Montag, 25. Januar 2010

Amerikanische Dandies


Amerikanische Dandies? Es muss sie gegeben haben. Denn das berühmte Lied Yankee Doodle, das in der Zeit der amerikanischen Revolution überall gesungen wird, spricht in Zeile drei und vier von stuck a feather in his cap and called it macaroni und in Zeile zwei des Refrains von Yankee Doodle Dandy. Nun hat macaroni hier nichts mit einem italienischen Gericht zu tun, es ist vielmehr eine Bezeichnung für einen ➱Dandy, die im England des 18. Jahrhunderts allgemein gebräuchlich wird. Horace Walpole benutzt das Wort, James Boswell auch. In der Mitte des 19. Jahrhunderts ist es so gut wie ausgestorben. Wir müssen bei dem Lied bedenken, das es von einem Engländer geschrieben wurde, voller Verachtung für die country bumpkins in den Kolonien. Die sich schon als Dandy fühlen, wenn sie sich eine Feder in den Hut stecken.

Aber was zuerst ein englisches Spottlied ist, wird von den Revolutionären übernommen. Und die singen es dann bei jeder Gelegenheit, wenn sie die Engländer schlagen. Es muss schmerzlich für den Ruhm eines englischen Offiziers sein, auf dem Schlachtfeld von einem Amerikaner in Lederhemd und mit Bärenfellmütze erschossen zu werden, während er gerade dabei ist, mit Hilfe seines Dieners die Seidenstrümpfe zu wechseln. Der Leutnant hieß John Dutton, und sein vor dem Revolutionskrieg gemaltes Portrait ist in schottischem Privatbesitz. Der General Lord Howe hat diese dandyhaften Bedenken des Strumpfwechsels nicht. Als er oben auf Bunker Hill ankommt, sind seine weißen Seidenstrümpfe rot von Blut. Er ist aber einer der wenigen englischen Offiziere, die an diesem Nachmittag überleben. Die Amerikaner haben nicht so schöne blutrote Uniformen wie die Engländer.

Dennoch entwickeln sie ihren eigenen sartorialen Dandyismus. General Daniel Morgans Truppe der Virginia Riflemen trägt Lederhemden, so wie wir uns den Lederstrumpf vorstellen. Und auf dem Bild von der Kapitulation von Saratoga, wo alle amerikanischen Generäle eine blaue Uniform mit goldenen Verzierungen tragen, trägt er ein weißes Lederhemd, mit einem Gürtel geschnürt. Und mit viel Pelzbesatz. Außergewöhnlich, aber doch elegant. Und sicherlich eine bewusste Inszenierung. Daniel Morgan hat auch eine blaue Generalsuniform besessen, aber so sollte ihn die Welt sehen. Kein aristokratischer Gentleman und Dandy, ein Mann aus dem Volke.

Einen der elegantesten englischen Dandies des Revolutionskrieges kann man in der National Gallery in London bewundern. Das Bild ist von Joshua Reynolds gemalt und zeigt General Sir ➯Banastre Tarleton. Allerdings ist der junge Mann auf dem Bild damals noch nicht geadelt, und ein General ist er auch noch nicht. Er kommt aus reichem Hause, war ein großer Dandy in der feinen Londoner Welt, kaufte sich seinen Rang als Oberstleutnant und ist in Amerika nun das, was die Franzosen einen beau sabreur nennen. Die Amerikaner nennen ihn Bloody Ban und hassen ihn, weil er amerikanische Soldaten, die sich schon ergeben hatten, niedergemetzelt hat. Sir Joshua hat den schneidigen Kavallerieoffizier so gemalt, dass wir nicht sehen können, dass ihm an einer Hand mehrere Finger fehlen. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass diesem englischen Möchtegern Aristokraten und Dandy seine größte militärische Niederlage durch Daniel Morgan zugefügt wird. Und das auch noch in einer Schlacht, die ➱Cowpens heißt. ➱Saratoga oder Princeton würde ja noch gehen, aber wer verliert schon gerne eine Schlacht an einem Ort namens Hannahs Kuhpferch? Den Platz hat sich Morgan ausgesucht, gegen jede Empfehlung aus dem Taktiklehrbuch. Einen Wald und einen Fluss im Rücken. Er kann sich nicht zurückziehen. Aber seine jungen Milizsoldaten können auch nicht wegrennen, darum geht es ihm jetzt. Und er ist oben auf einem Hügel, da müssen die Engländer erstmal rauf. Die Schlacht von Cowpens ist ein Beispiel dafür, wie man mit Intelligenz gegen eine gutausgebildete Übermacht gewinnen kann. Auch wenn man nicht so elegante Uniformen hat wie Banastre Tarleton. Es ist nicht bekannt, ob die Amerikaner nach der Schlacht von Cowpens den Yankee Doodle gesungen haben.

