Freitag, 8. Februar 2013

Bennigsen


Durch die blutige, in der Hauptsache freilich nichts entscheidende Schlacht bei Eilau, 7. u. 8. Febr. 1807, erwarb v. B. wenigstens den unsterblichen Ruhm, zum ersten Male den Zauber der Unüberwindlichkeit Napoleons gebrochen zu haben, konnte jedoch im weitern Verlauf des Feldzuges, namentlich nach der Schlacht von Friedland, am 14. Juni, den Abschluß des unglücklichen Friedens von Tilsit nicht aufhalten, schreibt Adolf Schaumann in der Allgemeinen Deutschen Biographie über den russischen General Levin August von Bennigsen.

Bennigsen, der aus dem Braunschweigischen kommt, ist seit 1773 in russischen Diensten. Er hatte im hannöverschen Heer angefangen und war zum Ende des Siebenjährigen Krieges schon Hauptmann. Als sein Vater starb, verließ er die Armee, um das ererbte Gut Banteln zu bewirtschaften. Das er nach zehn Jahren in den Konkurs gewirtschaftet hat. Hat sein Erbe verprasst, wie man so schön sagt. Da nimmt er das Angebot einer Majorsstelle von Katharina der Großen an. Für die nächsten zweiundvierzig Jahre ist er in russischen Diensten. Er steigt bis ganz nach oben auf. Der Zar Alexander überschüttet ihn mit Orden und Titeln. Er weiß, dass dieser Mann zu den Mördern seines Vaters gehört. Das Bild hier ist von dem Engländer George Dawe. Der kam ➱hier im Blog schon einmal vor. Ich hätte ja lieber das Bild gehabt, das Tischbein (der ➱Goethe-Tischbein) 1814 in Hamburg gemalt hat, aber davon gab es keine Abbildung im Internet.

Der nette Gesichtsausdruck auf dem Bild täuscht ein wenig. Die Generäle um Bennigsen herum mögen ihn nicht. Fürst Bagration, ein fähigerer General als er, kann die ganzen deutschen Generäle sowieso nicht ausstehen. Bennigsens Untergebener, der General Fabian Gottlieb von der Osten-Sacken, liefert sich über Jahre einen geradezu epischen Kampf mit Benningsen. Benningsen ist jetzt zweiundsechzig. Er hat gerade den schon senilen Marschall Michail Fedotowitsch Kamenski im Oberbefehl abgelöst. Andere Generäle wären für diese Position besser qualifiziert gewesen, der gleichaltrige Kutusow (gegen den der nur intrigieren wird, wenn Kutusow das Kommando bekommt), Barclay de Tolly (der bei Eylau verwundet wird) oder Bagration.

Aber Bennigsen hat die Unterstützung des Zaren, dem er zur Macht verholfen hat. Bennigsen kennt alle Tricks der Höflinge. Er hatte diplomatisch geschickt das Zimmer verlassen, bevor Alexanders Vater ermordet wird. Und wenn er eines Tages den Oberbefehl über die russische Armee wieder verliert, wird er nicht müde, jedem zu erzählen, dass nur er Napoleon ein halbes Jahr trotzen konnte. Und dass der Fürst Bagration aus der königlichen Dynastie der georgischen Bagratiden ein einfacher Generalmajor unter seinem Kommando gewesen sei. The Harper encyclopedia of military biography, ein Nachschlagewerk, das sich selten irrt, sagt über ihn: Although brave, Bennigsen was preoccupied by intrigue and was not a very able or reliable commander, he possessed little strategic or tactical skill and was untrustworthy, opinionated, and insubordinate.

Es gibt da auch noch eine kleine Truppe von Preußen unter dem General Anton Wilhelm L’Estocq auf dem Schlachtfeld von Eylau. In älteren deutschen Geschichtsbüchern sind es natürlich die Preußen, die die Schlacht entscheiden. Weil sie das Schlachtfeld - genau wie Blücher bei ➱Waterloo - im richtigen Moment erreichen. Und weil L’Estocqs Stabschef Gerhard von Scharnhorst für alles den genialen Plan hatte. Der deutsche Wikipedia Artikel zur Schlacht von Preußisch-Eylau erwähnt mit keiner Silbe, dass der General Bagration auch bei der Schlacht dabei war. Weshalb der Ort Preußisch-Eylau heute auch Bagrationowsk heißt.

Die blutige Schlacht bei klirrender Kälte endet ohne Ergebnis. Es wird weitergehen mit den Schlachten. Napoleon wird in die Welt von Schnee und Kälte zurückkommen. Auch die ➱Beresina wird ihm keine Lehre sein. Diese Schlacht ist natürlich berühmter und symbolischer als die Schlacht von Eylau. Die aber ihren Weg in die Literatur gefunden hat. Balzacs Le Colonel Chabert hat hier seinen Anfang. Alle Schrecklichkeiten, die ein phantasievoller Dichter erfinden könnte, sind nichts gegen die Wahrheit, heißt einer der letzten Sätze der Erzählung. Er bezieht sich nicht auf die Schlacht von Eylau, aber vielleicht könnte man ihn doch symbolisch für die blutige Schlacht nehmen. Diesen Herrn kennen wir. Wir erinnern uns, dass Gérard Depardieu in der Verfilmung den Colonel Chabert gespielt hat. Hier mit ➱Fanny Ardant. Ohne eine hübsche Frau, die unsere Blicke auf sie zieht, ist er ja nicht zu ertragen. Depardieu ist jetzt Russe. Das wäre dem wirklichen Colonel Chabert nicht passiert. Der geht lieber unerkannt ins Armenhaus, statt zu den Russen überzulaufen.

Und da ist noch eine andere Stelle, an der die Schlacht von Eylau in einem Roman auftaucht. Wo man sie überhaupt nicht erwartet. Die ➱Eric Ambler Fans (dies ist ein Link zu einem Eric Ambler Post, den sich ➱Henning Mankell Fans genau durchlesen sollten) unter meinen Lesern wissen natürlich Bescheid. Ja, es ist natürlich The Schirmer Inheritance. Das Bild links ist aus dem Jahre 2007, da hat man zur Zweihundertjahrfeier die Schlacht nachgespielt. Offensichtlich gab es nicht genügend Freiwillige. Der General Bennigsen ist 1826 im Alter von einundachtzig Jahren auf seinem Gut Banteln bei Hildesheim  gestorben. Sein Vorgänger im Amt des Oberkommandierenden der russischen Armee, der Marschall Kamenski (der der Ur-Ur-Ur-Ur-großvater der englischen Schauspielerin Dame Helen Mirren ist), hatte sich auch auf seine Güter zurückgezogen, wo er seine Leibeigenen kujonierte. Hatte aber keinen schönen Lebensabend, da er zwei Jahre nach der Schlacht von Eylau von einem seiner Leibeigenen erschlagen wurde.

Zwei Franzosen haben uns am Tag nach der Schlacht zwei Sätze geliefert, die eine Menge über die aussagen. Der erste Satz ist von Marschall ➱Michel Ney überliefert, er lautet: Quel massacre! Et sans résultat. Der zweite stammt von Napoleon: Une nuit de Paris réparera tout ça.

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