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Samstag, 12. September 2015

Freimaurer


Wenn man in der Gegend eines Blücherplatzes wohnt, dann liegt es nahe, über den Namengeber zu schreiben. Der Feldmarschall Gebhard Leberecht von Blücher, Fürst von Wahlstatt, ist heute vor hundertsechsundneunzig Jahren gestorben. Auf dem Sterbebett soll er gesagt haben: Was der Mensch will und immer will, das gelingt ihm endlich. Ihm ist gelungen, was er wollte. Gut, London hat er nicht geplündert, obgleich er das gerne getan hätte. Wird immer erzählt, stimmt aber nicht. Angesichts des schmutzigen Londons in einer Nebel- und Smogsuppe, hat er Was für Plunder! gesagt. Woraus man What a place to plunder gemacht hat.

Aber den Napoleon, den hätte er gerne hingerichtet gesehen, doch das hat ihm Wellington ausgeredet. Blücher war FreimaurerNapoleon vielleicht auch, seine Geste mit der Hand in der Weste, hat man als Zeichen der Freimaurerei gedeutet. Was es durchaus sein kann. Aber nicht muss, auch der ➱Dandy zeigt sich in der Zeit in dieser Positur. Wellington war auf jeden Fall einmal Freimaurer, doch im Alter wollte er nicht daran erinnert werden: Der Herzog hat keine Erinnerung daran, dass er zum Freimaurer gemacht worden wäre. Er hat keinerlei Kenntnis von dieser Vereinigung, lässt er auf eine Anfrage der Loge in Irland schreiben, die ihn 1790 aufgenommen hatte (und der auch sein Vater und sein Bruder angehört hatten).

Blücher hat bei einer Versammlung seiner Logenbrüder eine bemerkenswerte Rede gehalten: Ich habe von Jugend auf die Waffen für mein Vaterland geführt und bin darin grau geworden; ich habe den Tod in seiner fürchterlichsten Gestalt gesehen und sehe ihn noch täglich vor Augen; ich habe Hütten rauchen und ihre Bewohner nackt und bloß davongehen sehen, und ich konnte nicht helfen. So bringt es das Treiben und Toben der Menschen in ihrem leidenschaftlichen Zustand mit sich. Aber gerne sehnt sich der bessere Mensch aus diesem wilden Gedränge heraus, und segnend grüße ich die Stunde, wo ich mich im Geiste mit guten, treuen Brüdern in jene höhere Regionen versetzen kann, wo ein reines, helles Licht uns entgegenstrahlt. Heilig ist mir daher die Maurerei, der ich bis zum Tode treulich anhängen werde, und jeder Bruder wird meinem Herzen stets teuer und wert sein.

Generäle und die Freimaurerei, wie geht das zusammen? Hätten wir im 18. Jahrhundert, der Geburtsstunde der Freimaurerei, weniger Kriege gehabt, wenn alle Fürsten und Generäle die Grundsätze der Freimaurer von Brüderlichkeit, Gleichheit, Freiheit, Toleranz und Humanität beherzigt hätten? Für Blücher kann man sagen, dass er für die Abschaffung der barbarischen Strafen, die damals im Heer üblich waren, gekämpft hat. Und für humane Militärreformen eingetreten ist. Das ist eine andere Seite unseres Marschall Vorwärts. Vielleicht war das der Freimaurer in ihm.

George Washington war auch Freimaurer. In einem Blog, der Illuminati News heißt, können wir lesen: A 1951 Masonic edition of the Holy Bible confirms that twenty-four of Washington's major generals were Masons, as well as thirty of his thirty-three brigadier generals. And of the 56 original signers of the Declaration of Independence, 53 were Master Masons in Freemasonry. It is a fact that there is plenty of evidence that indicates that we won the Revolution because American, French and British Masons brothers did not want to fight each other. Ein schöner Gedanke, ich liebe ja Verschwörungstheorien aller Art. Wir ziehen bei der Zahl der Generäle mal den Verräter ➱Benedict Arnold ab und setzen dem Ganzen entgegen, dass wir auf englischer Seite wahrscheinlich ebenso viel Generäle finden, die Freimaurer waren und die nichts mit der amerikanischen Revolution im Sinn haben.

Der Herzog von Braunschweig war Freimaurer wie sein Schwager Friedrich II. Aber der Mann, der ihm in der Schlacht von ➱Minden nicht gehorcht, der Lord Sackville, war auch Freimaurer. Wo bleibt da in dem Augenblick die Brüderlichkeit? Im 18. Jahrhundert sind die Ideale der Freimaurerei revolutionär gewesen. Viele der Aufklärer waren Freimaurer, unser Freiherr ➱Knigge war auch dabei. Aber auch erstaunlich viele aufgeklärte Landesherren sind Freimaurer.

Wie Carl von Hessen-Kassel, dessen ➱Vater die Landeskinder in die englische Armee verkauft. Der Landgraf Carl wird in Dänemark dafür sorgen, dass die Freimaurer als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt werden. Wir können natürlich den Gedanken aus den Illuminati News weiterspinnen, und alle Errungenschaften der Aufklärung von den Freimaurern abhängig machen. Es ist eine schöne Idee, doch ich glaube, die These lässt sich nicht halten. Dennoch kann man Blücher Recht geben, wenn er sagt: Aber gerne sehnt sich der bessere Mensch aus diesem wilden Gedränge heraus, und segnend grüße ich die Stunde, wo ich mich im Geiste mit guten, treuen Brüdern in jene höhere Regionen versetzen kann, wo ein reines, helles Licht uns entgegenstrahlt. 

