Er hat sich in seinen Briefen immer über das Rasenmähen beklagt, hat verschiedene Modelle von Rasenmähern gehabt und hat lange Briefe an die Hersteller von Rasenmähern geschrieben. Dabei ist sein Rasen gar nicht so groß gewesen, und im Zweifelsfall hat er seine langjährige Freundin Monica Jones zum Rasenmähen rangekriegt. Nein, ein wirklicher Gartenfreund ist Philip Larkin nie gewesen. An Robert Conquest schreibt er: I've spent the weekend slaving away in my soddy garden, mowing and scratching up weeds. Anything bright and positive I take to be a weed. Michael Hamburger, mit dem er auf der Universität war, hat in Marsh Acres einen ganzen Park. Der ihm aber auch schnell vom Paradiesgarten zur sündigen irdischen Last wird. Englische Dichter haben es mit den Gärten, spätestens seit Andrew Marvells Gedicht The Mower against Gardens. Philip Larkin hat Naturgedichte geschrieben, aber sie sind anderer Art als die von Michael Hamburger oder Wilhelm Lehmann. Obgleich die Natur bei Larkin immer wieder vorkommt, wirkt sie in seiner Welt ein wenig deplaziert. Nicht im Frühwerk, aber da hat man sowieso das Gefühl, dass dies eher die Natur von Thomas Hardy und nicht die von Philip Larkin ist. Eines der besten kleinen (11 Zeilen, 99 Wörter) Gedichte von Larkin heisst The Mower und handelt davon, dass der Dichter einen Igel mit dem Rasenmäher getötet hatte. Im zu hohen (offensichtlich wieder mal lange ungemähten) Gras. Er kannte den Igel, er hatte ihn mal gefüttert, nun ist der Igel tot.
I had seen it before, and even fed it, once.
Now I had mauled its unobtrusive world
Unmendably. Burial was no help:
Next morning I got up and it did not,
Es war ja nur ein Igel, könnte man sagen, aber der Tod dieses kleinen Tieres hat Larkin, der sonst gerne zum Zynismus neigte, ein wenig aus der Bahn geworfen. Das belegen Briefe und Aussagen von seinen Freunden. Und die letzten vier Zeilen des Gedichtes bekommen eine abstraktere Dimension, es geht wohl nicht mehr nur um Igel:
The first day after a death, the new absence
Is always the same; we should be careful
Of each other, we should be kind
While there is still time.
Das Gelegenheitsgedicht wird zur Elegie, und vielleicht ist es auch eine Elegie auf den immer noch nicht bewältigten Tod von Larkins Mutter Eva. Aber vielleicht ist es auch eine neue, späte Erkenntnis des abgebrühten Zynikers Larkin.
Larkins Vater war ein glühender Verehrer von Adolf Hitler und hatte sein Büro in der Stadtverwaltung von Coventry mit allerlei Nazi Tinnef dekoriert, bis ihm dieser Wandschmuck kurz nach dem Kriegsausbruch verboten wurde. Auch die Bombardierung von Coventry (die den Tarnnamen Unternehmen Mondscheinsonate trug) konnte Sydney Larkin nicht von seiner Überzeugung abbringen. Er gratulierte sich selbst, dass er als vorausschauender Planer rechtzeitig Billigsärge bestellt hatte. Sein Sohn Philip hat vier Jahrzehnte später das numinose Gefühl, dass er etwas wiedergutmachen muß, while there is still time.
Er wird sein Testament ändern und einen großen Teil seines Vermögens (und es ist in der Tat ein Vermögen) der Royal Society for the Prevention of Cruelty to Animals spenden. Der Rasenmäher wurde vor Jahren in der British Library gezeigt (zusammen mit den Manuskripten von Andrew Marvells Gartengedichten), aber es war nicht das Modell, das Larkin zum unbeabsichtigten grim reaper werden ließ. Der Mäher soll irgendwo im Keller der Universität Hull stehen. Schuld und Bühne, viel Aufwand für einen kleinen Igel. Es gibt in dem Jahrhundert größere Schuld, für die es keine Sühne gibt. Nicht einmal Elegien.
Er wird sein Testament ändern und einen großen Teil seines Vermögens (und es ist in der Tat ein Vermögen) der Royal Society for the Prevention of Cruelty to Animals spenden. Der Rasenmäher wurde vor Jahren in der British Library gezeigt (zusammen mit den Manuskripten von Andrew Marvells Gartengedichten), aber es war nicht das Modell, das Larkin zum unbeabsichtigten grim reaper werden ließ. Der Mäher soll irgendwo im Keller der Universität Hull stehen. Schuld und Bühne, viel Aufwand für einen kleinen Igel. Es gibt in dem Jahrhundert größere Schuld, für die es keine Sühne gibt. Nicht einmal Elegien.
Hallo Jay,
AntwortenLöschenbei Ihren Zeilen über Larkins musste ich an Walter de la Mare denken, dessen Ich-Erzählerin in "Memoirs of a Midget" schreibt:
"As one morning I brushed past a bush of lad's love (or maiden's ruin, as some call it), its fragrance sweeping me from top to toe, I stumbled on the carcass of a young mole. Curiosity vanquished the first gulp of horror. Holding my breath, with a stick I slowly edged it up in the dust and surveyed the white heaving nest of maggots in its belly with a peculiar and absorbed recognition. 'Ah ha!' a voice cried within me, 'so this is what is in wait; this is how things are.'" (Walter de la Mare, Memoirs of a Midget)
Memento mori.
Viele Grüße
Morgenländer