Sonntag, 30. Oktober 2022

Louis Malle


Der französische Filmregisseur Louis Malle wurde heute vor neunzig Jahren geboren. Er war schon häufig in diesem Blog, testen Sie einmal das kleine Suchfeld. Er war mal mit Gila von Weitershausen liiert, aber 1980 hat er in zweiter Ehe Candice Bergen geheiratet. Louis Malle hat viele schöne Filme gedreht, den Film Eine Komödie im Mai (Milou en Mai) habe ich in dem Post Mai-Unruhen erwähnt. Der Brigitte Bardot Film Privatleben wird in Et Dieu… créa la femme erwähnt, Viva Maria findet sich in dem Post Gregor von Rezzori

Louis Malle hatte immer schöne Frauen in seinen Filmen, den Satz von Truffaut Le cinéma c'est l'art de faire de jolies choses à de jolies femmes hat er gekannt und beherzigt. Den beherzigen ja alle französischen Regisseure. ✺Herzflimmern habe ich vor fünfzig Jahren zweimal gesehen, weil ich damals für Lea Massari schwärmte. Das erste, was mir bei Louis Malle einfällt, sind nicht seine Filme, sondern der wunderbare Satz: Wenn man in einem Bentley fahren gelernt hat, tritt der Wunsch nach einem Rolls-Royce etwas in den Hintergrund. Er kam aus einer reichen Familie. Die Frage eines Reporters: Was würden Sie tun, wenn Sie hundert Millionen Francs hätten? beantwortete er gelassen mit: Aber ich habe hundert Millionen. Den Film Herzflimmern haben sie letztens auch auf dem Festival Lumière 2022 gezeigt, wo es eine kleine Hommage für Louis Malle gab.

Er gehörte nie so richtig zu den Regisseuren der Nouvelle Vague. Nicht nur, weil er so reich war, sondern auch, weil seine filmische Karriere mit Unterwasserfilmen für Jacques Cousteau begann. Wahrscheinlich hat er damals auch eine Doxa mit dem orangenen Zifferblatt am Arm gehabt. Er mochte Paris nicht, wo seine Kollegen lebten, und schrieb sich seine Drehbücher selbst. Oder schrieb sie zusammen mit einem Drehbuchautor. Zazie (Zazie dans le métro) und  Privatleben (La vie privée) hat er mit Jean-Paul Rappeneau geschrieben, dessen ersten Film er sehr gelobt hat. Grâce et précision hat Louis Malle sein Vorwort zu dem Drehbuch des Films La vie de chateau in der Reihe L'Avant Scène betitelt, und grâce et précision zeichneten auch seine Filme aus.

Wenn Louis Malle auch keinen eigenen Post in diesem Blog hat, einer seiner Filme hat hier seit zehn Jahren einen Post, und das ist Fahrstuhl zum Schafott. der auch in Lyon bei dem Festival Lumière 2022 gezeigt wurde. Die Firma Malavida bringt im November eine Retrospektive Louis Malle, gentleman provocateur in die Kinos. Ich stelle den Post Fahrstuhl zum Schafott heute noch einmal, leicht überarbeitet, hier hin. Den Film und den Soundtrack von Miles Davis gibt es auch zum Anklicken. 

Es wäre beinahe ein perfekter Mord geworden. Was das Töten bedeutet, das weiß der Julien Tavernier, der von Maurice Ronet gespielt wird, der ehemalige Fallschirmjäger ist gerade aus Indochina zurück. Den ungeliebten Ehemann von Jeanne Moreau umzubringen, ist keine große Sache. Und alles wäre perfekt gelaufen, wenn nicht ein Kleinkrimineller mit einer schwarzen Lederjacke Juliens Wagen geklaut und einen Mord begangen hätte. Und wenn der Hausmeister nicht den Fahrstuhl abgeschaltet hätte. So wird der zu einem Fahrstuhl zum Schafott. Wir sind in einem Film von Louis Malle.

Schwarz-Weiß, düster, ein wenig Film Noir, eine wenig Neue Welle. Und ein unvergesslicher Soundtrack, wenn Jeanne Moreau nachts im Regen durch die Straßen von Paris irrt. Und tolle Autos, ein Flügeltüren Mercedes kommt auch drin vor. Der Kleinkriminelle klaut das Auto von Maurice Ronet ja auch nur, weil das ein Cabriodach hat, das sich selbst versenkt. Das sieht man 1958 nicht so häufig. Einen Mercedes 300 SL natürlich auch nicht, das kleine 190er Modell schon. Sogar in unserem Kaff gab es einen, den ein Werftbesitzer seiner blonden Tochter geschenkt hatte. Die Gattin vom Chefarzt des Krankenhauses hatte nur einen NSU Spider, der im Volksmund Facharbeiter-Porsche hieß. Der 190 SL galt immer als ein bisschen prollig, zumal Rosemarie Nitribitt einen hatte. Weshalb die Werbung der Firma Regent damals das Modell verwendete, weiß ich nicht.

Louis Malle liebt Autos, er hat auch einmal einen Dokumentarfilm über Citroen gedreht. Und er hat einmal gesagt: Wenn man in einem Bentley fahren gelernt hat, tritt der Wunsch nach einem Rolls-Royce etwas in den Hintergrund. Er kommt aus einer sehr reichen Familie, er kennt die Bourgeoisie, die er in seinen Filmen beschreibt. Alte französische Filme sind ja eine Fundgrube für Nebensächlichkeiten. Also für Cinéasten, die den Film schon x-mal gesehen haben und nicht mehr auf die Handlung achten.

Die achten jetzt auf die kleinsten Details: Klamotten, Autos, Werbung im Hintergrund, wie die flackernde Kronenbourg Lichtreklame. Ich habe die Szene nie vergessen, wie Maurice Ronet in Feu Follet im Vorbeigehen dem Zimmermädchen des Hotels, wo er die Nacht mit Lydia (Léna Skerla) verbracht hat, statt eines Trinkgelds seine Armbanduhr schenkt. Er braucht sie eh nicht mehr, er weiß, dass er Selbstmord begehen wird. Es sind diese kleinen Gesten, die große Filme machen.

Und natürlich die eleganten Klamotten. Den dunklen Anzug von Félix Marten oder den Regenmantel von Lino Ventura hätte man damals schon gerne gehabt. Natürlich ging man damals nicht nur wegen der Herrenmode und der Autos in französische Filme, obgleich das schon ein starker Anreiz war. Denn von der Mode und den Automobilen her gesehen gaben deutsche Filme wie Immer diese Radfahrer oder Wehe, wenn sie losgelassen (die gleichzeitig mit Fahrstuhl zum Schafott erschienen) ja nicht so viel her. Da boten französische Filme natürlich mehr; der Facel Vega, den Yves Montand in Aimez-Vous Brahms? fährt, war doch schon das Geld der Kinokarte wert. Ein Facel Vega war schon etwas Besonderes, es gab in Bremen einen einzigen, der immer am Osterdeich gegenüber vom Weserstadion stand. Es war übrigens auch ein Facel Vega, in dem Albert Camus zu Tode kam.

