Die Sache mit dem Borrelli Hemd war O.K., ich hatte es nicht wegen des Namens gekauft, sondern wegen diesem schönen blau-weißen Streifen, ich liebe solche Hemden. Aber ich suchte nun bei ebay nach etwas anderem, nach einer Marke, die ich noch nicht kannte. Und da stieß ich auf ein Hemd von Philippe Perzi Vienna, das acht Euro kostete. Kaufte ich, nachdem ich mich im Internet über die Marke informiert hatte. Heute geht das nicht mehr, denn alles, was noch vor Wochen unter https://philippeperzi.com/ im Internet stand, ist plötzlich verschwunden. Der Laden in der Spiegelgasse 25, in dem angeblich Maßhemden geschneidert wurden, ist dauerhaft geschlossen. Die Seite, auf der man Philippe Perzi Hemden, die zweihundert Dollar kosteten, bestellen konnte, ist auch weg.
Das alles wusste ich nicht, als mein Philippe Perzi Vienna Hemd ankam, kostenfreie Lieferung. Ich bestellte mir bei dem Händler noch ein zweites mit einem
Haikragen, auch für acht Euro, ungetragen. Man kann gegen die Hemden nichts Böses sagen, sie haben unten in der Seitennaht auch ein kleines Dreieck wie die Borelli Hemden. Und die Hemden haben ein zusätzliches Etikett, das darauf hinweist, dass der Stoff von Thomas Mason ist. Das ist ein berühmter Name, denn diese englische Firma gibt es seit 1796. Genauer gesagt, trägt sie diesen Namen offiziell wohl erst seit den 1870er Jahren.
Thomas Mason hatte 1796 als
cotton spinner in Gargrave begonnen, aber im richtigen Baumwollgeschäft war er erst seit den 1820er Jahren mit seiner
Primet Mill in Colne, wo es noch ein Dutzend anderer
cotton mills gab. 1845 baut er eine sechsstöckige Fabrik in Ashton-under-Lyne. Der Satz
Cotton is King, den James Hammond in seiner berühmten
Rede gebrauchte, gilt nicht nur für die amerikanischen Südstaaten, er gilt auch für England. In Fontanes Roman
Der Stechlin sagt der Pastor Lorenzen zu dem alten Dubslav von Stechlin über die Engländer:
Sie sind drüben schrecklich runtergekommen, weil der Kult vor dem Goldenen Kalbe beständig wächst; lauter Jobber, und die vornehmen Leute obenan. Und dabei so heuchlerisch; sie sagen Christus und meinen Kattun. Es ist die viktorianische Doppelmoral, die hier angeklagt wird.
Hugh Mason, der Sohn Thomas Masons, ist frei davon. Er übernimmt nach dem Tod seines Vaters die Fabriken, er wird Politiker (Liberal Party) und Sozialreformer. Er schafft für seine Arbeiter Arbeitsbedingungen, wie das schon
Sir Titus Salt in Bradford gemacht hatte. Damit ist er einer der wenigen im viktorianischen England. In Ashton-under-Lyne, wo der paternalistische Fabrikherr auch Bürgermeister war, hat ihm die Gemeinde eine Bronzestatue spendiert.
So eindrucksvoll das Thomas Mason Etikett auf den Hemden von Philippe Perzi daherkommt, die Firma gibt es schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Als Limited Private Company existiert die Firma nach dem Tod des letzten Mitglieds der Familie noch von 1927 bis 1956. Danach wird die Firma verkauft, zuletzt hatte sie dem Industrieriesen
Courtauld gehört, der die Fabrik 1991 schloss. Die italienische
Albini Group, der größte italienische Weber, kaufte den Namen
Thomas Mason und das Renommee, das dieser Name hatte. Und auf den kleinen Etiketten steht jetzt unter dem Namen Thomas Mason
woven in Italy.
In der Werbung der italienischen Firma Albini liest sich die Firmengeschichte von Thomas Mason etwas anders als hier beschrieben: At the height of the Industrial Revolution, Sir Thomas Mason founded in Lancashire one of the first factories to manufacture cotton shirt fabric. These fabrics were used by London's West End tailors serving the aristocracy and the upper class, before being exported throughout the British Empire and all over the world. Nichts davon stimmt, er war nicht der erste, er war kein Sir Thomas etc etc. Man fälscht sich die Geschichte, das ist das erste, wenn man einen kleinen Mythos aufbauen will.
