Die Malerin heißt Aline von Kapff, sie kam aus einer sehr reichen Bremer Familie. Den Reichtum zeigt dieses Haus in Schwachhausen, das 1863 als Sommerhaus im englischen Tudorstil erbaut worden war; ein Stadthaus, das Heinrich Müller entworfen hatte, besaß man natürlich auch. Damals war Schwachhausen noch überwiegend ländlich, wovon Bürgerpark und Stadtwald vielleicht die Reste sind.
Nach dem Tode ihrer Eltern wird Aline von Kapff in die Villa in Schwachhausen ziehen, in der Villa daneben wird eines Tages der Senator Bierman wohnen. In das elterliche Haus in der Wachtstraße (das ist das große Haus links neben der Weserbrücke) wird die Familie von Paula Becker-Modersohn einziehen. Mit ihr wird die Malerin und Kunstmäzenin von Kapff befreundet sein. Das Haus in der Wachtstraße ist deshalb so gewaltig, weil darin auch noch die Weinhandlung der Familie untergebracht ist. Denn mit dem Weinimport ist die Familie seit 1692 reich geworden. Und mit dem Wein ist die Firma Ludwig von Kapff heute immer noch im Geschäft, auch wenn es jetzt eher ein Onlinegeschäft ist. Aber eine Filiale in Schwachhausen hat man natürlich. Obgleich der Bremer da nicht kauft, der kauft sich seinen Rotwein bei Reidemeister & Ulrichs oder im Ratskeller. Da darf man dann auch mal mit dem Auto von hinten ans Ratshaus heranfahren, um den Wein einzuladen. Das ist sonst streng verboten, aber der Ratskellerwein macht es möglich.
Alle Bremer Weinhändler hatten Dependancen in Bordeaux, ob das die von Kapff waren, Louis Eduard Ichon, Conrad Wilhelmi oder Albert Diedrich Finke, der der Schwiegervater des Dichters Klaus Groth war. Von ihren repräsentativen Bauten in Bremen ist nichts übriggeblieben. Das Haus der von Kapff neben der Weserbrücke wurde 1944 durch Bomben zerstört, die Villa in Schwachhausen wurde in den 1960er Jahren abgerissen. Wie der Finkenhof in der Weserstraße oder das Haus von Wilhelmi am Domshof. Ein Haus eines Weinhändlers aber steht immer noch, das ist das Palais des Hamburger Weinhändlers Daniel Christoph Meyer in Bordeaux. An dem eindrucksvollen klassizistischen Bau ist eine kleine Tafel angebracht: Ici vecut le poete allemand Hölderlin en 1802.
Aline von Kapff (hier auf einem Selbstportrait von 1890) hat ihren ersten Zeichenunterricht in Bremen von Amalie Murtfeldt erhalten, danach hat sie in München studiert, das hatte ihr Amalie Murtfeldt empfohlen. Von dieser Bremer Malerin, die eine Schülerin von Thomas Couture war, bietet Googles Bilderflut leider wenig an, aber sie war eine sehr gute Portraitistin. Zum Studium nach München war Aline von Kapff mit einer Anstandsdame gereist, das tat man damals so. Auch Ida Gerhardi kam mit einer Begleitung nach Paris, die gesellschaftliche Stellung verlangte das damals von jungen Damen. In Paris war der Belgier Alfred Stevens ihr Lehrer, ihre Bilder kann sie in Pariser Ausstellungen zeigen. Oder wie die Bremer Nachrichten nach ihrem Tod so schön schreiben, dass ihre Bilder wiederholt die strenge Schwelle des Salons der jährlichen großen Aussstellung überschritten.
Nach zahlreichen Bildungsreisen durch Europa und Nordafrika kehrt die Malerin nach Bremen zurück. Sie lässt die riesige Villa in Schwachhausen umbauen (und nebenan noch ein kleines Haus für ihre liebste und älteste Freundin bauen) und widmet sich ihrem neuen Leben. Das aus Mäzenatentum, sozialem Engagement und gesellschaftlichem Leben besteht. Unter anderem hat sie einen Gast, der 1902 seiner Mutter schreibt: dort bin ich Gast bei einer alten Dame und Kunstfreundin Frl. Aline von Kapff, die ein entzückendes kleines Palais mit schönem Park besitzt, – so daß es da gar nicht so übel zu wohnen ist. Der Gast heißt Rilke, aber das Fräulein von Kapff ist nicht unbedingt eine alte Dame (sie wird dreiundneunzig werden), sie ist damals noch keine sechzig. Diese Dame hier ist jetzt häufig Gast in Schwachhausen. Es ist Magdalena Pauli, die Gattin des Direktors der Bremer Kunsthalle, die mit Gleichgesinnten eine Vereinigung namens die Goldene Wolke ins Leben gerufen hatte.