Film ist, mit schönen Frauen schöne Sachen anzufangen, hat Truffaut gesagt. Und in diesem Punkt hatte Fahrstuhl zum Schafott auch etwas zu bieten, denn dieser Film bedeutete für Jeanne Moreau den Durchbruch zum internationalen Star. Sie wird in diesem Film hervorragend in Szene gesetzt von dem Kameramann Henri Decaë. Der hat ja auch viele coole Jean-Pierre Melville Filme photographiert, das kann er nicht nur in Schwarzweiß, wie er zehn Jahre später in Der eiskalte Engel beweist. Die Photographie hat sicher viel dazu beigetragen, dass der Film den begehrten Prix Louis Delluc gewonnen hat.

Und last but not least hat dieser Film diesen wunderbaren Soundtrack, der Jazz Geschichte gemacht hat. Der Jazzfan Louis Malle hatte Miles Davis dazu überreden können, die Musik für den Film einzuspielen. Eine Studio Session, eine Nacht, völlig improvisiert: Was er machte, war einfach verblüffend. Er verwandelte den Film. Ich erinnere mich, wie er ohne Musik wirkte; als wir die Tonmischung fertig hatten und die Musik hinzufügten, schien der Film plötzlich brillant. Es war nicht so, dass die Musik (…) die Emotionen vertiefte, die die Bilder und der Dialog vermittelten. Sie wirkte kontrapunktisch, elegisch und irgendwie losgelöst. Das Album Ascenseur pour l’échafaud ist zu einer der berühmtesten Miles Davis Platten geworden.

Fahrstuhl zum Schafott ist ein Film, in dem alles stimmt: Darsteller, Photographie und Musik. Dazu die Reste des amerikanischen Film Noir, gewürzt mit einer Prise vom französischen Existentialismus. Die eleganten Klamotten und die Autos nicht zu vergessen. Setzen Sie sich vor den Bildschirm Ihres Computers, klicken Sie hier und zünden Sie sich eine Gauloise an.

Samstag, 29. Oktober 2022

Variationen


Die erste Folge der charmanten kleinen englischen Krimiserie The Chelsea Detective hat als Filmmusik den Anfang von der Nummer 25 von Bachs Goldberg Variationen. Und fünf Minuten später sehen wir den Detective Inspector Max Arnold, wie er auf seinem Hausboot im Stehen auf seinem Klavier die ersten Takte der Variation 25 spielt, die Wanda Landowska als die black pearl des Ganzen bezeichnet hat. In der zweiten Folge der Serie sitzt unser Detektiv am Klavier und spielt die Aria, während er die Photos der Verdächtigen betrachtet. Der Komponist Ian Arber, der dem Schauspieler Adrian Scarborough das Klavierspielen beigebracht hat, hat die Phrasierungen von Bach immer wieder in seiner Filmusik aufklingen lassen. Das ist intelligent gemacht. Die Filmmusik von Ian Arber kann man auch kaufen.

Die Goldberg Variationen hatten hier zuletzt in dem Post Kraut und Rüben eine lange Betrachtung, und in dem Post Unordnung habe ich gesagt, dass ich über die neue Aufnahme der Goldberg Variationen von Klára Würtz schreiben wollte. Die ungarische Pianistin, die in Holland lebt, hatte hier schon vor Jahren den Post Klára Würtz, und sie wurde in zahlreichen Posts erwähnt. Ihre Aufnahmen sind bei dem sehr preisgünstigen Label Brilliant Classics erschienen, die vor Jahrzehnten einmal das Gesamtwerk von Bach in einer Box mit 155 CDs herausgebracht hatten.

Würtz’s performances have ‘disarming freshness’, as one commentator has put it, which throws our listening emphases away from her and back on to the music. Best known for her recordings on Brilliant Classics, Würtz is, in this writer’s view, one of the best pianist/musicians currently performing and the fact that she’s so infrequently mentioned in dispatches is a critical oversight, heißt es in der Besprechung der CD in Gramophone. Die Besprechung war von Rob Cowan, dessen Wort in der englischen Musikwelt Bedeutung hat. In seinem Blog hat er das Lob noch einmal wiederholt: Reviewing the Hungarian pianist Klára Würtz’s 'Goldberg Variations' in great detail for 'Gramophone' in May I wrote ‘I’ve heard a handful of Goldbergs that are as good as this (Beatrice Rana, for one – Warner Classics) but none that are better’ and I’d stick by that assessment.

Bach war bisher kein Thema für Klára Würtz, aber in der Zeit der Corona Pandemie hat sie ihn gefunden: In 2018 I recorded Tchaikovsky and Rachmaninoff Trios with two great Russian musicians: Dmtri Makhtin, violinist and Alexander Kniazev, cellist. I really enjoyed playing with them, and the recording went effortless and beautifully. The cellist happens to be a great organ player too and he gave me his recording of the Goldberg Variations – on the organ. I simply loved it: its registration, the boundless fantasy of the playing opened new doors in my perception of this marvelous composition. I felt inspired and decided to work on it.
       And then we were struck by the pandemic. Studying this piece day in day and out gave me enormous focus, dedication and consolation. As if all uncertainty and anguish disappeared and what remained was pure music. And the soul of a great master telling you through his notes that finally, all will be alright. Almost no other composition occupied my mind during that period and I felt the need to record it as a result of two intensive years living with it. Das hat sie in dem Interview Breaking the Goldberg Wall gesagt. Die Pandemie hat auch Ragna Schirmer dazu gebracht, sich noch einmal mit den Goldberg Variationen zu beschäftigen

Die Aufnahme von Klára Würtz hat große Momente, aber sie schwächelt auch ein wenig in Punkto Lautstärke und Tempo. Die Konstanz im Grundtempo, die wir bei Marie Rosa Günter haben, gibt es bei Würtz nicht. Die Pianstin hat dazu gesagt: Of course, we will never really know what is the 'right' tempo for each movement. For me the 'Goldberg' is one big landscape where the variations are part of a vast monumental structure. It has a theatrical dramaturgy where each episode follows the previous with a certain necessity and determination. To be honest I am pretty much relying on instinct on how I experience these dances, canons, overture, toccatas, recitatives, quodlibet and fugues as part of one continuous narrative. So the tempi are chosen on the basis of their place within the story, which unfolds in my mind during the performance.

Es ist bei neuen Interpretationen immer gut, eine alte bekannte Version im Vergleich zu hören. Oder das Werk von einem Cembalisten zu hören. Falls Sie die Aufnahme von Jean Rondeau nicht kennen, sollten Sie sich hier einmal anderthalb Stunden lang die Goldberg Variationen anhören. Rondeaus CD ist im Februar erschienen (auf zwei CDs, weil sie so lang ist). Ich mag auch die Aufnahmen von Kenneth Gilbert und Ignacio Prego. Rondeau hat die Goldberg Variationen als eine Ode an die Stille bezeichnet. Ich habe das Gefühl, dass sie für die Stille geschrieben wurden, in dem Sinne, dass sie den Platz der Stille einnehmen. An dieser Stelle muss ich mal eben das Gedicht Die Stille der Welt vor Bach von Lars Gustafsson einfügen, weil mir der Peter gesagt hat: Wenn Du über Bach schreibst, musst Du das Gedicht von Gustafsson zitieren. Ich kannte das Gedicht nicht, der Peter liest mehr als ich, aber ich fand es schnell:

Es muss eine Welt gegeben haben vor 
der Triosonate in D, eine Welt vor der A-moll-Partita,
aber was war das für eine Welt? 
Ein Europa der großen leeren Räume ohne Widerhall, 
voll von unwissenden Instrumenten,
wo das 'Musikalische Opfer' und das 'Wohltemperierte Klavier'
noch über keine Klaviatur gegangen waren. 
Einsam gelegene Kirchen,
in denen nie die Sopranstimme der Matthäus-Passion
sich in hilfloser Liebe um die sanfteren 
Bewegungen der Flöte gerankt hat, 
weite sanfte Landschaften,
wo nichts zu hören ist als die Äxte der Holzfäller,
das muntere Bellen starker Hunde im Winter
und Schlittschuhe auf blankem Eis wie ferne Glocken;
die Schwalben, die durch die Sommerluft schwirren,
die Muschel, die das Kind lauschend ans Ohr drückt, 
und nirgends Bach, nirgends Bach,
Die Schlittschuhstille der Welt vor Bach.