Im 6. Kapitel von Moby-Dick, das The Street heißt, beschreibt der Erzähler die seltsamsten Seeleute aus allen Teilen der Welt, Kannibalen und Schrumpfkopfhändler inklusive. Aber das Seltsamste besides the wild specimens of the whaling craft fährt der Erzähler fort, sei der bumpkin dandy vom Lande. Der sein Land mit buckskin gloves for fear of tanning his hands bestellt. Obgleich Melville ein gutes Auge für jedes Zeichen der Eleganz besitzt, ist ihm jeder Dandyismus fremd. Als er auf seiner Europareise bei seinem Freund Hawthorne (der jetzt amerikanischer Konsul in Liverpool ist) auftaucht, hat er nur zwei ungewaschene Hemden im Gepäck.

Aber das schönste Beispiel für den Dandyismus der neuen Welt ist sicherlich der Maler John James Audubon. Eigentlich ist er ja Franzose und heißt Jean Rabin, ein illegitimes Kind eines französischen Kapitäns. Aber der Vater wird ihn von Haiti mit nach Frankreich nehmen. Audubon, einer der begabtesten Lügner seiner Zeit, wird aus seinem Vater einen Admiral machen, der mit Washington bei Valley Forge gekämpft hat. Allerdings fand da nie eine Schlacht statt. Und aus seiner etwas geheimnisvollen Geburt wird die Legende werden, dass er der verlorene Dauphin des Hauses der Bourbonen sei. Die Ausbildung zum Maler und Zeichner will er bei Gérard und David erhalten haben. Nichts davon ist wahr. Es ist wahr, dass er einmal ins Gefängnis wandert, weil er einen Engländer namens George Keats um Geld betrogen hat. Dieses Geld hätte der Bruder von George besser gebrauchen können, denn es gehörte zum Teil ihm. Der Bruder heißt John, sitzt in London und schreibt Gedichte, die niemand liest. Aber wahr ist auch, dass Audubon durch halb Amerika zieht und seine Birds of America zeichnet. So ganz nebenbei ist der Münchhausen aus Amerika doch ein großer Künstler und Naturwissenschaftler. Als er nach Europa reist, um sein gigantisches Werk der Birds of America zur Subkription zu stellen und Gelder einzuwerben, da wird er sich nicht zurückhaltend kleiden wie der große Dandy Beau Brummell. Er erfindet für sich ein Phantasiekostüm eines amerikanischen Waldläufers.

Wenn Natty Bumppo, der Held von Coopers Lederstrumpfromanen, so herumgelaufen wäre, hätten ihn seine indianischen Freunde ausgelacht. Aber in Europa kommt er damit an. Hier in den Salons von Paris und London wird der Franzose Audubon zum Amerikaner. Weil sich amerikanische Trapper besser verkaufen, als angebliche Schüler von David. Man findet diesen kultivierten Primitivismus chic. Daniel Boone, der wahrscheinlich die Basis für all diese neuen amerikanischen Helden ist, wird diesen Look sorgsam pflegen. Andrew Jackson wird sich ein ähnliches Image geben. Und am Ende des Jahrhunderts zeigt Buffalo Bill Cody, dass dieser Look des amerikanischen Waldläufer-Dandies nicht totzukriegen ist. In England wird sich diese Mode nicht durchsetzen. Wenn man schon mit dem Wilden flirten möchte, dann liest man Lord Byron und trägt den Hemdkragen offen. Und außerdem ist man gerade auf einem Mittelalter Trip und verkleidet sich als Ritter. Und der Prince Consort entwirft schottische Tartans. Die englische Mode geht seltsame Wege.

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