26. Mai 1828. Pfingstmontag. Markttag in Ballingary oder der Markt von Cill Baothin, der gemeinste und schmutzigste Markt in den Provinzen Munster und Leinster. Denn da gibt es manch teuflischen Burschen, der heimlich einen Stock hervorholt, manchen Freibauern, manch mutwilligen Lümmel und großköpfigen Rüpel mit einem knorrigen Eschenknüppel, der gefühllose Schädel und hirnlose, geistlose, sittenlose Köpfe zertrümmert.
Da gibt es manch schwarzgesichtige Hexe,
die Steine wirft, groß und scharf,
auf Straßen und Wegen,
was die Schweine toll werden lässt,
die Kühe verrückt,
Bullen brüllen und Schafe blöken.
Da wird in manch Zelt eingedrungen,
Flöte gespielt, Bier bestellt,
und nie versiegender Punsch
an Jungfrauen ausgeschenkt.
Da gibt es manch zotteligen Klepper,
manch trächtige Stute,
langschweifiges Füllen
und wiehernden Hengst,
und meckernde Ziegen.
Männer sind betrunken,
und Frauen von Sinnen,
und der Mob in den Strassen
schreit und lacht.
Des Kesselflickers Weib
mit ihrem hässlichen rotznasigen Kind
isst Mengen von Pfefferkuchen
während ihr Mann die Schafböcke antreibt.
Da gibt es manch einen Metzger,
rotbeschmiert mit Schafblut;
und Töpfe auf dem Feuer
und ein lederner Blasebalg.
Da gibt es manch einen Hausierer
und hässlichen Landstreicher,
und verrotzte Kinder,
ohne einen Faden am Leib,
schreiend und kreischend vor
den schönen jungen Frauen,
die geherzt und geküsst werden
von hübschen jungen Männern,
scherzend und tanzend
auf dem ebenen grünen Rasen
zur Musik von Dudelsack
und kratzenden Fiedeln.
Da gibt es manch stolze Maid,
manch vierschrötigen prahlenden Burschen,
der in den Kneipen nach Getränken ruft,
während die Wirtin
sie begrüßt und ihnen den Whiskey serviert,
den Saft der Gerste,
der sie verrückt werden läßt,
jung und alt,
solange sie einen Penny in der Tasche haben
oder der Geldbeutel am Gürtel
noch an der Hüfte hüpft.
Da reitet Siobhan nach Hause
auf dem Hintern des Pferdes
an ihren Freund geklammert,
Taboid, den Sänger,
nachdem sie ihre Becher geleert haben.
Und sie haben keine Schüssel
und keinen zweiten Topf,
nur ein bisschen Hausrat,
zuhaus in ihrer elenden Hütte.
Nach einer Nacht des Zechens
haben alle Farrellys
Blessuren am ganzen Körper,
die Hüte sind zerdrückt,
und die Hosen zerrissen,
die Stiefel verdreckt,
und die Strümpfe schmutzig,
die Joppen zerlumpt,
das Wams ohne Knöpfe,
die Hemden in Fetzen,
blutbeschmiert die Gesichter,
und keinen Penny mehr,
nicht einmal ihre Habseligkeiten,
so trotten sie über die matschigen Wege
und durch Gräben voll Wasser
zu ihrer elenden Hütte
bei Abha Mhuimhneach.
Es gibt keine Ritze und keinen Winkel,
keine Ecke des Feldes
keinen Pfad bei Abha Mhuimhneach
wohin man schaut,
wo sie nicht ein Zelt aufgeschlagen haben
oder eine Hütte gebaut.
Selbst die Bachstelze
findet keine Zuflucht mehr,
keinen Platz für ihr Nest,
sie sind alle verjagt worden
von dem Mac Lobais Pack,
den schuhlosen Strumpfträgern.
Das Tagebuch von ➱Humphrey O'Sullivan (1783-1830) gilt als eines der wichtigsten Dokumente des irischen Lebens in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Es ist ein anderes Tagebuch als Heinrich Bölls Irisches Tagebuch. Dies ist Literatur (wenn es denn Literatur ist) von unten. Was uns heute wie eine Ansammlung der schlimmsten irischen Stereotypen vorkommt, ist wahrscheinlich damals (kurz vor der großen Hungersnot) genau beobachtete Wirklichkeit. Normalerweise sind O'Sullivans Eintragungen in Prosa, lediglich für die Beschreibung des Marktages hat er zu so etwas wie einem prose poem gegriffen. Das Tagebuch wurde aus dem Gälischen 1979 zum ersten Mal ins Englische übersetzt. Meine Übersetzung, bei der mir ein Ire namens Derek O'Brien ein wenig geholfen hat, ist die erste deutsche Übersetzung.
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