Ein halbes Jahrhundert später wird sie mit ihrem Buch Die goldene Wolke: Eine verklungene Bremer Melodie an die Vereinigung junger Bremer Kaufleute, Juristen und Schriftsteller erinnern, die um die Jahrhundertwende das geistige Niveau der Gesellschaft heben wollten. Rudolf Alexander Schröder (für sie damals noch Rudi), sein Cousin Alfred von Heymel und ihr Ehemann Gustav Pauli bilden die Kernzelle der Goldenen Wolke. Ständige Gäste werden Hugo von Hofmannsthal, Rudolf Borchardt, Eberhard von Bodenhausen und Harry Graf Kessler sein. Dies ist das Bremer Äquivalent zu den Souls, der Gruppe um Duff Cooper und Lady Diana Manners oder der späteren Brideshead Generation. Und sicherlich ein höherer Beitrag zur Kultur als Bremens selbsternanntes Kunstgenie Arthur Fitger (der hier schon einmal auftauchte). Den erwähnt man in diesen Kreisen überhaupt nicht mehr, man hat sich eher den Worpswedern zugewandt.
Aline von Kapffs Nichte, Agnes von Kapff, in deren Elternhaus am Osterdeich die ersten Leseabende stattfanden, hatte ihrer Tante die intellektuelle Schickeria sozusagen ins Haus geschleppt. Die Abende bei ihrer Tante, unser aller Tante, Aline v. Kapff, der großen Gönnerin bremischen Zuschnitts, vereinten Kunst und Gesellschaft auf bezaubernde Art, schreibt Magda Pauli, die unter dem Pseudonym Marga Berck in ihrem Roman Sommer in Lesmona im Jahre 1951 die Welt der Bremer Geld- und Geistaristokratie noch einmal heraufbeschwören wird. Agnes von Kapff, hier im Alter von neunzehn Jahren von Gottfried Hofer (der auch Otto Gildemeister gemalt hatte) portraitiert, war eine Zierde dieser Gesellschaft. Sie war aber auch eine begeisterte Golfspielerin, die 1901 in Fanø als erste deutsche Frau die Internationale Golfmeisterschaft von Dänemark gewann.
Gesellschaftliches Leben und die Vielzahl der Tätigkeiten in karitativen Vereinen und Stiftungen halten Aline von Kapff vom Malen ab. Eigentlich malt sie überhaupt nicht mehr. So wird ihr Hauptwerk wahrscheinlich diese wunderbare junge Fischverkäuferin aus dem Jahr 1887 bleiben. Sie hatte es in ihrem Testament der Kunsthalle Bremen vermacht. Kunsthistoriker sehen in dem Bild eine Nähe zu der Bar in den Folies-Bergère von Manet, der übrigens auch gerne Stilleben mit toten Fischen malte.
Das tat Aline von Kapff auch. Fische seien ihr Bestes, da sie aber langsam malte, hätten die Fische während der Arbeit angefangen zu faulen, und so habe sie ihrer feinen Nase wegen das Malen aufgeben müssen, kann man in der Autobiographie des Bremer Senators Nebelthau lesen. Das Bild mit der blonden Fischverkäuferin könnte man altmeisterlich nennen, sie bleibt in ihrer Malerei traditionell. Sie gab nicht nur die Fischmalerei auf, sie gab die Malerei überhaupt auf. Etwas, worauf Rudolf Alexander Schröder in seiner Würdigung zu ihrem neunzigsten Geburtstag anspielte, wenn er sagte, daß ihr das 'gelebte' Leben im Grunde eine wichtigere und nähere Herzensangelegenheit war als das 'gemalte'.
An diesem Fest hielt sie auch noch als Achtzigjährige fest, als sie längst in der Inflation ihr großes Vermögen verloren hatte und in ein kleines bescheidenes Haus gezogen war, das sie neben ihrem Schloß einstmals für eine alte Freundin hatte erbauen lassen. Die Schar der Gäste wurde durch diesen Wandel der Umgebung nicht berührt, man saß auf den Treppen und auf den Betten und amüsierte sich herrlich. Für alle diese Menschen war sie 'Tante Aline', aber für einige Auserwählte - und dazu gehörte unser Haus - war sie, obgleich keinerlei Verwandtschaft bestand, eine so gute mütterlich-warmherzige Tante, daß kein gemeinsames Blut es hätte steigern können. Im Lauf der Zeit wurde sie eine so bekannte Figur in Bremen, daß man am Bahnhof jeden beliebigen Kutscher fragen konnte: 'Ist Fräulein von Kapff hier schon vorbeigekommen?', und wenn es dann hieß: 'Nee, sei is noch to Huus', wußte man, wo man sie zu suchen hatte.
Es gibt nicht so viel Literatur über die Bremer Malerin und Mäzenin, die zu einer kulturellen Institution ihrer Heimatstadt geworden war. Hannelore Cyrus hat in ihrem Buch 'Denn ich will aus mir machen das Feinste...': Malerinnen und Schriftstellerinnen im 19. Jahrhundert in Bremen ein Kapitel über Aline von Kapff. In dem Ausstellungskatalog des Focke Museums Kunst und Bürgerglanz in Bremen wird sie natürlich auch erwähnt. Ute Domdeys Artikel aus Frauen Geschichte(n), Biografien und FrauenOrte aus Bremen und Bremerhaven findet sich im Internet.
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