Mittwoch, 11. Mai 2022

WISICA


Als Otto Schily noch jeden Tag in den Nachrichten war, hat er sich einmal in einem Interview beklagt, dass das Londoner Kaufhaus Harrods seine geliebten Hemden aus Sea Island Baumwolle nicht mehr führe. Er wäre dankbar für jeden Tip, wo man die kriegen könnte. Eine Aussage, die umgehend im Spiegel und in der Zeit kolportiert wurde. Ich habe mich damals darüber gewundert, dass er seine Hemden bei Harrods kaufte, einem Haus, das nun nicht für seine Oberhemden berühmt war. Aber Hemden aus Sea Island Baumwolle mussten es für Schily unbedingt sein, angeblich das Nonplusultra unter den Oberhemden. Wahrscheinlich hätte er seine Hemden bei Turnbull & Asser finden können, die heute noch Sea Island Hemden anbieten. Sea Island Hemden werden heute von vielen Firmen angeboten. Bei Brioni kostet so etwas beinahe siebenhundert Euro, das Doppelte von einem normalen Brioni Hemd.

Es ist eine besondere Sorte Baumwolle, die diesen Namen trägt. Sie unterscheidet sich von der ägyptischen Giza Baumwolle und der amerikanischen Supima Baumwolle. Sie kommt aus der Karibik, aus der Gegend, die Harry Belafonte besungen hat. Aber wenn der them old cotton fields back home besingt, dann sind das die Baumwollfelder von Louisiana, nicht die von Jamaika, wo er in seiner Jugend einige Jahre gelebt hat. Doch von dort kommt die weltweit gesuchte Baumwolle, aus Jamaika und Barbados. Sie hat längere Fasern als andere Baumwolle, sie wird mit der Hand geerntet, und es gibt nur ganz wenig davon. Die Baumwollplantagen haben sich inzwischen zu einem Verband zusammengeschlossen, der die Qualität überwacht. Das Ganze heißt WISICA und steht für West Indian Sea Island Association. Die italienische Firma Brioni steht auf der Kundenliste der WISICA, und so wissen wir, woher die Baumwolle kommt.

Das ist bei der Bezeichnung Sea Island nicht so einfach, denn der Name steht auch für eine ganz andere Gegend als der Karibik. Und das sind die Sea Islands, eine Inselgruppe vor der Ostküste der USA, die sich von South Carolina bis Florida ersteckt. Manche der Inseln sind in die Literatur gewandert. Also diese Szene hier spielt auf Sullivan's Island. Es ist eine Szene aus Edgar Allan Poes The Gold-Bug. Poe kannte die Insel, weil er in seiner Zeit als Soldat auf dieser Insel vor Charleston stationiert war. Die Insel wurde im Jahr 2000 noch einmal berühmt, weil man hier das U-Boot CSS Hunley der Südstaatenarmee aus dem Bürgerkrieg gefunden hat.

Das hier sind kleine Villen für Touristen an der King Cotton Road in Edisto. Vor dem Bürgerkrieg sind hier englische und schottische Einwanderer mit dem Anbau von Baumwolle reich geworden. Edisto Island 1663 to 1860: Wild Eden to Cotton Aristocracy heißt das Buch von Charles Spencer, das die Geschichte der Insel behandelt. Doch das lasse ich für einen Augenblick beiseite, weil ich mal eben den Roman Ediso von Padgett Powell erwähnen muss. Über den sagte Walker Percy: Edisto is a truly remarkable first novel, both as a narrative and in its extraordinary use of language. It reminds one of The Catcher in the Rye, but it’s better—sharper, funnier, more poignant. Und der Nobelpreisträger Saul Bellow urteilte: When asked for a list of the best American writers of the younger generation I invariably put the name Padgett Powell at the top. Der Roman Edisto (den es auch in der Übersetzung von Harry Rowohlt gibt) hat hier schon einen langen Post.

