Samstag, 12. Januar 2013

Klára Würtz


Klára Würtz heeft korte pinken, heißt es in dem niederländischen Wikipedia Artikel zu Klára Würtz. Ich habe zu Weihnachten Schuberts Impromptus von Klára Würtz geschenkt bekommen, und wollte nachschauen, ob diese Pianistin endlich einen Wikipedia Artikel hat. Hat sie, aber eben nur holländisch. Und da steht dieser unnachahmliche Satz Klára Würtz heeft korte pinken. Heißt nichts anderes, als dass ihr kleiner Finger relativ kurz ist, sie kann vielleicht keine Oktave greifen. Spielt vieles, wofür man den kleinen Finger nehmen würde, mit dem Ringfinger. Muss sich einen anderen Fingersatz ausdenken als den, der in den Noten steht. Machen eh die meisten Pianisten, nur Klavierschüler, die von ihrer Klavierlehrerin getriezt werden, spielen den festgeschriebenen Fingersatz. Die Sache mit den korte pinken ist nicht übertrieben, sie demonstriert das hier in diesem ➱Video.

Klara Würtz kam hier im Blog schon einmal vor, als ich über Mozarts ➱Klaviersonaten geschrieben habe. Ihre Mozartaufnahme bei Brilliant Classics ist immer noch preiswert zu bekommen. Und die fünf CDs lohnen sich, weil sie einen ganz anderen Mozart spielt. Viele Pianisten gehen Mozarts Sonaten sehr zierlich an, spielen die Alberti Bögen, als ob sie an einem Cembalo sitzen. Bei Ingrid Haebler klingt der Mozart wie Begleitmusik zu einer Tasse Tee. Aber nur, wenn die Tasse aus dünnstem Bone China ist. Und man den kleinen Finger abspreizt. Bei Glenn Gould hat man das Gefühl, dass er nicht am Klavier sondern an der Nähmaschine sitzt. Tom Service sprach im Guardian von his wilfully idiotic Mozart. Klingt gut, aber so ganz idiotic ist das, was Glenn Gould macht, wohl nicht. Er zeigt eher schonungslos die Schwächen Mozarts auf. Und es gibt ja auch Sonaten, die er mit großer Liebe spielt.

Das Klavier, so sagt man, ist das Instrument, das ein ganzes Orchester wiedergeben kann. Klára Würtz setzt es so ein, keine vornehme Wiener Salonzurückhaltung, eher ungarische Puszta. Immens musikalisch, jedes cantabile mit den Tasten aussingend. Und dabei von den korte pinken ganz offensichtlich nicht behindert. Dass es einen holländischen Artikel in der Wikipedia gibt, hat einen einfachen Grund: die Ungarin lebt seit den neunziger Jahren in Holland. Sie hat den holländischen Pianisten Pieter van Winkel geheiratet, der mal durch eine John Fields Aufnahme bekannt wurde, aber dann als Manager des Labels Brilliant Classics berühmt wurde. Hatte im Mozartjahr den ganzen Mozart rausgehauen (170 CDs in kleinen farbigen Papiertütchen), der sich vor allem in Frankreich hervoragend verkaufte. 300.000 mal im ersten Jahr. Der Karton mit dem ganzen Mozart ist bei Amazon für neunzig Euro immer noch lieferbar. Die fünf CDs von Klára Würtz' Sonaten sind da mit drin. Nicht dabei ist ihre Aufnahme der beiden Klavierkonzerte KV 271 (Jeunehomme) und KV467 aus dem Jahre 2008, die ich unbedingt empfehlen kann.

Pieter van Winkel ist sicherlich ein Marketinggenie. Diese Idee, preiswerte Gesamtausgaben über Ketten im Discountbereich (in Holland über Kruidvat, in Deutschland belieferte er unter anderem Aldi) zu verhökern, war schon genial. Inzwischen hat er Brilliant Classics verkauft und ein neues Label gegründet, das Piano Classics heißt. Und von dem Label kommt auch meine Schubert CD. Klára Würtz wäre nicht Klára Würtz, wenn bei ihr der Schubert nicht etwas anders klänge. Manchmal ein wenig wie Chopin. Dass sie Chopin (und auch Schubert) spielen kann, hatte sie schon mit ihrer Doppel CD Romantic Piano Music bewiesen.

Ich habe mich bisher ein wenig herumgedrückt, ich habe hier noch nie über Schuberts Klavierwerk geschrieben. Über Bach oder Mozart zu schreiben, fiel mir leicht. Irgendwie ist Schubert schwerer. Nicht, dass ich nicht genügend Aufnahmen hätte. Die CDs nehmen schon viel Platz im Regal ein. Vielleicht kriege ich das ja noch einmal hin. Falls Sie nicht so lange warten wollen, habe ich natürlich eine Empfehlung. Und die heißt für eine Gesamtaufnahme Gilbert Schuchter. Oder für die Miniaturen unbedingt Alfred Kitchin (bei Thorofon). Die beiden Pianisten sind, sicherlich zu Unrecht ein wenig in Vergessenheit geraten. Wenn man ein Exzentriker wie Valery Afannasiev ist, dann kriegt man auch einen Wikipedia Artikel, den haben Schuchter und Kitchin leider nicht.

Klára Würtz, die früher mal ihren Hund mit auf die Bühne genommen hat, unterrichtet jetzt am Konservatorium von Utrecht. Sie hat sich mit ihrem Leben bei den Billiglabels offensichtlich abgefunden, sie soll gesagt haben, dass sie nicht mehr den Ehrgeiz hätte, een toppianiste zu werden. Aber es sind nicht die schlechtesten Pianisten, die jenseits von EMI und Sony zu hören sind. Ihr ungarischer Landsmann Jenő Jandó, der wie sie an der Franz Liszt Musikakademie studiert hat, ist bei Naxos. Und was er da abliefert, ist häufig viel, viel besser als das, was von irgendwelchen shooting stars bei den Hochpreislabels geboten wird. Manchmal rücken die bekannten Unbekannten auch in das Licht der Highbrow Kritik. Immerhin empfahl Jed Distler bei Gramophone Klára Würtz' Aufnahme von Schumanns Op. 11 Piano Sonata No. 1.

Ich sollte vielleicht noch erwähnen, dass sie auch den ganzen Schumann aufgenommen hat, aber Schumann ist nicht so sehr mein Ding. Da sind bei mir Spätschäden davon, dass ich den Fröhlichen Landmann und dieses Zeuch spielen musste, als ich klein war. Wenn ich mir etwas von ihr wünschen dürfte, dann wäre das, dass sie weniger romantische Klaviermusik spielt. Weniger ihre Landsleute Liszt und Bartok. Weniger Kammermusik. Und stattdessen Johann Sebastian Bach. Dass sie das kann, beweist sie mit dieser (trotz der Aufnahmemängel) wunderbaren ➱Aufnahme.

Wenn sie mehr über Klára Würtz, die trotz ihrer korten pinken ganz hervorragend Klavier spielt, wissen wollen, dann schauen Sie sich auf YouTube die acht Teile von ➱Klára Würtz Zongora an.

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