Das mit der Schlittschuhstille hat mir sehr gut gefallen, ich habe nicht so furchtbar viel von Gustafsson gelesen, aber Schlittschuhe habe ich in seinem Werk schon mehrfach gefunden. Und ich muss an dieser Stelle mal eben auf den zehn Jahre alten Post Schlittschuhlaufen  hinweisen, der schon über zehntausend Mal angeklickt wurde. Dieser Herr auf dem Boden heißt Risto Lauriala, er hat es nicht so mit der Stille. Er spielt in seiner Aufnahme die Aria sehr schön leise und langsam, ihre Wiederholung auch, aber dazwischen ist rambazamba. Und nach 52 Minuten ist glücklicherweise Schluss. Gramophone hatte nur wenige Zeilen für den finnischen Pianisten übrig, Sätze wie: But, in spite of clearly articulated phrases, his inclination both for overemphasis and to stab at notes too often interrupts the enjoyment of the listener. Aber bei Amazon findet sich eine Rezension, wo sich der Rezensent vor Begeisterung gar nicht mehr einholen kann: Welche Musen ihn an diesem Tag (oder Tagen) der Aufnahme geküsst haben, man weiß es nicht. Ein ganz großer Wurf!! Ein interpretatorische Glanzleistung. Schlicht: Die 'Goldberg Variationen' für jeden Tag! Ich weiß nicht so ganz, was das Photo auf dem Cover soll. Sitzt er da unten auf dem Boden in der Ecke, weil er sich für seine Aufnahme schämt?

Klára Würtz braucht wie Marie Rosa Günter 77 Minuten für die Goldberg Variationen, sie spielt die Wiederholungen, das ist ihr wichtig. Sie gehören zur Struktur des Ganzen, die Verzierungen sind ihr nicht so wichtig. Glenn Gould war 1955 nach 39:10 Minuten fertig, 1981 brauchte er 51 Minuten. Den deutschen Geschwindigkeitsrekord hält wohl der Schriftsteller und Pianist Yorck Kronenberg mit 44 Minuten (hier auf der YouTube ✺ Aufnahme braucht er 49 Minuten). Auf seiner Homepage versichert Professor  James Tocco: sicher die beste live-Aufführung der Goldberg-Variationen, die ich jemals gehört habe. Aber bei dem Professor hat Kronenberg studiert, der muss so etwas über seinen Schüler sagen.

In dem Post Wanda Landowska habe ich 2010 eine Top Ten Liste meiner Lieblingsinterpreten (also die großen Namen wie Glenn Gould und Rosalyn Tureck mal ausgenommen) veröffentlicht. Die Liste sah so aus:

1.   Christina Bjørkøe
2.   Andrei Gavrilov
3.   Murray Perahia
4.   Wilhelm Kempff
5.   Ragna Schirmer
6.   András Schiff
7.   Angela Hewitt
8.   Jenö Jandó
9.   Maria Yudina
10. Zhu Xiao-Mei

Die Liste ist immer noch gut, Klára Würtz kommt da noch nicht drauf, aber Marie Rosa Günter hat Chancen, auf die Liste zu kommen. Ich habe noch zwei Dinge zum Schluss. Das eine ist eine Aufnahme der Goldberg Variations/Variations von dem amerikanischen Jazzpianisten Dan Tepfer. Und das andere ist der Gedichtband Interval: Poems Based on Bach's Goldberg Variations der amerikanischen Dichterin Alice B. Fogel, aus dem ich einmal das erste Gedicht zitiere. Das natürlich Aria heißt:

All phases have beauty. Or in shaping time 
was Bach lost to all but the count, not consonance? 
One in the other, carriage and contained, 
body and spirit, hitched, indivisible: 
From the ground up with fractal scaffolding 
he built his arc, this liquid bridge for the daily 
practice of sameness, sequence, awaking 
change, the brief, the sustained—and the enduring 
whole bears as one all notes, as one word might
all said or sung. Where does it come from, the material
of the beautiful? And how aligned or skewed 
toward discord, how reasoned with ardor and risk,
how little or much design or dumbfound— 
how can we know? Grave, heavenly, 
like the illumined face of a god rubbed from stone, 
these breaths so wholly numbered and numinous . . . 
A mere miracle of physics? Mathematics' holy writ? 
Most musical web of ordered intervals framed 
by symmetry, division, multiples—most melancholy 
joy: Ten parallel horizons zenithed 
toward always, thirty-two limiting longitudes: 
A language, a form, a key. God, Johann: When in thrall 
a pianist's hands arch intimate 
to make the passage—to touch 
your immortal body—it is as if the finite, bound, 
has unwound when your now becomes now anew, 
now mine. As if thresholds allowed recrossing: Forever 
to be content, a soul at home, with a life like art 
more puzzle than plan, more flight than counterweight, 
the perfect grid of abiding piers upon which you 
superimpose the moving force of 
brilliant ephemera ...

Sonntag, 23. Oktober 2022

Made in Italy: Luciano Barbera

Das Made in Italy auf dem Etikett genügt Lucianao Barbera heute nicht mehr, es gibt schon Hemden seiner Firma, auf deren Etiketten entirely manufactured in Italy steht. Luciano Barbera hat immer dafür gekämpft, dass das Made in Italy auch Made in Italy bedeutet. Erst seit 2009 ist das durch ein Gesetz halbwegs geregelt, aber das bedeutet keineswegs, dass alle Teile eines Oberhemds in Italien hergestellt sein müssen. Wenn man die Hemden in Vietnam herstellen lässt, wie van Laack und Charles Tyrwhitt das tun, aber noch zwei von vier Arbeitsschritten in Italien ausgeführt werden, dann ist das Hemd immer noch Made in Italy. Luciano Barbera hatte von seinem Vater die 1949 gegründete Weberei Carlo Barbera geerbt. Aber er hatte immer weniger Kunden: So konnte man 2010 in der New York Times in einem Artikel mit dem Titel Is Italy too Italian? lesen: When describing the ills of his businesses, Mr. Barbera tends to focus on one issue: the 'Made in Italy' label. For the last decade, he says, a growing number of clothing designers have been buying cheaper fabric in China, Bulgaria and elsewhere and slapping 'Made in Italy' on garments, even if those garments are merely sewn here. Das Hemd hier ist meins, es hat mich bei ebay zehn Euro gekostet, keine 270 Euro, die die Firma dafür verlangt. Ich habe das Hemd wegen der schönen blauen Streifen gekauft, nicht wegen des Namens auf dem Etikett.