Und den hat sich unser Philippe Perzi auch schreiben lassen: The Philippe Perzi philosophy is an unequivocal commitment to quality and individuality. Philippe Perzi Vienna exquisitely tailored shirts are made from only the highest quality Italian fabrics, with signature marks of expert design and detail giving our shirts that beautifully bespoke finish. The finest Egyptian cotton yarns in the highest counts are selected, including yarns with real West Indian Sea Island cotton – the rarest and most precious variety in the world. Each fabric is selected because it represents the perfect combination of vibrancy and function; individual flair and traditional style. All fabrics are eco-friendly and satisfy the Oeko-Tex Standard 100. Rather than pursuing mass production, each Philippe Perzi Vienna shirt requires at least 25 separate pieces and 50 individual steps, with attention to detail that can only be achieved with hand cutting and hand pressing. Key to our commitment to individuality, Philippe Perzi Vienna shirts are made in a limited edition of 17 or less, ensuring your shirt is one of a kind and truly only yours. Philippe Perzi Vienna continually strives to create new and beautiful collections throughout the seasons, always offering something fresh and exciting. Philippe Perzi Vienna offers a superior level of quality rarely accessible in today’s market. The challenge is for you to choose your favourites from our extensive and unique range. Philippe Perzi Vienna – What makes us different, makes you different. It’s all in the detail. Das ist nichts als Werbelyrik, ich glaube, die ganze Sache mit den Philippe Perzi Hemden ist ein riesiger Schwindel. Alle Internetadressen führen ins Nichts oder auf Werbeseiten.
In der wunderbaren Geschichte
Hemden nach Mass des unterschätzten Reiseschriftstellers
Thomas Münster heißt es über den Hemdenkauf (wir sind irgendwo am Mittelmeer):
In diesen quirlenden Küstenstädten des Nordwestens kann man niemals genau sagen, wo der afrikanische Wunderglaube aufhört und wo das europäische Ganoventum anfängt. Da stand zum Beispiel ein Mann im Bazar, der sich — keß amerikanisiert — Billy Mack nannte und Hemden verkaufte; Ausschuß von irgendeinem französischen Warenhaus natürlich, ein Hemd genau wie das andere! Aber Billy Mack legte jedem Käufer ein ausgeleiertes Meßband um den Hals und rief dann eine beliebige Zahl. Worauf sein Söhnchen – wie der Vater teils Neger, teils Araber und teils Weißer — das nächste Hemd vom Stapel griff und es dem glücklichen Käufer zuwarf. Und am Ende der Geschichte sagt der Käufer:
Dieses Hemd hier paßt mir ganz genau — es ist Maßarbeit, denn ich habe es gestern bei Billy Mack gekauft!
So hat das Geschäft von Philippe Perzi in Wien, einem modernen Billy Mack, angeblich ausgesehen. Wir können es nicht nachprüfen. Wenn man bei ebay Oberhemden Herren eingibt, bekommt man 1.384.263 Ergebnisse. Es sind schlimme Dinge dabei, 65% Polyester (Pierre Balmain), und dann all die
slim fit, custom tailored und
contemporary fit Hemden. Die bestenfalls dem ehemaligen Außenminister passen, der immer zu kleine Klamotten trug. Im Allgemeinen sind ebay Händler nicht in der Lage ein Hemd korrekt zu beschreiben. Über neunzig Prozent können nicht die relevanten Maße eines Hemdes angeben. Eine Kragengröße sagt gar nichts, vor allem bei italienischen Hemden nicht. Der schlimmste ist ein Händler namens
Momox, er bietet keinerlei Größenangaben für das Hemd an, offeriert aber einen kostenlosen Versand und einen kostenlosen Rückversand. Ich nehme an, dass Momox (die unter dem Namen
Medimops den Markt antiquarischer Bücher unter Kontrolle haben) die Retourenkönige des Internets sind. Einen Umsatz von 150 Millionen Euro haben sie auch im Jahr, Borrelli schafft mal gerade 25 Millionen.
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