Donnerstag, 19. Mai 2022

die Passe


Ich hatte ja in dem Post Hemdenkauf bei ebay in Aussicht gestellt, irgendwann über italienische Hemden zu schreiben. Das mache ich auch, ich habe sogar schon angefangen, aber ich will mal eben noch etwas vorwegnehmen, was zum Grundwissen über Hemden gehört. Hier misst gerade ein Schneidermeister seinem Kunden das Hemd an, und da oben, wo er seine rechte Hand hat, das ist die Passe. Die auch Schulterpasse heißt, es ist dieses Stück Stoff, das den vorderen und den hinteren Teil des Hemdes miteinander verbindet. Die Schulterpasse nimmt auch die Falten auf der Rückseite des Hemdes auf, gute Hemden haben immer zwei Falten oder eine große Falte in der Mitte. Auch wenn hier ein Schneider an der Arbeit ist, so wie das hier sollte ein Hemd nicht aussehen, das enge Hemd sieht aus wie eine Wurstpelle.

Englische Hemden haben meistens eine geteilte Schulterpasse (split yoke), darauf bestehen die Engländer. Turnbull & Asser sowieso, aber auch bei Charles Tyrwhitt finden wir die. In Deutschland ist das eher selten. Die deutsche Firma Olymp bietet sie in ihrer signature Linie an: Auch die Rückenpasse eines Olymp Signature ist ganz zugeschnitten auf Bequemlichkeit. Sie wird geteilt und mit einer separaten Naht versehen, an der sich Streifen und Karos spiegeln. Die einzelnen Seiten der Schulterpartie werden durch diese Teilung anschmiegsamer und elastischer, der gesamten Schulter bietet sich so mehr Bewegungskomfort. Ich weiß nicht, ob das nur Werbelyrik ist. Auch van Laack hat das bei seinen Meisterwerk Hemden (die wie die anderen Hemden in Tunesien oder Vietnam entstehen) neuerdings im Programm. Sieht hübsch aus, allerdings sollten die Streifen von der Passe an die Streifen des Ärmels angepasst werden. Das hier ist eine ästhetische Katastrophe, und so etwas nennt sich nun Meisterwerk.

Auf disem amerikanischen Hemd von Robert Talbott ist alles richtig, die Streifen der Schulterpasse laufen in die Streifen der Ärmel. Talbott ist meines Wissens der einzige amerikanische Hersteller, der noch handgenähte Hemden anbietet. Die Hemden der Donald J. Trump Signature Edition haben niemals eine geteilte Schulterpasse. Sie kommen auch niemals aus den USA, sie werden in Bangladesch genäht. Soviel zum Thema make America great again. Bei den Hemden von Ralph Laurens Purple Label findet man die geteilte Passe, aber diese Hemden kommen aus Italien, nicht aus den USA. Mein Talbott Hemd hat auf dem Etikett noch den Zusatz bespoke, der vorige Beisitzer hatte es sich in den USA machen lassen. Einmal getragen und dann bei ebay für 12,50€ verkauft. Es passt mir hervorragend. Die geteilte Schulterpasse ist ein Relikt aus der Zeit, als Hemden noch vom Schneider an den Körper des Kunden angemessen wurden, mit einer geteilten Passe konnte man noch in letzter Minute Änderungen vornehmen. 

Man muss natürlich sagen, dass Hemden mit einer geteilten Passe richtig scharf aussehen. Vor allem, wenn sie Streifen haben wie dieses Duchamp Hemd. Ist natürlich schade, dass meine Gäste das nicht sehen, weil ich immer ein Sweatshirt darüber trage. Gestreifte Passe und angepasster Musterverlauf kosten mehr Material und mehr Arbeitszeit, sie sind ein Zeichen von Qualität und von viel handwerklichem Können. 

Es gibt da noch eine Steigerung: gemusterte Hemden ohne Schulterpasse. Sind sehr selten. aber ich habe ein paar (dies ist eins davon). Da laufen bei einem gestreiften Hemd die Streifen ungehemmt durch die Naht der Passe bis in die Schulternaht. Und treffen dort mustergenau auf die Streifen der Frontpartie. Die Schulterpasse ist dabei nach innen verlegt, man sieht sie nicht. Die kleinen Kunstwerke haben alle ein kleines Made in Italy Etikett und ein Etikett von Rudolf Böll. Und der verrät nicht. wo er die her hat. Ich habe meine aus einem Secondhand Laden, die verkauften sich da nicht, weil niemand wusste, dass Rudolf Böll in Rottach-Egern der teuerste deutsche Herrenausstatter ist.


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