An diesem Tag vor drei Jahren ist Uwe Nettelbeck gestorben, er wäre heute 70 Jahre alt geworden. Und die schnelllebige Zeit hatte damals schon beinahe vergessen, wer er war. Nicht alle, wie die Nachrufe bewiesen. Er hatte Germanistik in Göttingen und Hamburg studiert, nachdem er das Abitur mit Ach und Krach in einem Internat geschafft hatte. Das Studium hat er nicht beendet, wahrscheinlich war er zu schlau dafür. Plötzlich war er bei der Zeit und machte die etwas verschlafene Hamburger Wochenzeitung mit dem Bremer Stadtwappen zu etwas Aufregendem. Er schrieb Filmkritiken, die über eine ganze Seite gingen, an so etwas ist heute nicht mehr zu denken. Es waren pointierte, wilde Artikel von jemandem, der einen scharfen Verstand und eine eigene Meinung hatte.
So etwas gibt es heute in dieser klebrigen Kuschelkultur nicht mehr. Plötzlich wurde die Zeit von Leuten gelesen, die sich sonst die Cahiers du Cinéma kauften. Er schrieb auch Gerichtsreportagen. Über den Kindsmörder Jürgen Bartsch und über die Baader Meinhof Bande. Er entfernt sich immer mehr von den Leitlinien der Redaktion der Zeit, gibt ein kurzes Gastspiel bei konkret, und macht dann eine Popmusik Kommune in der Lüneburger Heide auf, da wo die gefährlichen Heidschnucken wohnen, wie Madame de Stael schrieb. Er hatte die Tagesschausprecherin Petra Krause geheiratet. Die ist seit einem Selbstmordversuch querschnittgelähmt, aber das sieht man auf dem Fernsehbild nicht. Irgendwann macht er eine Erbschaft und zieht nach Maransin bei Bordeaux, weg aus der verhassten deutschen Republik. Er begründet eine Zeitschrift, die Die Republik heisst und ein wenig so aussieht wie Die Fackel von Karl Kraus. Und der wird zu seinem Vorbild. Die Fackel ist eine Art Einmann Unternehmen, ein exilierter Intellektueller gegen den Rest des Kulturbetriebs. Heute würde Nettelbeck einen Blog im Internet haben.
In der Republik vom 12. Dezember 1988 hat Nettelbeck einen 163 Seiten langen Melville Essay geschrieben, der immer noch eine großartige Einführung in Melvilles Leben und Werk ist. Etwas wie Charles Olsons Call Me Ishmael. Etwas, was man lesen soll, bevor man sich den langweiligen Schriften der amerikanischen Melville Mafia zuwendet. Nettelbeck ist kein Philologe, das abgebrochene Philologiestudium macht sich bemerkbar, es fehlen ihm einige wichtige Standardtexte der Melville Literatur. Seine Philologie ist eher die von Arno Schmidt, dessen Leistung für die deutsche Germanistik man ja nicht unterschätzen sollte.
Sie ist von einer tiefen Liebe zu Autor und Text getragen, das findet man bei vom Staat alimentierten Universitätsprofessoren heute kaum noch. Er bespricht am Anfang des Essays alle deutschen Moby-Dick Ausgaben, wobei er sehr ungerecht zu der Übersetzung von Fritz Güttinger ist. Dessen Moby-Dick in der Manesse Ausgabe habe ich zuerst gelesen, bevor ich ein dutzend Mal die Ausgabe von Mansfield und Vincent gelesen habe. Zu der Übersetzung von Friedhelm Rathjen möchte ich nichts sagen. Man kann sie wegen der schönen Holzschnitte von Rockwell Kent kaufen. Mit dem Schweizer Übersetzer Güttinger verbindet mich eine jahrzehntelange Brieffreundschaft, und auf den lasse ich nichts kommen. Nettelbecks Melville Esssay, der zu Hälfte aus klug montierten Melville Zitaten besteht, ist eine tour de force. Mit einem rührenden Ende. Und wir haben am Ende das Gefühl, dass wir Herman Melville kennen, von dem man trotz der 1.800 Seiten von Hershel Parkers Biographie so wenig weiß. Ich habe Nettelbeck gelesen, mich manchmal über ihn geärgert, ihn manchmal gehasst. Sicher ist Eckhard Henscheids Kritik, dass Nettelbeck sich als zweiter Karl Kraus geriere, sich nur auf das 18. Jahrhundert kapriziere und den gegenwärtigen literarischen Diskurs als drittklassig verurteile, zum Teil berechtigt. Aber ähnliches könnte man auch über Arno Schmidt sagen.
Sie ist von einer tiefen Liebe zu Autor und Text getragen, das findet man bei vom Staat alimentierten Universitätsprofessoren heute kaum noch. Er bespricht am Anfang des Essays alle deutschen Moby-Dick Ausgaben, wobei er sehr ungerecht zu der Übersetzung von Fritz Güttinger ist. Dessen Moby-Dick in der Manesse Ausgabe habe ich zuerst gelesen, bevor ich ein dutzend Mal die Ausgabe von Mansfield und Vincent gelesen habe. Zu der Übersetzung von Friedhelm Rathjen möchte ich nichts sagen. Man kann sie wegen der schönen Holzschnitte von Rockwell Kent kaufen. Mit dem Schweizer Übersetzer Güttinger verbindet mich eine jahrzehntelange Brieffreundschaft, und auf den lasse ich nichts kommen. Nettelbecks Melville Esssay, der zu Hälfte aus klug montierten Melville Zitaten besteht, ist eine tour de force. Mit einem rührenden Ende. Und wir haben am Ende das Gefühl, dass wir Herman Melville kennen, von dem man trotz der 1.800 Seiten von Hershel Parkers Biographie so wenig weiß. Ich habe Nettelbeck gelesen, mich manchmal über ihn geärgert, ihn manchmal gehasst. Sicher ist Eckhard Henscheids Kritik, dass Nettelbeck sich als zweiter Karl Kraus geriere, sich nur auf das 18. Jahrhundert kapriziere und den gegenwärtigen literarischen Diskurs als drittklassig verurteile, zum Teil berechtigt. Aber ähnliches könnte man auch über Arno Schmidt sagen.
Auf Seite 184 von Nummer 82-85 der Republik steht: Innen an der Seitenblende seines Schreibtischs war das Motto befestigt: "Always keep true to the Dreams of thy Youth." Das Motto könnte auch über dem Werk von Uwe Nettelbeck stehen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen