Wenn man sich an nur einen Film von Vittorio Gassman erinnern sollte, dann ist das Bitterer Reis, wo er einen Kleingangster spielt. Der Film ist über sechzig Jahre alt, aber es lohnt sich immer noch ihn anzuschauen. Nicht nur, weil für das Jahr 1949 erstaunlich viel nackte Schenkel zu sehen waren. Es ist ein wenig schade, dass die Fernsehanstalten heutzutage nichts mehr von den vorzüglichen italienischen Filmen der vierziger bis sechziger Jahre zeigen. Vom frühen Visconti bis zum späten Fellini oder Antonioni. Jeder amerikanische Schund, jede zehnfach geklonte amerikanische Serie, wird heute bedenkenlos eingekauft, die Filmkunst bleibt auf der Strecke.
Der große italienische Schauspieler Vittorio Gassman wurde heute vor neunzig Jahren geboren. Wenn Sie Amaro Riso gesehen haben, dann wissen Sie natürlich, dass diese beiden Schönheiten - links Silvana Mangano (gerade neunzehn geworden), rechts Doris Dowling - um seine Liebe ringen. Irgendwie war der Film (vor allem in Deutschland) ein großes Missverständnis, dies war ein sozialkritischer Film des italienischen Neorealismus. In Deutschland wurde er als Ersatz für damals noch nicht vorhandene Pornofilme gesehen. Deshalb ging man ja auch wenig später in Die Sünderin - oder noch später in Sie tanzte nur einen Sommer oder in Liane, das Mädchen aus dem Urwald. Damals war man dem Kino noch dankbar für jeden Quadratzentimeter nackter Haut.
Nicht alles von Gassmans Filmen ist große Filmkunst gewesen. Dass er Brancaleone gedreht hat, nehme ich ihm immer noch persönlich übel. Aber Riso Amaro oder Il Sorpasso mit Jean Louis Trintignant, das war schon richtiges Kino. Viele gute Filme von Vittorio Gassman hat man in Deutschland gar nicht sehen können. Das ist so ähnlich wie mit vielen guten italienischen Luxusklamotten. Das kommt gar nicht über die Alpen, sagte mir der Besitzer eines Herrenmodeladens letztens. Hannibal kam über die Alpen, Napoleon kam über die Alpen, aber versuchen Sie mal, hier ein Hemd von Lilian Fock zu kriegen.
Italienische Filme sind ja auch ein Modelexikon in bewegten Bildern. Das fare una bella figura gilt nicht nur für die Leinwandstars, auch die Regisseure waren immer gut angezogen. Ich habe gerade im Grabbelkasten eines Antiquariats einen Bildband über Marcello Mastroianni gefunden. Lauter Photos von Tazio Secchiaroli, dem Mann, den Fellini in Dolce Vita als Paparazzo verewigt hat. 205 Seiten coole Schwarzweiß Photographie, Marcello Mastroianni konnte ja tragen, was er wollte, er sah immer elegant damit aus.
Photographen, die während der Dreharbeiten eines Filmes mit Genehmigung des Regisseurs photographieren (und die deshalb mehr Zeit für die Bilder haben als die paparazzi), sind natürlich immer interessant. Mein Favorit ist da neben Tazio Secchiaroli unbedingt Federico Patellani. Obgleich man weiß, dass die Photos (hier ein Link zum Archivio Federico Patellani) gestellt sind, wirken bei ihm alle Dargestellten völlig natürlich. Das hier könnten zwei Ehepaare auf dem Spaziergang sein. Vittorio Gassman (im eleganten Mantel) hat Silvana Mangano an seiner Seite, neben Michael Rennie geht Shelley Winters. Shelley Winters und Vittorio Gassman sind gerade frisch geschieden. Kann man ihnen das anmerken? Ich liebe ja diese Photos und diese Geschichten, die sie erzählen - oder besser: nicht erzählen.
Vittorio Gassman, der große italienische Schauspieler, ist nun schon zwölf Jahre tot. Aber in Italien hat man ihn nie vergessen. Wenige Jahre vor seinem Tod hat er mit schöner Selbstironie gesagt: Mi disturba la morte, è vero. Credo che sia un errore del Padreterno. Io non mi ritengo per niente indispensabile, ma immaginare il mondo senza di me... che farete da soli? Ja, was tun wir ohne ihn? Wir könnten uns natürlich eine DVD von Bitterer Reis kaufen. Eine DVD von Il Sorpasso zu bekommen wird schon schwieriger, weil ich gestern Nacht das letzte Exemplar, das es bei Amazon Marketplace gab, für 9.99 gekauft habe.
Ich gabe ihn hier auch für Sie
Hemden von Lilian Fock wird es bald in D geben. Ich würde mich freuen, wenn der geschätzte Verfasser dieses Blog mit mir und Slow-Wear Kontakt aufnehmen würde.
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