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Sonntag, 23. November 2025

Zu Straßburg auf der Schanz


Heute vor hundertvierzehn Jahren wurde in der Volksoper Wien das musikalische Schauspiel in drei AufzügenDer Kuhreigen von Wilhelm Kienzl aufgeführt. Die literarische Vorlage der Oper war die Novelle Die kleine Blanchefleur (hier im Volltext) von Rudolf Hans Bartsch. Wo wir lesen können: Man weiß, daß es in der französischen Armee verboten war, bei Todesstrafe! – in Schweizer Regimentern den Kuhreihen zu blasen oder zu singen; weil dann die ungeschickten Kinder der deutschen Alpen herdenweise davonliefen oder vor Heimweh starben.

Zu Straßburg auf der Schanz,
Da ging mein Trau'ren an …
Das Alphorn hört ich drüben wohl anstimmen,
Ins Vaterland mußt ich hinüber schwimmen, –
Das ging nicht an.

Und mein Urgroßvater Primus Thaller hatte den Kuhreihen mitten in Paris gesungen! Auf dem Hofe der Schweizer Kaserne war er gestanden, im gelben Sand, auf dem die Abendsonne glühte und die Soldaten sich zum Ausgang in die Stadt rüsteten.

Die Oper ist ein klein wenig in Vergessenheit geraten. Diese CD der Aufnahme von 1951 mit Anny Felbermayer als *Blanchefleur, die bei mir im Regal steht, ist heute schwer zu bekommen. Aber man kann sie noch finden. Alles, was auf dieser CD ist, können Sie allerdings auch in wirklich guter Qualität bei *YouTube hören. Und die ganze Partitur der Oper finden Sie hier.

Die Oper über die Soldaten der Schweizergarde im revolutionären Paris hatte Erfolg. 1912 gab es die deutsche Premiere in Magdeburg (und gleichzeitig in Berlin die erste Tonaufnahme), 1913 konnte man die Oper in New York in französischer Sprache hören. 1914 wanderte die Oper nach Liverpool und London, und es gab eine flämische Version in Antwerpen. Der Kuhreigen war nach dem Evangelimann der größte Bühnenerfolg des Komponisten Wilhelm Kienzl. Das Lied Zu Straßburg auf der Schanz aus der Oper hat im 20. Jahrhundert beinahe jeder Tenor gesungen.*Richard Tauber, *Walther Ludwig und *Rudolf Schock singen nur das Lied, aber Fritz Wunderlich bringt den ganzen Part aus der Oper. Das ist eine Aufnahme von 1959 mit dem Sinfonieorchester des Süddeutschen Rundfunks, es ist wahrscheinlich die beste Version des Stückes.

Die Revolutionsoper, die im Paris der Jahre 1792-1793 spielt, wurde hier schon 2013 in dem Post Kuhreigen erwähnt. Da steht schon alles zu dem Lied des morbus helveticus, das Zu Straßburg auf der Schanz heißt. Und als kleine Dreingabe habe ich heute neben dem Photo von Eva von der Osten als Blanchefleur aus dem Jahre 1912 (diese Aufnahme wird im Internet als CD angeboten), noch das, was sie am Schluss der Oper singt: singt:

Ein Tanz war mein Leben, 
ein Gleiten, ein Schweben 
auf weichen Blumen, 
auf ebenem Plan.
Nun tanz ich verwegen, 
dem Tode entgegen
mit lächelnden Lippen
wie je ich's getan

Primus Thaller, der Unteroffizier der Schweizergarde, der gerade zum capitaine der Revolutionsarmee ernannt wurde, will die Marquise von Massimelle aus dem Gefängnis befreien und sie heiraten: Madame, ich hab' Sie lieb. wie nichts auf dieser Erden... wir fliehen zu den freien AIpenhöh'n. Aber Blanchefleur weist ihn ab: Mein lieber Freund, nur nicht geschmacklos werden! Wir sind zwei Welten, die sich nie verstehn. Und dann singt sie noch, bevor sie zur Guillotine geführt wird (hier ab 2.27): 

Du wirst ins Land der Schweizer ziehn 
in Frankreich blüht Dir weder Glück noch Ehr;
und singst Du dort die Heimatmelodien, 
so denke auch der armen Blanchefleur, 
die Dich aus Todesnot befreit
und sich dann selbst dem bittren Tod geweiht

Und während der Vorhang fällt und ein Menuett erklingt, ruft der Marquis de Chézy all denen zu, die auf ihre Hinrichtung warten: Mesdames, Messieurs, der Tanz geht weiter.

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