Im Jahre des Interviews mit der New York Times ging es Luciano Guglielmo Barbera nicht so gut, er hatte gerade die Aktienmehrheit der Weberei für über drei Millionen Euro an die Firma Kiton verkauft. Der immer elegante Luciano Barbera durfte in der Firma bleiben. Seine eigene Luciano Barbera Kollektion (die es seit 1971 gibt) blieb von dem Deal unberührt. Die Stoffe von Barbera zählen mit zum Besten, was in Italien gewebt wird, zählen aber auch zu den teuersten. Was eben zu der finanziellen Schieflage der Firma führte. Luciano Barbera hat auf seiner Internet Seite die Gründung der Firma in witziger Kürze so geschildert: In 1950, Carlo Barbera, my father, took over a fabric mill near the town of Biella. The hilly town, part of the Piedmonte region, is cold and damp but that's unfortunately why it was--and is--the home of the finest fabric mills in Italy. All the same, upon his arrival, my Dad threw out half of the looms he found on site. Rip, thump, crash! The trash-haulers of Biella groaned under the burden of his rejects. Was he mad? Remember, he was already inheriting the best machinery in Italy. No, he just wanted better. His targets were royalty: English Lords, Dukes, titans of industry, this at a time when war-ravaged Italy had a GDP roughly the size of Madagascar's.. 

Entirely Manufactured in Italy steht auf der Seite seiner Firma, und man kann da auch noch lesen: We view manufacturing in Italy as an art form, the result of unique and invaluable knowledge passed down for generations, resulting in the highest quality garments. So etwas Ähnliches steht auf den kleinen Heftchen, die jedem Hemd beigegeben sind. Die Qualität von Luciano Barbera war von Anfang an hoch. Die Jacketts der collezione sartoriale hand made in Italy kamen von Attolini, mehr geht nicht. Neuerdings gibt es auch Hemden von Attolini (mit dem Stoff von Carlo Riva), so etwas kostet bei Michael Jondral (dem Nachfolger von Heinrich Zapke) 450 Euro. Ich weiß nicht, ob Attolini die Hemden selbst herstellt, oder ob sie die von irgendeiner camiceria beziehen. Das weiß man bei großen Namen nie. Auch bei Luciano Barbera nicht. Die Hemden haben alle ein Etikett von Grilux, das ist die von Barbera 1975 gegründete Firma, die die Kleidung von Luciano Barbera vertreibt. Die im Internet allerdings häufig mit dem Zusatz in liquidazione auftaucht.

Vielleicht hätte Luciano Barbera lieber die Finger von der Konfektion lassen und sich auf die von seinem Vater Carlo geerbte Weberei konzentrieren sollen. Er ist in das Geschäft durch Zufall hineingeraten. Dieses Photo von Ugo Mulas sah Murray Pearlstein, der Besitzer des Luxusladens Louis in Boston, im Jahre 1962 in der italienischen Fachzeitschrift L'Uomo Vogue. Er war von dem abgebildeten Gentleman so begeistert, dass er nach Italien reiste, um Luciano Barbera zu überreden, eine eigene Modelinie zu machen, die er dann in Boston verkaufen würde. Mr. Pearlstein, I have no collection. I have only my own suits, sagte Luciano. Pearlsteins Antwort war: You have talent. You should design your own collection. Für ihn war der elegante Barbera ein Fashion Icon, das er verkaufen konnte. Und er sah, dass dieser Mann diesen Stil hatte, von dem Ralph Lauren mit seiner Purple Label Collection nur träumte.

Das war der Beginn der American connection für Barbera, der heute 65 % seiner Kollektion in die USA verkauft. Pearlstein hatte ein Händchen für Talente, Joseph Abboud stellte er mit achtzehn ein. Den Laden Louis in Boston gibt es seit dem Juli 2015 nicht mehr, die Tochter von Murray Pearlstein wollte mit sechzig Jahren aufhören und keine neuen Mietverträge mehr abschließen müssen. Das Alter ist für Luciano Barbera kein Thema, sein Vater Carlo wurde einhundertundzwei Jahre alt, er ist jetzt vierundachtig und ist mit seinen fünf Kindern noch immer im Geschäft. Das ihm nur noch zum Teil gehört, der Schweizer Philippe Camperio, der 2017 auch Borsalino gekauft hat, hat die Aktienmehrheit. Und er hat die Devise, eingeschlafenen ikonischen Marken neuen Schwung zu verleihen.

Lohnt es sich, ein Luciano Barbera Hemd zu kaufen? Für zehn Euro unbedingt. Das Hemd ist geräumig, nix mit slim fit oder solchem Unsinn. Und es hat auch Bewegungsfalten im Rücken, die müssen bei einem guten Hemd sein. Der Stoff ist erstklassig, das Hemd hat aber kein Label des Stoffherstellers. Also Namen wie Albini, Thomas Mason, Carlo Riva oder Canclini. Solche Etiketten erwartet man in dieser Preisgruppe auch nicht, man findet das eher bei preisgünstigeren Hemden, bei denen durch ein solches Etikett eine höhere Qualität suggeriert werden soll. Das Hemd hat erstklassig genähte Knopflöcher, nicht handgenäht, aber erstklassig. Da kann sich die Firma Etro mal ein Beispiel nehmen. Auf dem Ärmelschlitz ist kein Knopf, das haben englische Hemden auch nicht. Vielleicht hat Barbera das aus England mitgebracht. Denn nach seiner Ausbildung am ITIS Q. Sella in Biella hat er in Bradford und Leeds studiert. Ob Knopf oder nicht auf dem Ärmelschlitz, das wahre Qualitätsmerkmal für ein Hemd liegt daneben. Und das sind die Falten, mit denen der Ärmel in die Manschette eingefältelt wird. Drei Falten neben dem Ärmelschlitz sprechen hier von Qualität. Die hat dieses Hemd, und es hat noch mehr. Es hat auch noch Falten an der Schulter, weil der Ärmel von Hand eingesetzt worden ist.        

Aber erstaunlicherweise hat es keine Musterangleichung an die Passe. Das habe ich bei Luxushemden schon häufiger gesehen. Dies hier ist ein Hemd von Kiton, doppelt so teuer wie Barbera. Man kann die Falten im Schulterbereich sehen, man kann aber auch sehen, dass es auch hier keine echte Musteranpassung gibt. Das bleibt mir ein Rätsel. Es ist gut, dass einem die neapolitanischen Hemdenschneider noch Rätsel aufgeben. Das Barbera Hemd mit den blauen Streifen ist gut, aber es ist nicht mein bestes Hemd. Es kommt qualitativ an das Hemd von Lilian Fock nicht heran; an das Hemd von Tom Reimer, das nie im Leben eine Nähmaschine gesehen hat, auch nicht. Aber von den beiden anderen Barbera Hemden, die ich vor über zwanzig Jahren in einem Secondhand Laden fand, ist noch nie ein Knopf abgefallen. Das ist doch auch mal etwas.

