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Donnerstag, 2. Juni 2022

Hermann Grab von Hermannswörth

Der Kaiser Franz Josef hatte Hugo Grab zum Ritter geschlagen, er war jetzt Hugo Grab von Hermannswörth. Sein Sohn Hermann erbte den Titel, machte aber davon kaum Gebrauch, auch von seinen beiden Doktortiteln nicht. Er hat sein Leben so beschrieben: Biographie skandalös uninteressant. Geboren am 6. Mai 1903 in Prag, studierte Philosophie und Musik in Prag, Wien, Berlin, Heidelberg, Dr. phil. in Heidelberg. (…) Dann einige Jahre Journalist (Musikkritiker) und Musiklehrer in Prag. ›Stadtpark‹, geschrieben 1932, publiziert Neujahr 1935. Daneben viel unpublizierte Lyrik, Roman und Novellen. (…) Ging 1939 nach Paris, entkam Juni 40 nach Lissabon, Ende 40 in New York eingewandert. In New York als Musiklehrer tätig, Lehrstelle für Klavier an einem Konservatorium. In der Emigration nur ein paar kleine musikalische Dinge veröffentlicht, einige Novellen geschrieben und Arbeit an einem Roman.

Skandalös uninteressant ist das Leben wahrlich nicht. Grab kommt aus einer sehr reichen jüdischen Familie, die zum Katholizismus konvertiert war. Die Villa, in der er aufwuchs, könnte man auch schon ein Schloss nennen. Im Oktober 1933 hält er in Prag einen Vortrag über das Jüdische im Werk Marcel Prousts, das ist das erste Mal, dass ein Kritiker auf diesen Aspekt des Werkes eingeht. Wenn 2019 die Marcel Proust Gesellschaft ein internationales Symposion zu dem Thema abhält, dann sind wir sicher auf dem Stand der Forschung, aber Hermann Grab ist auf diesem Gebiet ein Pionier. Und er ist auch ein Pionier der Proust Rezeption, das kann man auf jeder Seite seines schmalen Romans Der Stadtpark fühlen: Der Autor lyrischer Prosa beugte sich der Last des Grauens, unbekümmert um die eigene Anlage und Vorgeschichte. Seine Stärke war das Bewußtsein der Schwäche. Epoche hat in seiner literarischen Existenz die Kenntnis Marcel Prousts gemacht. Mit ihm teilte er, außer der Bilderwelt staunender Kindheit, die Hypochondrie, durch die er sich selber zum Meßinstrument erzog, und die Genialität des Gedächtnisses, hat sein Freund Adorno geschrieben.

Thomas Mann, mit dem Grab korrespondierte, hat über den Roman Der Stadtpark gesagt: Ich habe Hermann Grabs Erzählung mit einem Vergnügen gelesen, wie es mir lange kein Manuskript bereitet hat. Schon die reine Form, in der diese Knabenerlebnisse gegeben sind, und die kindlich eindringliche, virtuose Beobachtungsschärfe, die überall begegnet, hat mich mehr und mehr entzückt. Und sein Sohn Klaus schreibt 1935: Diese kostbaren Schauer mit denen die Lektüre der Romane von Proust uns beinah quälend reichlich beschenkt – erfährt man zuweilen aus dem melancholisch zärtlichen Buch von Hermann Grab. Er hat viel bei Proust gelernt eine edle Schule, nur wenige von uns jungen Deutschen sind durch sie gegangen. Der 1932 geschriebene Roman war kaum Silvester 1934 erschienen, da war er verboten. Grab konnte es noch erleben, dass sein Roman 1948 in Salzburg in der Buchreihe Das Silberboot von Ernst Schönwiese veröffentlicht wurde. Danach war der Roman lange vergriffen, ist aber in den letzten Jahrzehnten immer wieder neu aufgelegt worden. Für die Ausgabe des Zeitbild Verlags von 1935 muss man heute antinquarisch mehr als zweihundert Euro bezahlen. 

Zur Zeit sind zwei Ausgaben des Romans lieferbar, eine vom S. Fischer Verlag, eine andere beim Verlag Neue Kritik. Bei Pierre Belfond, der gerade gestorben ist, ist 1991 eine französische Übersetzung (Le Parc municipal) von Serge Niémetz erschienen. Und der Engländer Quintin Hoare hat den Roman ins Englische übersetzt, dafür hat er 1988 den Schlegel-Tieck-Preis bekommen. Das Projekt Gutenberg hat den Roman leider nicht in seinem Programm, offeriert uns aber die wunderbar makabre Kurzgeschichte Der Mörder. Bei Scribd kann man in der Vorschau einige Seiten aus Hochzeit in Brooklyn lesen, und beim Fischer Verlag gibt es zwanzig Seiten aus Der Stadtpark zu lesen.

Hermann Grabs von Hermannswörth, der Mann mit den zwei Doktortiteln, arbeitete als Musikkritiker der Prager Tageszeitung Montagsblatt, er ist nbenbei Musiklehrer und Pianist. Das Klavier wird seine Rettung sein. Im Frebruar 1939 hatte sein Bruder Leo für ihn ein Klavierkonzert im Salle Debussy in Paris organisiert. Am 1. März spielte er eine Rétrospective du piano durant trois siècles auf drei historischen Instrumenten, die er nach Paris mitgebracht hatte. Vierzehn Tage später werden die Deutschen Prag besetzen, von Grabs Familie werden nur wenige überleben.

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