Dienstag, 26. Februar 2013

Buffalo Bill


Am 26. Februar 1846 wurde William Frederick Cody geboren, den wir besser unter dem Namen Buffalo Bill kennen. Ich weiß sogar, wo er begraben ist, weil mir ein Student einmal eine Postkarte mit dem ➱Grab auf dem Lookout Mountain geschickt hat. Vor hundert Jahren war Buffalo Bill weltweit wahrscheinlich der berühmteste Amerikaner. Seine Show, die den barocken Titel Buffalo Bill's Wild West and Congress of Rough Riders of the World hatte, war auch mehrfach in Deutschland. Und schon seit den 1870er Jahren gibt es die von Ned Buntline geschriebenen Romane unter dem Titel Buffalo Bill Cody, König der Grenzer auch in Deutschland.

Unser bester Kenner des amerikanischen Westens urteilte damals: Buffalo Bill kenne ich persönlich; er war Spion und guter Führer, sonst nichts. Zu den Westmännern à la Old Firehand wurde er nicht gerechnet. Aber was Karl May hier von sich gibt, ist wahrscheinlich der reine Neid. In dem bitterbösen Theaterstück Indians von Arthur Kopit steht Buffalo Bill im Mittelpunkt des Geschehens. Szene für Szene wird hier sein Mythos entzaubert. Er kommt sich noch großartig vor, wenn er Wild Bill Hichok seine Zukunftspläne enthüllt: When a man...has a talent, I think it's his godly duty t'make the most of it...Ya see, Bill, what you fail to understand is that I'm not being false to what I was. I'm simply drawn' on what I was... and liftin' it to a higher level.

Der Journalist Ned Buntline hilft ihm dabei, auf diesen higher level zu kommen, zu einem Mythos zu werden. Wobei es zu so wunderbaren Dialogen kommt wie: BUNTLINE. Go on, tell'm. It'll help what I'm plannin' t' write. BUFFALO BILL. [delighted] It will? BUNTLINE. Absolutely. Look: de West is changin' right? Well, people wanna know about it. Wanna feel...part o' things. I think you're what dey need. Someone t' listen to, observe, identipy wid. No, no, really! I been studyin' you? I think you could be de inspiration o' dis land. BUFFALO BILL. Now I know you're foolin'! BUNTLINE. Not at all...Well go on. Tell 'm what he wants t' hear. T'rough my magic pen, other will hear also...Donmentionit. De Nation needs men like me, too.

Was Buntline hier zu Cody sagt, ist das Dilemma Amerikas. Der magic pen der Ghostwriter verändert die Wirklichkeit. Ähnlich klang das schon in ➱John Fords The Man Who Shot Liberty Valance, wenn Senator Ransom Stoddard (➱James Stewart) den Zeitungsredakteur fragt: You're not going to use the story, Mr. Scott? Und die Antwort erhält: No, sir. This is the West, sir. When the legend becomes fact, print the legend. In Kopit Indians wird Buffalo Bill mit seiner eigenen Legende nicht fertig. Verbissen verteidigt er seinen Glauben, dass er keine Schuld an der Vernichtung der Indianer trüge: Anyone who thinks we have done something wrong, is wrong! Ich hätte gerne ein Photo von Stacy Keach bei seinem Broadway Debüt gehabt, aber das offeriert das Internet leider nicht. Das Farbphoto oben ist natürlich nicht Buffalo Bill, das ist Paul Newman, der in ➱Robert Altmans Buffalo Bill and the Indians, or Sitting Bull's History Lesson den Titelhelden spielt. Eigentlich sieht er eher aus wie ➱Custer, aber diese amerikanischen Westernhelden stilisieren sich in der Zeit offensichtlich alle gleich. Auf diesem Schwarzweißphoto ist der echte Buffalo Bill zu sehen, aber der eindrucksvolle Hintergrund ist nur eine gemalte Kulisse für den Showman, der in Kopits Stück sagt: Well, my plan is t' help people. Like you, ferinstance. Or these people I'm with. More...even...than that, maybe. And , and, whatever...it is I do t' help, for it, these people may someday jus' possibly name streets after me. Cities. Counties. States! I'll ...be as famous as Dan'l Boone!...An' somewhere, on top of a beautiful mountain that overlooks more plains 'n rivers than any other mountain, there might even be a statue of me sittin' on a great white horse, a-wavin' my hat t' everyone down below, thankin' 'em, fer thankin' me, fer havin' done...whatever...it is I'm gonna...do fer 'em all. How...come you got such a weird look on yer face?

Seit sich ➱John James Audubon als Lederstrumpf inszeniert hat, sehen ihm beinahe alle Westernhelden in den billigen Dime Novels ähnlich. Es scheint sich ein gewisser ➱Dandyismus an der amerikanischen frontier zu entwickeln. Die ersten Illustrationen von Coopers Romanen versetzen die Helden noch in europäischer ➱Kleidung in den Wald (lediglich eine Fellmütze gibt etwas Lokalkolorit). Aber in dem Augenblick, in dem ➱Seth Jones und ➱Lew Dernor in den Dime Novels auftauchen - also bevor Ned Buntline Buffalo Bill vermarktet - entsteht in den Illustrationen all dieser Heftchenliteratur ein beinahe stereotyper Westernheld. Ein bisschen Hinterwäldler, ein bisschen Dandy. Schon Melville spöttelt in Moby-Dick über den bumpkin dandy, der buckskin gloves for fear of tanning his hands trägt. There's no business like show business. Amerikas Westernhelden, die sich von Ghostwritern vermarkten lassen, haben das frühzeitig erkannt.

Der erste Auftritt von Buffalo Bill in Kopits Stück zeigt den Westernhelden bei einem verzweifelten Comeback Versuch, gerade zuvor hatte ihn sein Manager in einer ghost town gebucht. Buffalo Bill kommt vielleicht zu seiner letzten Vorstellung. Und Kopit, der Meister des absurden Theaters, kann es nicht lassen, ihn auf einem glorious white artificial stallion with wild, glowing eyes auf die Bühne kommen zu lassen.

BUFFALO BILL Yessir, BACK AGAIN! That triumphant brassy music, those familiar savage drums! Should o' known I couldn't stay away! Should o' known here's where I belong! The heat o' that ol' spotlight on my face. Yessir...Should o' known here's where I belong...
BUFFALO BILL. Before we start, I'd···just like to say...
VOICE. Bill!
[The Indians slowly approach.]
BUFFALO BILL. ... to say that...I am a fine man. And anyone who says otherwise is WRONG! VOICE [softly] Bill, it's time.
BUFFALO BILL. My life is an open book; I'm not ashamed of its bein' looked at!
VOICE [coaxing tone] Bill...
BUFFALO BILL, I'm sorry, this is very...hard...for me t' say. But I believe I...am a...hero...A GODDAM HERO!

Ich könnte jetzt wochenlang über den amerikanischen Mythos und die Wirklichkeit schreiben, aber ich lasse das. Ich wollte mal einen kurzen Post schreiben. Und ich habe auch einen wunderbaren Schluss, der von dem Dichter e.e.cummings stammt:

Buffalo Bill's 
defunct 
              who used to 
              ride a watersmooth-silver 
                                              stallion 
and break onetwothreefourfive pigeonsjustlikethat 
                                                                                    Jesus 
he was a handsome man 
                                              and what i want to know is 
 how do you like your blueeyed boy 
 Mister Death


Mehr zu dem Thema Indianer in diesem Blog unter ➱Indianer. Kopits Indians finden Sie auf dieser ➱Seite. Dieser Text ist ein wenig fehlerhaft, ist aber besser als nix.

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