Donnerstag, 20. Oktober 2022

Jean-Pierre Melville

Heute vor 105 Jahren wurde der französische Regisseur Jean-Pierre Melville geboren. Er war schon häufig in diesem Blog, zum Beispiel in den Posts Lino Ventura und Yves Montand, in denen viel über seine Filme steht. Seine Filme kann man heute beinahe alle als DVD erhalten, das war vor zehn Jahren noch nicht so. Da war es so gut wie unmöglich, die DVD von La Deuxieme Souffle zu bekommen. Es ist erstaunlich, wie wenig es an Literatur über den Mann gibt, der den französischen Gangsterfilm perfektioniert hat. 1973 erschien in Paris Rui Nogueiras Le cinema selon Melville, das 2002 von Robert Fischer als Kino der Nacht: Gespräche mit Jean-Pierre Melville übersetzt und herausgegeben wurde (die englische Ausgabe erschien als Melville on Melville in der Reihe Cinema One). Ich habe von diesem Buch hier eine Leseprobe. Der Filmjournalist Robert Fischer weiß alles über den französischen Film, er wird in diesem Blog schon in dem Post François Truffaut erwähnt.

Das Buch Jean-Pierre Melville, das Peter W. Jansen und Wolfram Schütte für die Stiftung Deutsche Kinemathek bei Hanser herausgegeben haben, kann man immer noch antiquarisch finden. Es enthält als Herzstück eine 110-seitige kommentierte Bibliographie aller Melville Filme von Hans Gerhold, einem Kenner des französischen Films. Sein Buch Kino der Blicke: Der französische Kriminalfilm habe ich schon in dem Post Alain Delon zitiert. In dem von Ivo Ritzer herausgegeben Band Polar: Französischer Kriminalfilm gibt es ein Kapitel über Melville von Bernd Kiefer. Dieses Buch habe ich schon in dem Post Ertrinken verboten erwähnt. Beim British Film Institute ist 2003 das Buch Jean-Pierre Melville: An American in Paris von Ginette Vincendeau erschienen, das war neben Melville on Melville das erste Buch über Melville in englischer Sprache. In Frankreich sind vor fünf Jahren noch zwei Bücher über Melville erschienen: Jean-Pierre Melville, le solitaire von Bertrand Tessier und Jean-Pierre Melville, une vie von Antoine de Baecque. Viel mehr gibt es leider nicht.

Melville schuf sich in seinen Filmen seine eigene Welt, eine filmische Mythologie der Leere, wie Bernd Kiefer das fomuliert hat. Melville war Regisseur, Autor und Produzent, der einzige auteur complet des französischen Films. Er war Soldat gewesen, war aus Dünkirchen dank der Operation Dynamo entkommen und danach in den Widerstand gegangen. Je désire servir sous le nom de Melville, hatte er 1943 in London auf das Dokument des FFL geschrieben. Er verehrte Herman Melville, seit er als Jugendlicher Pierre, or the Ambiguities gelesen hatte: Ich entdeckte Melville, als ich lange vor Jean Gionos 'Moby Dick'-Übersetzung auf englisch 'Pierre, or the Ambiguities' las, ein Buch, das mich für immer geprägt hat ... Was ich von Herman Melville halte, geht viel tiefer als ein brüderliches Gefühl, es ist beinahe die Bewunderung eines Sohnes. Herman Melville ist mein Vater, mein Großvater, mein älterer Bruder - das heißt, ich bewundere ihn nicht nur grenzenlos, sondern empfinde auch Respekt vor ihm. In der Tat , würde mich jemand fragen, wer ich gerne in meinem Leben gewesen wäre, so würde ich ohne Zögern antworten: Herman Melville.

Nach dem Kriege gründete Jean-Pierre Melville seine eigene Produktionsfirma und hatte mit den Studios Jenner in Paris seine eigenen Studios. Hier kann er sich die amerikanischen Filme ansehen, die er liebt. Manche dreißig oder vierzig Mal. Sein Lieblingsfilm ist John Hustons ✺Asphalt Jungle. Melvilles Markenzeichen wird die Ray Ban Sonnenbrille und der weiße Stetson Hut, den er auch während der Dreharbeiten nie abnahm. Was wäre Alain Delon in ✺Le Samourai ohne seinen Burberry und seinen Borsalino? Aber für Melville musste es der amerikanische Stetson sein und der weiße Ford Galaxy, mit dem er nachts durch ✺Paris fährt. Weil er den amerikanischen Gangsterfilm neu erfindet. Und weil seine Filme eigentlich Western sind: Alle meine Originaldrehbücher sind ohne Ausnahme transponierte Western, hat er in dem Interview mit Rui Nogueira gesagt. 

Melvilles Gangster sind sein Phantasieprodukt: Ich habe nie, wirklich nie, realistische Gangsterfilme gemacht. Denn es gibt nichts Langweiligeres und Idiotischeres als das französische Gangsterleben. Deshalb habe ich die Funktion des Gangsters neu erfunden und idealisiert. Ich habe 'französisch' gesagt, aber das gleiche gilt für das Gangstertum der ganzen Welt. Gangster sind Dummköpfe. Ich habe eine Gangster-Rasse erfunden, die nirgends auf der Welt existiert - auch nicht in den USA. Mein Gangster-Typ entspringt nur meiner Phantasie. Er erlaubt es mir, eine Geschichte zu erzählen. Er ist in allem ein Vehikel für ein Abenteuer, für ein - ich wiederhole es - geträumtes Abenteuer. Niemals bin ich dabei auf Realismus aus. 

In der Welt des Kriminalfilms und des Film Noir tragen Gangster und Polizisten beinahe immer einen Trenchcoat. Heinz Rühmann ist als Maigret ein trauriger Beweis dafür, dass nicht jedermann einen Trench tragen kann. Auch Melville sah im Trenchcoat ziemlich peinlich aus, da war es schon besser, dass seine Filmhelden Montand, Ventura, Belmondo und Delon den trugen. Wo seine Filme von einer faszinierenden kalten Schönheit, konsequent unrealistisch, ästhetisiert, stilisiert, permanent voll kühler, sirrender Spannung doch sowieso nichts mit der Wirklichkeit der Unterwelt von Paris zu tun hatten und nur die Realisierungen seiner Träume waren. Der Trenchcoat war für viele Schauspieler das perfekte Kleidungsstück. Sah Alan Delon jemals wieder so gut aus wie in Der eiskalte Engel? Verdankt nicht Humphrey Bogart seinen Mythos seinem Regenmantel? Er hat es selbst gesagt: The role doesn't bother me. I've been doing the role for years. I've worn that trench coat of mine in half the pictures I've been in.

Die Trenchcoats werden als vestimentäres Symbol in dem Genre bleiben, bis zur Karikatur in der Sesamstraße, wo wir diesen Detektiv, aber auch Sherlock Humbug (im Original Sherlock Hemlock), finden. Sie haben bei uns ihre große Zeit in den Edgar Wallace Filmen. Die sind ohne Trenchcoats gar nicht denkbar (lesen Sie mehr dazu in Hexer, Zinker et al.). Alle tragen Regenmäntel, ob sie nun Joachim Fuchsberger, Heinz Drache oder Siegfried Lowitz heißen. Nur Siegfried Schürenberg als Chef von Scotland Yard nicht. Gangster und Kommissare können Trenchcoats tragen, Chefs tun das nicht.

