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Donnerstag, 29. April 2021

Talkshows


Talkshows sind ja schon schlimm, aber die Talkshows in der Corona Krise sind das Schlimmste, das man sich vorstellen kann. Immer wieder sitzen da dieselben Leute und reden. Das ist jetzt keine disputatio, in der es um Erkenntnisgewinn geht, hier wird schlicht und einfach nur gequasselt. Warum der Lindner immer wieder eingeladen wird, ist mir schleierhaft. Wenn der Kubicki da ist, weiß ich, dass das Fernsehen eine Freude machen will, weil ich dann an diese kleine Geschichte denken muss. Der Talkshow König ist natürlich der Dr Karl Lauterbach, der hat immer etwas zu sagen. War schon so, bevor wir wussten, dass es Corona gab. Er ist zwar Doktor der Medizin (dank eines Stipendiums der Konrad Adenauer Stiftung), aber er ist kein Arzt, er hat keinerlei Praxiserfahrung. Aber er redet über alles. Weil er der Talkshowkönig ist. 

Wahrscheinlich ist diese kleine Geschichte aus der Late Night Show von Benjamin von Stuckrad-Barre bei ZDFneo im Jahre 2011 schon vergessen, als Hajo Schumacher Herrn Dr Lauterbach mit folgenden Sätzen einführte: Es gibt zwei Abgeordnete, einen von der Linkspartei und der andere von der CDU, die haben ihn beide gemeinsam zum faulsten Abgeordneten des Gesundheitsausschusses erklärt, weil er nie da war – oder immer nur, wenn Kameras da waren. Und er ist im Aufsichtsrat eines privaten Klinikbetreibers und will immer nicht verraten, wie viel Kohle er dafür kriegt, man sagt so zwischen 50.000 und 100.000 im Jahr. Er guckt einen immer so ganz, ganz stechend an und sagt: 'Ich bin doch Sozialdemokrat', und hofft, dass man dann nicht weiter fragt

Was wären wir nur ohne Markus Lanz? Und was wäre Markus Lanz ohne die Corona Krise? Jetzt ist er der Quotenkönig, Corona und der Talkshowkönig Karl Lauterbach haben ihn dazu gemacht. Noch nie haben so viele Menschen so viele Talkshows gesehen. Und immer dasselbe Thema, und immer dieselben Gäste. Anne Will zahlt denen nichts, bei Markus Lanz gibt es einen branchenüblichen Betrag (er selbst bekommt 12.000 Euro pro Sendung), und bei Maybrit Illner bekommen die Gäste zwischen fünfhundert und tausend Euro. Egal, was sie sagen. Jeden Abend wird uns im Fersehen bewiesen, dass Goethes Satz Getretner Quark wird breit, nicht stark richtig ist. Im Seichten kann man nicht ertrinken, hat der RTL Chef Helmut Thoma vor dreißig Jahren gesagt. Kann man aber doch, es wird uns jeden Tag gezeigt.

Ich habe heute ein Gedicht von Michael Krüger, der den Hanser Verlag zu dem gemacht hat, was der Hanser Verlag ist. Er schreibt jetzt für die Süddeutsche Gedichte aus der Quarantäne. Und mein Gedicht heute heißt Schildkröten-Talkshow mit Anne Will. Passender geht es nicht:

An einem der längsten Tage des Jahres 
träumte ich von einer Talkshow im Fernsehen,
deren Gäste ausschließlich Schildkröten waren.
Zuerst die Nachrichten, ganz normal, 20 Uhr,
mit Jan Hofer und Marietta Slomka,
die sich gegenseitig ins Wort fielen und schubsten,
und sich gegenseitig das Mikro aus der Hand rissen,
sodass Susanne Daubner beenden musste,
dann das Wetter mit Plöger, der vor Lachen
keinen einzigen Satz zu Ende sprechen konnte
und wie närrisch die Wetterkarte traktierte,
und schließlich Anne Will vor sechs Schildkröten,
alle mit Mundschutz und im Sicherheitsabstand,
die über Präsident Trump redeten, als sei der
noch am Leben. Eine der Schildkröten begann
jeden Satz mit: Wenn ich an Lincoln denke,
kam aber nicht weiter, Jan Hofer schenkte Wasser aus,
das er den Schildkröten über den Kopf goss,
und eine weibliche Schildkröte wollte für alte Möhren
eine Abfallprämie. Besonders eindrücklich war ein Tier,
das eine volle Stunde für seine Vorstellung brauchte.
Es war aus dem Zoo von Prag angereist, kannte noch
den Kaiser und Kafka und hatte lange im Untergrund
gelebt. Frau Will pochte immer auf ihre Uhr,
weil ihr die Zeit weglief, aber die Schildkröte war blind
und taub und nicht zu bremsen. Um vier in der Früh
wachte ich auf, an Schlaf war nicht mehr zu denken
.

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