Samstag, 9. Januar 2010

Segelboote


Im Jahre 1959 lieferte die Bootswerft Abeking und Rasmussen in Lemwerder an einen gewissen Donald O. Stone, New Jersey, das Boot Rolling Stone V. Zu dieser Zeit belieferte die renommierte Werft an der Unterweser den ganzen amerikanischen Geldadel an der amerikanischen Ostküste. Besonders beliebt war die Segelyacht des Typs Concordia, ein Juwel der Bootsbaukunst, wie Elizabeth Meyer sie genannt hat. Elizabeth Meyer ist die Enkelin von Agnes Meyer, die die Mäzenin von Thomas Mann war, als er im amerikanischen Exil lebte. Thomas Mann hat auch in einem A+R Boot gesessen. Die Familie Pringsheim, deren Tochter Katja er geheiratet hatte, hatte 1914 zwei A+R Jollen gekauft (Baunummern 369 und 370). Elizabeth Meyer hat das Wrack der Endeavour gekauft und restauriert. Die Endeavour war eine Yacht der J Klasse, die größten und schönsten Yachten der dreissiger Jahre. Wahrscheinlich hat William Carlos Williams diese Boote vor Augen gehabt, als er sein Gedicht ➱The Yachts schrieb.

Donald O. Stone hatte keine Concordia bestellt, sondern einen 45,5 Fuß Motorsegler. Für die Rolling Stone V wurde 1960 noch ein Beiboot gebaut, 3 Meter lang, Mahagoni geklinkert. Es hatte den Namen No Moss. Das ist ein seltsamer Name für ein Boot. Er macht nur Sinn, wenn man das englische Sprichwort A rolling stone gathers no moss kennt. Also Rolling Stone und No Moss, offensichtlich hatte Mr. Stone Humor. Er hat aber das Mahagoniboot nie abgeholt, es wurde weiterverkauft und landete eines Tages bei meiner Familie. Niemand wußte, dass es mal No Moss geheißen hatte, bei uns hieß es F 47. Die laufende Nummer des Fischereivereins. Es besaß eine A+R Plakette, was in Bootsbesitzerkreisen so etwas wie ein Rolls-Royce Kühler ist. Die Baunummer war 5480. Man konnte es als Ruderboot benutzen, so wie Thomas Mann das Boot der Pringsheim benutzt hatte, es hatte aber auch eine Notbesegelung. Vier Quadatmeter, Luggertakelung. Kapitän Hugo Gottsmann hat mir auf dem Boot das Segeln beigebracht.

Hugo Gottsmann war als Kapitän eines Segelschiffes um Kap Hoorn gefahren, das machte ihn nicht nur zu einem Kap Hoornier, sondern zu einem Albatros. Heute gibt es niemanden mehr, der sich Albatros nennen kann, sie sind alle tot. Die Internationale Bruderschaft der Kapitäne auf großer Fahrt, Kaphoorniers hat sich 2003 aufgelöst. Die Romantik der stolzen Großsegler, die schon im Sterben begriffen war, als Joseph Conrad über sie schrieb, ist endgültig dahin. Wenn einem ein Albatros wie Hugo Gottsmann mit einem Tauende in der Hand bei jedem falschen Griff auf die Finger gekloppt hat, dann hat man Segeln gelernt.

Heute baut A+R keine eleganten Mahagoniyachten mehr, heute bauen sie scheußliche Motoryachten für irgendwelche Scheichs. In den Häfen der amerikanischen Ostküste liegen noch immer Concordia Yachten, von ihren Besitzern sorgfältig gepflegt. Segelschiffe können sehr alt werden. Die von Jamsettjee Bomanjee 1817 gebaute englische Tricomalee schwimmt immer noch, das älteste Segelschiff der Welt. Die Engländer haben sie in Bombay bauen lassen, weil sie all ihr Holz für die Kriegschiffe im Kampf gegen Napoleon verbraucht hatten. Was tut man nicht alles, damit man Britannia rule the waves singen kann.

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