Auf einer filmisch etwas höheren Ebene als dem German Grusel der sechziger Jahre finden wir den Trenchcoat im französischen Kriminalfilm. Hier sehen wir Yves Montand in ✺Le cercle rouge, einem Klassiker von Jean-Pierre Melville, den viele Kritiker für seinen besten Film halten. Und, seien wir ehrlich, Yves Montand oder Alain Delon hätte nie eine Schimanski Jacke getragen. Die französischen Schauspieler haben immer gute Schneider (lesen Sie mehr dazu in dem Post Lino Ventura). Horst Tapperts Anzüge in der Sendung Derrick stammten angeblich alle von Max Dietl, sie sehen aber alle nicht nach einem Maßanzug, sondern eher nach Cheap & Awful aus.

In Le cercle rouge (Vier im roten Kreis) trägt auch André Bourvil als Commissaire Mattei einen Trenchcoat. Die Grenzen haben sich verwischt, in der Welt von Melville sind Gut und Böse nicht mehr zu unterscheiden, Gangster und Polizisten tragen dieselben Klamotten: Die Austauschbarkeit von Gangstern und Polizisten manifestiert sich in den Details der Ikonographie Melvilles: In beiden Welten werden lange schwere Mäntel getragen, breitkrempige Hüte, dunkle korrekte Anzüge oder emblematische helle Trenchcoats mit Gürtel und hochgeschlagenem Kragen, schreibt Hans Gerhold. 

Melville hatte das selbst gesagt: Ich habe in meinen Gangsterfilmen immer wieder versucht, den Polizisten stark dem Gangster und den Gangster stark dem Polizisten anzugleichen. Sie sind meist ähnlich gekleidet, und oft fragt sich der Zuschauer, welches wohl der Polizist und welches der Gangster ist - man kann und man soll sich darüber täuschen. Melville hätte gern Lino Ventura als Kommissar gehabt, aber mit dem hatte er sich verkracht. Bourvil zu nehmen, war ein Wagnis, denn der war in Frankreich nur als Komiker bekannt. Aber Bouvil war genau der Richtige in der Rolle. Er wollte diese Rolle auch haben, niemand wusste, dass er todkrank war und nach den Dreharbeiten sterben würde. Einem Freund hatte er über seine Krankheit gesagt: C'est injuste, je n'ai jamais fumé, ni bu, ma femme m'a toujours soigné avec une cuisine saine. Den fertigen Film hat Bouvil nie gesehen.

Es gibt wenig Frauen in Melvilles maskuliner Phantasiewelt, vor allem keine nackten Frauen. Bilder wie hier Fabienne Dali in Le Doulos sind selten: Ein Mann und eine Frau im Bett, Frauen, die sich ausziehen - das ist kaum mehr zu ertragen. Wir sind sehr weit von dem berühmten amerikanischen Kino der dreißiger Jahre entfernt, wo die Erotik auf einem anderen Niveau warDas war wahre Erotik, die die sexuellen Instinkte der Männer und Frauen kitzelte. Im übrigen gab es damals, als die Frauen auf der Leinwand völlig angekleidet waren, mehr Erotik als heute, wo sie oft ganz nackt sind, sagt Melville. Was Melville hier meint, trifft auch auf den amerikanischen Film Noir zu, auf Filme wie Gilda oder die Filme von Jacques Tourneur.

Im vorletzten Film von Melville gibt es keine Frauen: Ich kehre zu einer alten Liebe zurück, dem Krimi, dem Abenteuerfilm. Zu einem physischen Kino mit Männern. Es gibt keine Frauen in meinem Film, das habe ich nicht absichtlich gemacht, ich bin nicht frauenfeindlich. Aber als ich das Drehbuch schrieb, merkte ich, dass es einfach keinen Platz für Frauen gibt, hat Melville über Le cercle rouge gesagt. In seinem letzten Film hatte er wenigsten Catherine Deneuve für uns. Sie zog sich in Un Flic allerdings auch nicht aus. Und hatte auch nicht viel zu sagen: Dans 'Un flic', il y a une femme qui dit en tout et pour tout: 'Ca va?'. Et une heure et demie plus tard décroche un téléphone et dit: 'Oui'. Et c'est Catherine Deneuve qui a accepté de la faire. Elle a compris qu'étant la seule femme du film tout à coup sa présence devient importante.

Manchmal war Melville vor der Kamera zu sehen, am berühmtesten ist vielleicht sein Auftritt in A Bout de Souffle, wo er einen Schriftsteller namens Parvulesco spielt: Ich habe zugesagt, Parvulesco zu 'spielen', um Godard eine Freude zu machen. Er hatte mich in einem Brief aufgefordert, in seinem Film zu spielen: 'Versuch über Frauen zu sprechen, wie Du gewöhnlich über sie sprichst.' Das habe ich getan. Für die Rolle habe ich mich von Nabokov inspirieren lassen, den ich in einem Fernsehinterview gesehen hatte. Ich war wie er scharfsinnig, eitel, selbstbewußt, ein bißchen zynisch, naiv usw. Wenn ihn in diesem Film Jean Seberg in einem ✺Interview fragt: Nach was streben Sie in Ihrem Leben am meisten? sagt er: Nach Unsterblichkeit. Unsterblich werden und dann sterben. Und dann nimmt Jean Seberg ihre Sonnenbrillle ab und steckt einen Brillenbügel in den Mund. Sie scheint über den Satz nachzudenken. Ich weiß nicht, ob das so im Drehbuch stand oder ob der Satz von Melville ist. Wir lassen dieses devenir immortelle et plus mourir mal so stehen, es passt zu ihm.


Ich habe hier noch den Dokumentarfilm ✺Melville, le dernier samouraï für Sie. Und einige Filme, die Sie sehen könnten. Sollten. Müssen: ✺Bob le Flambeur, ✺Le Doulos, ✺La Deuxieme Souffle, ✺Le cercle rouge, ✺Le Samourai, ✺Un Flic

Sonntag, 16. Oktober 2022

Stendhal Biographien

Heute vor zweihundertzehn Jahren verläßt Stendhal (zwei Tage vor Napoleon) das brennende Moskau. Seine Schwester hatte ihm Goldstücke in den Mantel eingenäht, aber das hatte er vergessen, er gibt den Mantel in Wilna, dem Leichenhaus der Grande Armeee, weg. Ich nehme das Datum vom 16. Oktober 1812 mal eben als Anlaß, einen kleinen Forschungsbericht über die Stendhal Biographien, die in deutscher Sprache erhältlich sind, hier einzustellen. Man kann Stendhal lesen, ohne seine Biographie zu kennen. Ich liebe aber nun mal Biographien; diejenigen Leser, die diesen Blog seit seinen Anfängen lesen, wissen das. 

Stendhal hat selbst eine Autobiographie verfasst, die La Vie de Henri Brulard heißt (hier im Volltext), aber kann man ihm glauben? Mit seinem Erinnerungsvermögen ist das so eine Sache: Je manque absolument de mémoire pour ce qui ne m'intéresse pas. Stefan Zweig sagt in dem Kapitel Lügenlust und Wahrheitsfreude (Volltext) in seinem Buch Drei Dichter ihres Lebens: Wenige haben mehr gelogen und leidenschaftlicher die Welt mystifiziert als Stendhal, wenige besser und profunder die Wahrheit gesagt. Und er fährt fort: Seine Maskenspiele und Irreführungen zählen nach Regimentern. Noch ehe man ein Buch aufschlägt, springt die erste schon vom Umschlag oder aus der Vorrede entgegen, denn niemals bekennt sich der Autor Henri Beyle schlicht und simpel zu seinem wirklichen Namen. Bald legt er sich eigenmächtig ein Adelsprädikat zu, bald verkleidet er sich als »César Bombet« oder fügt seinen Initialen H. B. ein geheimnisvolles A. A. bei, wohinter kein Teufel das höchst bescheidene »ancien auditeur«, zu gut deutsch: ehemaliger Staatsauditor, vermuten dürfte; nur im Pseudonym, in der Falschmeldung fühlt er sich sicher. 