Wo immer das reine, helle Licht sein mag, wir bewegen wir uns da in der Transzendenz. Vielleicht sehen wir es in der Theaterdekoration von Schinkel (im Absatz oben) für Mozarts Zauberflöte. Was ja eine reine ➱Freimaurer Oper ist, Librettist und Komponist sind Freimaurer, und die Oper wimmelt nur so vor edlen Gedanken. Es ist eine Oper von Mozart (wir beachten bei diesem Bild die Handhaltung), die ich überhaupt nicht mag. Ich kann voller ➱Enthusiasmus über Figaros Hochzeit, Don Giovanni oder Cosi fan Tutte schreiben, aber ich würde nie über die Zauberflöte schreiben. Die habe ich auch nur einmal gesehen.

Allerdings, und das ist nun sehr passend für den Titel dieses Posts, in einer sehr speziellen Vorstellung. Es war eine geschlossene Gesellschaft, das ganze Theater am Goetheplatz war von den Bremer Freimaurerlogen gemietet worden. Alle Herren im ➱Frack, alle Damen im Abendkleid. Jay in seinem guten blauen englischen Anzug von Charlie Hespen fiel schon etwas dumm auf. Ich war auch nur da, weil ich meinen Vater einen Gefallen tun wollte. Das Theater am Goetheplatz (neben der ➱Kunsthalle und gegenüber von ➱Gesche Gottfrieds Gefängnis) war natürlich ein passender Ort, Goethe war ja auch Freimaurer. Allerdings sind seine Freimaurer Gedichte nicht das Wichtigste, das er geschrieben hat. Und die von Aloys Blumauer, den Mozart kannte, auch nicht. Die Gedichte wirken heute eher unfreiwillig komisch. Literatur scheint nicht die Sache der Freimaurer zu sein.

Mein Vater war Freimaurer, er war es, weil er wirklich an all diese Ideale von Brüderlichkeit, Gleichheit, Freiheit, Toleranz und Humanität glaubte. Die meisten seiner Logenbrüder waren aus Opportunismus in der Loge. Sie wollten gesellschaftlich weiterkommen. Das wiederum interessierte meinen Vater wenig. Wenn er Kelle und Schürze in eine kleine schwarze Aktentasche packte und meine Mutter ihm das Frackhemd herauslegte und den Zylinder abbürstete, dann war wieder eine Logensitzung. Das neue Logenhaus der Loge Anker der Eintracht kannte ich gut, es war nach dem Krieg unser Heimatmuseum gewesen. Die Loge war 1935 von den Nazis gezwungen worden, das Haus an den Heimatverein zu verkaufen, der dort das Museum einrichtete (die ➱Schlaraffia wurde damals auch enteignet). Heute steht wieder Logenhaus draußen dran.

Als mein Vater mir voller Stolz das neubezogene Haus zeigte, war ich überrascht, wie sich die Museumsräume verwandelt hatten, in denen ich als Kind gespielt hatte, wenn Opa sonntags an der Kasse des Museums saß. Im obersten Stockwerk gab es eine Himmelskuppel, die wie eine Imitation von ➱Schinkels Bühnenbild für die Zauberflöte aussah. Aber alle Magie war verschwunden, die das Haus einst besessen hatte. Nichts mehr von all den Dingen, die ➱Gerhard Rohlfs aus Afrika mitgebracht hatte. Keine Harpunen und Walbilder mehr, die an den ➱Walfang erinnerten. Keine Hosenbojen, die von Rettungstaten der ➱DGzRS kündeten. All die geheimnisvollen Dinge der Kindheit waren fort, dafür gab es hier sicher andere Geheimnisse, die mich aber nicht sonderlich interessierten.

Mein Vater hat mal einen schüchternen Versuch unternommen, mir die Jugendorganisation der Freimaurer, die De Molay hieß, ans Herz zu legen, aber er hat das nicht forciert. Er wusste, ich hatte meinen eigenen Kopf. Rituale und Gebräuche der Freimaurer sind mir nicht unvertraut, ich habe alle Bücher gelesen, die ich bei meinem Vater fand. Aber ein Freimaurer ist aus mir nie geworden. Weil ich schon früh für mein Leben beschlossen hatte, nie in eine Partei oder in irgendeine Organisation einzutreten. Gegen die Ideale der Freimaurerei ist nichts zu sagen, sie waren die Ideale der Aufklärung des 18. Jahrhunderts. Doch vieles davon ist auch schon ein Ideal eines antiken Tugendkatalogs oder des Christentums gewesen. Jedermann kann in seinem Leben versuchen, ein guter Mensch zu sein, dazu braucht man kein Freimaurer zu sein.


Zu Blücher gibt es heute an seinem Todestag außer der Freimaurerei nichts Neues. Wenn Sie mehr von unserem Marschall lesen möchten, dann gibt es hier viel anzuklicken: ➱Briefe, ➱La Belle-Alliance, ➱Waterloo, ➱18. Oktober 1813, ➱Laon 1814, ➱Thomas Lawrences Blücher, ➱Kutusow, ➱Captain Gronow, ➱Finckenstein, ➱Luxuskutschen, ➱Tettenborn, ➱Bennigsen, ➱Bourrienne, ➱Ney, ➱Elba, ➱Eisernes Kreuz, ➱Heeresreform, ➱Moltke, ➱Rahel, ➱A Midnight Clear, ➱Regenschirme

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