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Dienstag, 9. April 2024

böse Blumen


Charles Baudelaire hat heute Geburtstag. Der Mann, der Edgar Allan Poe übersetzte, über den Dandy und die Kunst schrieb, war immer in diesem Blog. In zweiundvierzig Posts taucht sein Name auf. Er ist immer wieder ins Deutsche übersetzt worden. Auf der Seite vom Deutschlandfunk kann man lesen, dass es hundert verschiedene Übersetzer gibt. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Auf der Seite wird die neueste Baudelaire Übersetzung von Simon Wehrle besprochen. Ist nur dumm, dass sie seinen Namen nicht richtig schreiben können, er heißt Simon Werle

Von all den Übersetzungen von Les Fleurs du Mal, die ich im Laufe der letzten Jahrzehnte gelesen habe, nehme ich mir heute für Baudelaires Gedicht Le Chat die Übersetzung von Terese Robinson. Sie war 1873 als Tochter des Strohhutfabrikanten und Landtagsabgeordneten Wilhelm Langenbach geboren worden. Sie heiratete den Hamburger Textilkaufmann Max Robinson und floh mit ihm 1939 nach Schweden. Sie ist 1945 in Malmö gestorben. In den zwanziger Jahren hatte sie Shakespeares Sonette, Epen und kleinere Dichtungen (1927) und Baudelaires Die Blumen des Bösen (hier im Volltext) übersetzt. Und unter dem Pseudonym Karin Delmar zwei Romane geschrieben. Einer davon, Gespräche im Zwielicht, ist vor wenigen Jahren wieder neu aufgelegt worden. 

Ihre Übersetzungen sind immer wieder nachgedruckt worden. Weil sie gut und lesbar sind. Bei Amazon schreibt ein Rezensent: Die sprachgewaltigen Gedichte hat Terese Robinson einmalig ins Deutsche übertragen — ein Lesegenuss. Sie sind besser als die Übersetzung von Carlo Schmid, die bei Insel erschienen war. Hat mich mal zwei Euro gekostet, aber wirklich glücklich war ich mit den Übersetzungen nicht. Der Meinung ist auch Monika Fahrenbach-Wachendorff, die Les Fleurs du Mal für Reclam übersetzt hat. Um genau zu sein: das 2020 erschienene Buch ist die Überarbeitung einer Übersetzung aus dem Jahre 1980. Sie können zu dem Thema Übersetzungen von Les Fleurs du Mal hier einen langen Aufsatz von ihr lesen. Monika Fahrenbach-Wachendorff sagt in ihrem Nachwort der Reclam Ausgabe über ihre eigene Übersetzung.

Bei meiner Lektüre der 'Fleurs du Mal' in den siebziger Jahren habe ich mich auch mit einigen Übersetzungen beschäftigt, so mit der Nachdichtung von Stefan George, der Übertragung von Karl Schmid und der Prosaübersetzung von Friedhelm Kemp. Dieser anregenden Auseinandersetzung verdanke ich manches und letztendlich sogar den Wunsch, eine eigene Übersetzung zu wagen.

Jede Übersetzung spiegelt nur eine mögliche Lesart des Originals und ist sprachlich und in ihrem Textverständnis von ihrer Entstehungszeit geprägt. Insofern kann keine das zeitübergreifend gültige Original vollständig erfassen, sondern immer nur der Erhellung eines oder mehrerer Aspekte dienen und diese im Medium einer anderen Sprache lebendig werden lassen, wobei sie jedoch deren eigenen semantischen, syntaktischen und metrischen Bedingungen unterliegt.

Als Lesehilfe ist zweifellos eine nüchterne, klare Prosaübersetzung am besten geeignet. Aber Lesern, die wenige oder gar keine Französischkenntnisse besitzen, vermittelt die bloße Wiedergabe des Inhalts relativ wenig von dem, was ein Gedicht ausmacht, nämlich seine sprachliche Gestalt. Deshalb darf gerade sie in einer Übersetzung nicht vernachlässigt werden. Die Erfahrungen und Empfindungen, die in einem Gedicht zum Ausdruck kommen, werden ja nicht rein gedanklich entwickelt, sondern in einer sinnlich-anschaulichen Sprache, oft auch in Bildern, dargestellt und entfalten so eine eigene Emotionalität. Diese wird auch – und das erst konstituiert ein lyrisches Gedicht – durch eine große Dichte an bedeutungstragenden Wörtern und klanglich-rhythmischen Elementen hervorgebracht. Das »Was« des Dargestellten lebt erst durch das »Wie« der Darstellung, die durch ihre Dynamik (ihr Tempo, ihre Steigerungen und Verzögerungen, durch Parallelführung und Wiederholung von Worten und Lauten) und in ihrer rhythmischen Bewegtheit, die sich in Spannung zum Metrum entwickelt, eine Intensität und einen Sog erzeugen kann, der den Leser mit hineinnimmt in eine neu zu erfahrende Wirklichkeit.


Beim Projekt- Gutenberg gibt es Die Blumen des Bösen in der Übersetzung von Terese Robinson. Und auch noch: Les fleurs du mal im französichen Original. Dann die Die Blumen des Bösen / Les fleurs du mal zweisprachig, deutsch wieder von Terese Robinson. Und zwei berühmt gewordene Übersetzungen: Die Blumen des Bösen in der Übertragungen von Walter Benjamin und Die Blumen des Bösen in der Nachdichtung von Stefan George. Und jetzt gibt es die Katze, die genaugenommen ein Kater ist. Wenn da la chatte gestanden hätte, dann hätte das Gedicht eine ganz andere, sexuelle Konnotation:

Le Chat

Viens, mon beau chat, sur mon coeur amoureux;
Retiens les griffes de ta patte,
Et laisse-moi plonger dans tes beaux yeux,
Mêlés de métal et d'agate.

Lorsque mes doigts caressent à loisir
Ta tête et ton dos élastique,
Et que ma main s'enivre du plaisir
De palper ton corps électrique,

Je vois ma femme en esprit. Son regard,
Comme le tien, aimable bête
Profond et froid, coupe et fend comme un dard,

Et, des pieds jusques à la tête,
Un air subtil, un dangereux parfum
Nagent autour de son corps brun.

Bei Terese Robinson klingt das so:

Komm, schöne Katze, und schmiege dich still
An mein Herz, halt zurück deine Kralle.
In dein Auge ich träumend versinken will,
Drin Achat sich verschmolz dem Metalle.

Wenn meine Hand liebkosend und leicht
Deinen Kopf und den schmiegsamen Rücken,
Das knisternde Fell dir tastend umstreicht
Sanft, doch berauscht vor Entzücken,

Dann seh' ich sie. Und ihres Blickes Strahl
Er scheint dem deinen, schönes Tier, zu gleichen,
Ist tief und kalt, scharf wie geschliffner Stahl,

Und feine Düfte fühl' ich zitternd streichen,
Gefährlich süssen Hauch, der gluterfüllt
Den braunen Leib von Kopf zu Fuss umhüllt.


Das schöne Bild Epigraphe pour un livre condamné da ganz oben ist von dem belgicshen Symbolisten Jan Frans De Boever aus dem Jahre 1924. Damals hat Terese Robinson angefangen zu übersetzen.

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