Einmal maskiert er sich als österreichischer Pensionist, ein andermal als »ancien officier de cavalerie«, am liebsten mit dem seinen Landsleuten rätselhaften Namen Stendhal (nach einem kleinen preußischen Städtchen, das unsterblich wurde durch seine Karnevalslaune). Setzt er ein Datum, so kann man schwören, es stimmt nicht, erzählt er in der Vorrede zur »Chartreuse de Parme«, dieses Buch sei 1830, und zwar zwölfhundert Meilen weit von Paris, geschrieben, so hindert diese Eulenspiegelei nicht, daß er diesen Roman in Wirklichkeit 1839, und zwar mitten in Paris verfaßte. Auch in den Tatsächlichkeiten stolpern die Widersprüche munter durcheinander. In einer Selbstbiographie berichtet er pompös, er sei bei Wagram, Aspern und Eylau auf dem Schlachtfeld gewesen; kein Wort davon ist wahr, denn unwiderleglich beweist das Tagebuch: er saß zu ebenderselben Stunde noch behaglich in Paris. Einigemal redete er von einem langen und wichtigen Gespräch mit Napoleon, aber, Verhängnis! im nächsten Band liest man bedeutend glaubhafter das Geständnis: »Napoleon unterhielt sich nicht mit Narren meiner Art.« So muß man bei Stendhal jede einzelne Behauptung mit vorsichtigen Fingern anfassen...

Die erste große Stendhal Biographie, die ich las, hieß A Lion for Love: A Critical Biography of Stendhal (man kann sie hier im Volltext lesen). Sie ist 1979 bei Basic Books in New York erschienen (das ist die Ausgabe, die ich habe), sieben Jahre später gab es sie bei der Harvard University Press als Paperback. In Deutschland gab es sie 1982 bei Hanser und 1985 als Taschenbuch bei Ullstein. Ab 1992 hatte Rowohlt den Titel im Programm, offensichtlich schien in Deutschland ein Bedarf für eine Stendhal Biographie zu sein. Robert Alter ist Professor für Vergleichende Literaturwissenschaft in Berkeley. Er hat in Harvard promoviert, das sollte schon für eine gewisse Qualität bürgen. Tut es auch. Diese Biographie gehört zu dem Besten und Lesbarsten, was über Stendhal geschrieben wurde. Als Mitarbeiterin fungiert im Titel Carol Cosman, das ist die Ehefrau von Robert Alter. Die kennt sich in der französischen Literatur auch aus, sie hat immerhin Sartres Monsterwerk über Flaubert Der Idiot der Familie ins Englische übersetzt. A Lion for Love ist ein erstaunliches Buch über den Mann, der für seine Suche nach dem Glück den Namen beylisme erfunden hatte. Es ist keine trockene Biographie zweier Akademiker, es ist auch schon ein Stück kongenialer Literatur. Es besitzt eine gewisse Magie - als ich es gelesen hatte, habe ich es gleich ein zweites Mal gelesen. Wenn man Stendhal mag - und wer könnte diesen Autor nicht mögen? - dann sollte man dieses Buch, das erstaunlicherweise keine Anmerkungen und keine Bibliographie besitzt, unbedingt lesen! Manchmal sind Bücher, die auf jeden wissenschaftlichen Apparat verzichten, die besten. A.G. Macdonells Napoleon and his Marshals wäre solch ein Beispiel.

Ich bin übrigens nicht der einzige, der das Buch gut findet. Beifall kam von so unterschiedlichen Schriftstellern, wie Anita Brookner (An excellent and balanced biography) und Larry McMurtry ('A Lion for Love' is a model of critical biography—a fascinating biography of a fascinating man). Und natürlich von Kritikern. So John Simon: The publication of 'A Lion for Love', by Robert Alter with the collaboration of his wife, Carol Cosman, supplies at last a fine, perceptive, concise critical biography of Stendhal, written with a clarity and good sense worthy of its subject... Alter and Cosman...wear their erudition with becoming lightness. Ähnlich äußerte sich John Sturrock (Mitherausgeber des Times Literary Supplement) im New York Times Book ReviewThis excellent short biography... brings out both the charms and the complexities of Stendhal. The tone of the book is discreetly admiring, but ironic enough when need be to remind one of the saving and consummate irony of its subject. Sie sehen, wenn Sie sich jetzt ein Exemplar von A Lion for Love bestellen, sind Sie auf der sicheren Seite. Dieser Text stand hier vor neun Jahren schon einmal in dem Post Stendal/StendhalUnd wenn Sie das dazu nehmen, was in dem Post Paul Hazard, immortel steht, dann wissen Sie schon eine Menge über Stendhal Biographien.

Beim Hanser Verlag ist nicht nur die Biographie von Alter und Cosman erschienen, 2010 brachte man eine neue Biographie von Johannes Willms, dem Frankreich Korrespondenten der Süddeutschen, heraus. Der sah diese Biographie, wie er im Nachwort sagt, als eine Art Begleitbuch zu den Übersetzungen von  Rot und Schwarz und Die Kartause von Parma durch Elisabeth Edl, die neu  bei Hanser erscheinen waren. Willms erwähnt zwar die großen französischen Übersetzungen, die ich hier mal auslasse, aber damit hört es schon auf. Die weltweit gefeierte Biographie von Robert Alter und Carol Cosman bekommt bei ihm keine Erwähnung. Paul Hazard erst recht nicht. Ist das jetzt Snobismus oder Ignoranz? Die einzige deutsche Biographie, die Willms erwähnen könnte, ist die von Wilhelm Weigand aus dem Jahre 1923. Die kennt der Autor allerdings nicht, weil er offenbar nur Weigands Stendhal Essay aus dem Jahre 1911 gelesen hat.

Die Rezensionen waren weitgehend positiv. Es klang, als hätte es noch nie eine deutschsprachige Stendhal Biographie gegeben: Willms hat eine farbenfrohe, wunderbar süffige Biographie Stendhals vorgelegt. Ein grandioser Autor, dessen Leben selbst das Zeug zum Reißer hat - man wünscht Willms Vita und Stendhals Werk viele Leser, schrieb Niklas Bender in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Und auf einer Seite mit dem Namen Glanz&Elend kann man lesen: Ein großartiges Porträt des opportunistischen Kotzbrockens, verkappten Frauenhelden und literarischen Außenseiters Marie-Henry Beyle, der sich Stendhal genannt hat. Es liest sich wie ein balzacscher Roman und ein lange nachklingendes Sittenbild der ausgehenden napoleonischen Epoche. Johannes Willms, der Erfinder des Literarischen Quartetts, hat die französische Stilschule mit summa cum laude absolviert und gehört zu den besten Biographen unserer Zeit. Das fällt wohl eher unter die Kategorie Elend. Es ist eine gut geschriebene und gutlesbare Biographie, die allerdings nicht sehr tief geht. Otto Flakes kurzer Versuch über Stendhal aus dem Jahre 1947 bietet inhaltlich mehr. Bei vielen neueren Biographien stellt sich die Frage von Laurence Sterne: Shall we for ever make new books, as apothecaries make new mixtures, by pouring only out of one vessel into another?

