Sonntag, 3. Januar 2010

Jazz


Jack Chambers hat ein neues Buch geschrieben, das hat er mir zu Weihnachten mit einer E-Mail mitgeteilt. Jack Chambers ist ein emeritierter Professor für Linguistik an der Universität von Toronto. Er ist als Gelehrter weltberühmt, hat eine Wikipedia Seite, seine eigene Homepage und alles, was man in der brave new world des Internets braucht. Aber es gibt noch einen zweiten Jack Chambers. Der sieht genauso aus wie der erste Jack Chambers, sitzt auch im gleichen Büro in Toronto, aber der ist nicht der Linguist, der ist der Jazzfachmann. Hunderte (tausende?) von Musikkritiken, Artikeln. Und Bücher, wie das Standardwerk Milestones über Miles Davis. Als ich Jack einmal eine seltene Jazzplatte zeigte, stöhnte er auf und sagte: Oh nein, nicht diese Platte.

Die Platte heißt At Last! Miles Davis and the Lighthouse All-Stars, sie ist 1985 bei Bobplicity Contemporary Records erschienen, Jack konnte sie nicht kennen, als er Milestones schrieb. Und Miles Davis hatte ihm erzählt, dass er niemals mit Chet Baker vor dessen Zeit in New York zusammen gespielt habe. Und hier sitzen die beiden auf dem Cover einträchtig nebeneinander. Chet Baker trägt ein scheußliches grünes Hawaihemd, Miles Davis trägt Chinos und ein hellblaues Hemd. Seine Trompete hält er mit beiden Händen, wie er damit gleichzeitig auch noch die Zigarette halten kann, gehört schon in den Bereich der Kunststücke. Dies ist der 13. September 1953, und wir sind in Hermosa Beach in Kalifornien. Die Aufnahme ist durch Zufall entstanden, ein Jazzfan namens Cecil Charles Spiller hat sie an dem Abend mit einem privaten Aufnahmegerät gemacht. Und drei Jahrzehnte später wurde sie endlich veröffentlicht. Mit dem Photo vorne drauf, das Cecil Spiller auch gemacht hat. Inzwischen gibt es die Aufnahme schon auf CD, aber 1985 war man verdammt stolz, wenn man diese Platte ergattert hatte. Jack Chambers' neues Buch heißt Bouncin' with Bartok: The Incomplete Works of Richard Twardzik. Bis zur nächsten Weihnachts E-Mail habe ich es bestimmt gelesen.

1 Kommentar:

  1. Ich dachte, ich hätte die Mail verloren, die mir Jack Chambers im Januar geschickt hat, aber da ich sie wiedergefunden habe, stelle ich sie doch mal hierher, weil es eine so wunderbare Mail ist:

    "Dear Jay-- I am honoured beyond reckoning to find myself in your blogosphere, and treated so well. Your perspicacity led you to my interview with Chet Baker. I have long been interested in the interview as a source of history and/or fact. Memories (as everyone knows) are unreliable, even with people who are more steadfast and reliable than Chet Baker. We live our lives, and we seldom (or never) know if our actions might some day seem important or interesting to someone. Jazz research has been highly dependent upon interviews as sources, and there is seldom documentary evidence from newspapers or other sources to corroborate what the musicians tell us. What they tell us are, at best, approximations of what happened and when, why, where or how it happened.

    Your blogging is prolific, and it seems as if you had stored up all that learning and enthusiasm waiting for the invention of the internet. Your breadth of knowledge is breath-taking. I am honoured to find find myself in company with many of my heroes like Glenn Gould, Herman Melville and whiskey champions like Robert E. Lee and Ulysses S. Grant. From your blog, I learned that Grant was immortalized as a whiskey drinker by Lincoln himself. I discovered many other things as well, including these wonderful lines from Larkin--

    we should be careful
    Of each other, we should be kind
    While there is still time.


    Carefully and kindly
    Jack

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