Lexikon alles klein). Und im Jahre 1805 erscheint in Berlin schon ein Buch über den Leibarzt mit dem Titel Der freymüthige Heilkünstler: ein Buch für Regenten und Aerzte. Der Autor, Dr  Eduard Löbenstein-Löbel, ist Professor für Medizin, er weiß worüber er redet.

Aber bevor der Leibarzt der Arzt eines Fürsten war, bedeutete das Wort im Deutschen, dass er ein Arzt für den Leib war, also das, was wir heute einen Facharzt für Innere Medizin nennen. Damit setzt sich der Leibarzt ab vom chirurgus, dem Wundarzt (dasz man vil musz purgieren und laxieren, das gebürt mer dem leibarzt dann dem chirurgico). In diesem Sinne verwendet es der Frankfurter Stadtphysikus Johann Helfrich Jüngken im Titel seines 1702 erschienenen Buches Der sichere Medicus oder Leibarzt. Und auch Goethe verwendet das Wort noch so, wenn er in Wilhelm Meister schreibt: Wilhelm wollte aus dem Wagen, Juliette verbat es: 'Hülfe ist schon bei ihm, und unser Gesetz ist in solchen Fällen, daß nur der Helfende sich von der Stelle regen darf; der Chirurg ist schon dorten.' Hersilie hielt ihr Pferd an: 'Jawohl', sagte sie, 'Leibärzte braucht man nur selten, Wundärzte jeden Augenblick.'

Die englische Königin hat natürlich einen Leibarzt, den Physician to the Queen, der Teil des Medical Household und auch Mitglied des Hofstaats ist. Eine solche Position hat das englische Königshaus schon sehr lange, die Stellung des Physician to the President in Amerika ist dagegen verhältnismäßig jung. Die Ärzte des amerikanischen Präsidenten sind auch bemüht, die Krankheit des Präsidenten nicht bekannt werden zu lassen. Dass Woodrow Wilson die Spanische Grippe hatte, die viel tödlicher als Covid-19 war, ist damals nicht bekanntgeworden. Und Donald Trumps Arzt Sean Conley hat sich auch bemüht, den wahren Gesundheitszustand seines fettleibigen Patienten zu verschleiern. Conley ist ein Marineoffizier im Rang eines Commander. Das ist militärisch kein sehr hoher Rang, Ian Fleming hatte den auch, sein literarisches Geschöpf James Bond auch. Der Arzt von Richard Nixon war Generalmajor, vielleicht wird Sean Conley ja auch noch befördert.

Wenn es um die Gesundheit des Monarchen schlecht steht, ist der Leibarzt gefragt. Wir kennen das aus dem Film The Madness of King George. Leibärzte können sehr berühmt werden. Paul Gottlieb Werlhof, königlich hannöverscher Leibarzt und nebenbei auch noch Dichter, ist wahrscheinlich der berühmteste Arzt des 18. Jahrhunderts in Deutschland. Und dann ist da noch ein halbes Jahrhundert später Christoph Wilhelm Hufeland. Er hat Goethe und Schiller behandelt, und er war der Leibarzt des preußischen Königs und der Königin Luise. Den Einfluß seines Buches Makrobiotik oder die Kunst das menschliche Leben zu verlängern, das man heute noch kaufen kann, kann man gar nicht groß genug einschätzen.

Leibärzte schreiben manchmal ihre Memoiren, das ist vielleicht nicht fein, aber auf jeden Fall interessant. Wie zum Beispiel in dem Buch Account of the last illness, Decease, and Post-mortem appearances of Napoleon, das Archibald Arnott, der englische Leibarzt von Napoleon auf St Helena, im Jahre 1822 veröffentlichte. Leibärzte kommen häufig in Romanen vor, die Das Mädchen und der Leibarzt oder Der Leibarzt: Ein historischer Roman heißen. Das sind Bücher, die man nicht zu kaufen braucht. Aber den Roman Der Besuch des Leibarztes (Livläkarens Besök) von Per Olov Enquist, den könnte man lesen. Der Roman wurde von Wolfgang Butt (der auch der Übersetzer von Mankell ist) aus dem Schwedischen übersetzt. Es ist natürlich eine Geschichte, die geradezu nach einer Verfilmung schreit. Die hat es 2012 dann mit dem Titel En kongelig affære auch gegeben. Schöne Bilder, aber der Roman ist besser.

1 Kommentar:

  1. Schön war bisher, daß Sie sich nicht mit aktuellen Politikern beschäftigten. Heute haben Sie diese Unschuld verloren, schade!

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