In den 1920er Jahren kommen in Deutschland gleichzeitig drei Stendhal Gesamtausgaben auf den Markt, eine im Insel Verlag, eine vom Propyläen Verlag in Berlin und eine bei Georg Müller in München. Stefan Zweig kommentierte das 1925 so: Alle drei halten sie vorläufig ungefähr gleich weiten Schritt, ich persönlich möchte bisher der Propyläenausgabe den Vorzug geben wegen ihrer zauberhaften Ausstattung, des reizenden Einbands, des guten Drucks, des angenehmen Formats, der trefflichen Übertragung von Arthur Schurig und Friedrich Oppeln-Bronikowski, diesen beiden wohlbewährten und gerade im Falle Stendhal besonders verdienten Übersetzern. Das ist die Ausgabe, die bei mir im Regal steht, die mir Eschi vor vielen Jahren für dreißig Mark verkauft hat.

Die Propyläen Ausgabe ist eigentlich nichts anderes als die Neuauflage der Ausgewählten Werke, die im Eugen Diederichs Verlag in Jena zwischen 1900 und 1911 erschienen waren. Hier war als Band 1 Stendhals Rot und Schwarz im Jahre 1900 erschienen, zum erstenmal in deutscher Sprache. Stendhal hatte gesagt: Meine Bücher betrachte ich als Lotterielose, ich schätze sie erst, wenn sie um 1900 neu gedruckt werden. Er hat es mit der Zukunft: Je serai compris vers 1900. Für Deutschland hatte er einen Lotteriegewinn, jetzt werden hier seine Bücher gedruckt. Interessant ist die Ausgabe von Franz Blei und Wilhelm Weigand bei Georg Müller (die von Rudolf Lewy und Erwin Rieger übersetzt wurde) dadurch, weil es hier noch zusätzlich eine Biographie Stendhals von Wilhelm Weigand gibt: Das vorliegende Buch über Stendhal ist aus einem Versuch entstanden, den ich, vor mehr als zehn Jahren, im Insel-Verlag veröffentlicht habe. Inzwischen hat der Ruhm des großen französischen Psychologen eine weitere Steigerung erfahren: die monumentale Ausgabe seiner gesammelten Schriften, die bei Edouard Champion in Paris erscheint, macht es den Freunden des seltenen Mannes möglich, seine Werke endlich in würdiger Ausstattung zu genießen, und auch die Stendhalforscher sind, wie billig, nicht müßig gewesen. Beim Insel Verlag gab es 1921 noch den 800-seitigen Band Das Leben eines Sonderlings, in dem Dr Arthur Schurig alles an Briefen, Tagebucheintragungen und autobiographischen Selbstzeugnissen gesammelt hatte.

Erstaunlicherweise erwähnt Wolfram Krömer in dem Stendhal Band in der Reihe Erträge der Forschung die Biographie von Weigand überhaupt nicht, zitiert dort aber ein so fragwürdiges Werk wie Carl Baumanns Literatur und Intellektueller Kitsch: Das Beispiel Stendhals. Zur Sozialneurose Der Moderne. Weigands Biographie war 1923 state of the art, und sie ist nach hundert Jahren immer noch lesbar. Erstaunlich gut lesbar. Ich habe fünf Euro für mein Exemplar bezahlt, der Willms hat mich 1,81 € gekostet. Ist vielleicht mehr wert, ist aber nicht so gut wie Wilhelm Weigand, der auch eine Biographie von Montaigne geschrieben hat, die der Diogenes Verlag wieder auf den Markt brachte. Der staubtrockene Forschungsbericht von Krömer stand bei mir im Regal, wo sich auch der Stendhal Roman von Hans Christian Kirsch fand, der aus dem Grabbelkasten stammt. Ist nett, aber lange nicht so gut wie der Roman Stendhal oder Das Leben eines Egoisten von Rudolf Kayser. Dass ich für Margit und Volker Ebersbachs Ich liebe, also bin ich: Stendhal. Ein biographischer Essay Geld ausgegeben habe, ärgert mich immer noch. Das Buch aus dem Shaker Verlag (der alles druckt, wenn's der Autor bezahlt) braucht niemand. Und die Autoren können noch nicht mal den Namen Paul Hazard richtig schreiben. Eine der neuesten Publikationen ist Anna-Lisa Dieters Eros – Wunde – Restauration: Stendhal und die Entstehung des Realismus, für so etwas bin ich zu alt.

Ich komme auf die Biographien zurück und muss zum Schluss die Stendhal Biographie von Michael Nerlich erwähnen, die in der Reihe der Rowohlts Monographien erschienen ist. Über diese Reihe habe ich in dem Post Ernst Rowohlt geschrieben: Wofür ich dem Rowohlt Verlag wirklich dankbar war - und immer noch bin - das waren seine Reihen: Rowohlts Klassiker der Literatur und der Wissenschaft, rowohlts deutsche enzyklopädie und Rowohlts Monographien. Die Rowohlts Klassiker (RK) halfen mir, durch die Weltliteratur zu kommen; die von Kurt Kusenberg (der auch Jacques Prévert übersetzt hatte) herausgegebene Reihe der Rowohlts Monographien half mir, alles über die Autoren zu wissen. Ich habe beinahe zwei Regalmeter von der rm Reihe. Nicht alle Bände sind gut, den über Proust mag ich gar nicht, das steht schon in dem Post Temps retrouvé. Aber dieser Band, der ein Jahr nach der Biographie von Willms (und siebzig Jahre nach der Biographie von Weigand) erschien, ist wirklich gut. 

Der Band ist von einem Romanistikprofessor geschrieben, der ein bisschen tiefer geht als der SZ Redakteur Willms. Und der viele Bilder im Buch hat, auch Bilder von Stendhal, die in Googles Bilderflut nicht zu finden sind. Erstaunlicherweise findet sich im Internet kaum eine Rezension von Nerlichs Biographie, die Rezensionen zu Johannes Willms kann man kaum zählen. Bevor Michael Nerlich den Rowohlt Band schrieb, tauchte Stendhal in Apollon et Dionysos ou la science incertaine des signes. Montaigne, Stendhal, Robbe-Grillet in seinen Schriften auf. Und er hat bei Goldmann 1982 Die Kartause von Parma herausgegeben, das war die alte Übersetzung von Erwin Rieger aus der Georg Müller Ausgabe, die in den fünfziger Jahren bei Rütten & Loening  neu erschienen war. Die Übersetzungen der drei deutschen Gesamtausgaben aus den zwanziger Jahren halten sich, manchmal mit leichten Überarbeitungen, immer noch auf dem Markt. Elisabeth Edl, die für Hanser Rot und Schwarz und Die Kartause von Parma übersetzt hat, hat nichts Nettes über diese alten Übersetzungen zu sagen. Aber das ist eine andere Geschichte in einem anderen Post.