Auf den Sea Islands hat man um 1780 westindische Baumwolle aus Barbados angepflanzt, was erst nach mehreren Anläufen gelang. Es gibt da nämlich kalte Winter, und das verträgt die Pflanze (Gossypium barbadense) nun gar nicht. Sie ist auf den westindischen Inseln besser aufgehoben als auf den amerikanischen Sea Islands. Und man kann ziemlich sicher sein, dass die Hemden von Herrn von Freyberg (der sich dies hier als Trademark hat schützen lassen) kein Etikett der WISICA haben. Der Freiherr Gernot von Freyberg hatte einen Hemdenladen in Frankfurt, der vor elf Jahren Starbucks weichen musste. Er soll die besten Hemden in Deutschland verkauft haben, made from the world's finest cotton fabrics. Und er war in den Schlagzeilen, weil er seinen Mercedes mit Schmähreden auf Daimler-Benz beschriftet hatte. Ich weiß nicht, wie gut seine Sea Island Hemden waren und woher die Baumwolle kam. Die Hemden ließ er sich in Italien machen, gute Qualtät, aber es geht noch besser. Das kann ich sagen, weil ich ein von Freyberg finest two ply Hemd besitze.

Der Anbau der Baumwolle ist das eine, sie zu einem feinen Garn verarbeiten das andere. Und da haben zwei Firmen das Sagen. Die eine ist die Albini Group (zu der auch Thomas Mason gehört), die einen Vertrag mit der WISICA haben, angeblich haben sie ein Exklusivrecht auf die Baumwolle von Barbados. Zum anderen ist da die Schweizer Firma Spoerry 1866, ihr Chef Peter Spoerry war schon in dem Post Schweizer Oberhemden abgebildet. 1995 war die Firma im Guinness Book of Records, weil sie das feinste Baumwollgarn der Welt herstellte, 2003 kaufte man eine Plantage auf Jamaika.

Den besten Werbetext für West Indian Sea Island Baumwolle hat die Engländerin Emma Willis hinbekommen: There are many imitations of the infamous Sea Island Cotton out there but this is the authentic, inimitable real thing and you will be able to tell when you feel its silken touch but with weight. Grown in the ideal climate and conditions of the West Indies, like wine cotton depends on the soil and weather, and here they cultivate their prized cotton with hundreds years of passed down experience and care. The special thing about real Sea Island cotton is the weight, two fold 140’s so not the finest, but the silkiest of touches due to the quality of the raw cotton. therefore the whites and even better the undyed natural ivory Sea Island Cotton have body to them and are not in any way transparent, but how soft to wear. It deserves its reputation and I would choose white, ice blue and ivory for a dream shirt wardrobe. Ihre Stoffe kommen von der Schweizer Firma Alumo, die auch die Firma Bruli beliefert.

Dies Etikett auf einem alten Turnbull & Asser Hemd besagt wenig, Sea Island Cotton Quality kann vieles heißen. Neuerdings ist Turnbull & Asser Kunde der WISICA. Der preiswerte italienische Internethändler Apposta allerdings auch, bei ihm kostet ein Hemd 229 €. Die Hemden der italienischen Spitzenfirmen wie Finamore, Fray oder Pegaso kosten leicht das Doppelte, und die sind nicht aus dem angeblich so gesuchten Gossypium barbadense aus der Karibik. Aber täuschen wir uns nicht, es gibt noch an vielen Stellen der Welt langstapelige Baumwolle. Die peruanische Pima Baumwolle, die Seide Südamerikas, hat ihren Namen nach den Pima Indianern beommen. In Texas und Kalifornien ist sie seit 1911 zuhause. Im Jahre 1954 wurde die Bezeichnung Supima (für Superior Pima) geschaffen. Seit 1970 gibt es in Indien Suvin Bauwolle, die aus einer Kreuzung der indischen Sujata (eine Variante der ägyptischen Karnak Baumwolle) und Baumwolle von der Karibikinsel St Vincent bestand. Aus Suraja und Vincent wurde Suvin. Und dann haben wir da noch die ägyptische Baumwolle, die schon immer für ihre Spitzenqualitäten berühmt war.

Ich kann keine Werbung für irgendeine Firma machen, ich besitze kein einziges Hemd, dessen Stoff aus der Karibik kommt. Ich glaube auch nicht unbedingt an das, was in dem Werbetext von Frau Willis steht. Wenn mir nach Karibik ist, lege ich Belafontes Jamaica Farewell auf.

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