Mittwoch, 10. März 2010
Die Doxa von Dirk Pitt
Es ist die typisch amerikanische Geschichte, eine dieser success stories, die Horatio Alger hätte schreiben können. Der Sohn eines deutschen Einwanderers wird der All American Boy, schlechter Schüler, guter Sportler. Hat verschiedene Jobs, aber er will Romane schreiben. Nach den ersten Fehlschlägen (das ist die Stelle, wo der erfolglose Dichter Rodolfo in La Bohème seine Gedichte verbrennt, um die kalte Dachstube zu heizen) kommt irgendwann der Durchbruch. Ein Bestseller folgt auf den anderen, der Autor wird Multimillionär. Es ist die Geschichte von Clive Eric Cussler.
Der Weg zum Multimillionär ist ein wenig gewundener als in den einfach gestrickten vom Tellerwäscher zum Millionär Märchen. Clive (den seine Mutter nach dem Schauspieler Clive Brook benannt hat) ist ein Versager in Schule und College, geht zur Air Force, wird danach Tankstellenbesitzer und landet dann in der Werbung. Werbung ist in den fünfziger Jahren das große Geschäft, wo alle Firmen die geheimen Verführer entdeckt haben. Und dann nimmt er einen Job in einem Tauchershop in Santa Ana in Kalifornien an, leiht morgens Sauerstoffflaschen aus und kann dann den ganzen Tag auf der mitgebrachten Schreibmaschine tippen.
Als er da am Ende der Saison aufhört, schenkt ihm der Besitzer eine Taucheruhr. Ein neues Modell, eine Doxa mit orangefarbenem Zifferblatt. Die schreibt er seinem Helden ans Handgelenk, und die wird sein Held Dirk Pitt in beinahe allen Romanen tragen. Außer in The Mediterranean Caper, da trägt er eine Omega. Seitdem bemühen sich Millionen von amerikanischen Dirk Pitt Fans, eine originale Doxa 300 SUB zu bekommen.
Der Tauchsport ist in den fünfziger Jahren eine große Sache, er produziert Helden, die Jacques Cousteau oder Hans Hass heißen. Oder eben Dirk Pitt, ein einfacher Name. Dirk heißt er nach dem Sohn von Cussler, Pitt angeblich nach dem englischen Premierminister im 18. Jahrhundert. Dieser Dirk Pitt ist eine Kreuzung aus James Bond und Indiana Jones. Seine meisten Heldentaten für eine Organisation, die jetzt nicht MI 5 heißt sondern NUMA (National Underwater Marine Agency), finden unter Wasser statt. Unter literarischen Gesichtspunkten muss man sagen, dass die Romane wie die meiste formula fiction grottenolmschlecht sind. Aber spannend, das muss der Neid ihm lassen. Man kann sie nicht mehr aus der Hand legen. Unputdownable wie der Engländer sagt. Das Vorbild für den jungen Clive Cussler war Alistair MacLean. Aber der ist literarisch viel besser, der kann, wie so viele Schotten von Robert Louis Stevenson bis John Buchan, wirklich schreiben. Tusitala, der Geschichtenerzähler, haben die Einwohner von Samoa Robert Louis Stevenson genannt, und ein Tusitala ist Clive Cussler auch. Wenn auch sein Thema beinahe nur Schiffswracks sind, etwas, das ihm auch im wirklichen Leben in einer zweiten Karriere beschäftigen wird.
Die Taucheruhr, die Clive Cussler geschenkt bekommt, ist damals das heißeste Teil auf dem explodierenden Markt der Taucheruhren. Die Doxa SUB 300 Professional von 1967 mit dem orangefarbenen Zifferblatt wird in Amerika von der Organisation US Divers verkauft, deren Ehrenvorsitzender kein geringerer als Jacques Cousteau ist. Es ist eine massive Edelstahluhr, deren Gehäuse noch aus dem Vollen gefräst sind (wahrscheinlich per Hand, denn keine zwei Gehäuse sind exakt gleich). Die Uhr hat ein Schweizer Automatikwerk und eine drehbare Taucherlünette nach der Vorgabe von US Divers. Die zeigt die Dekompressionszeit für das Auftauchen an. Sie liegt trotz ihrer Größe (42 mal 45 mm) und ihres Gewichts (150 Gramm) geradezu gut auf dem Handgelenk. Man spürt sie erstaunlicherweise kaum. Ich sage das nicht, weil ich Werbetexte für die Firma Doxa verfasse, sondern weil ich eine besitze. Nicht die originale von 1967 mit dem Plexiglas und dem Segelboot auf dem Gehäuseboden, sondern die von 1973 mit dem Mineralglas (das man besser als Panzerglas bezeichnen sollte) und dem Synchron Zeichen auf dem Boden. Das Modell ist heute wieder lieferbar und wird wahrscheinlich von den Millionen von Dirk Pitt Fans gekauft. Kostet heute eine vierstellige Summe in Euro, das Original kostete damals etwas mehr als hundert Dollar. Für eine originale Doxa muss man auch eine vierstellige Summe auf den Tisch legen.
Die NUMA, für die Clive Cusslers Held arbeitet, gibt es inzwischen wirklich. Es ist eine non profit organization, die versunkene Schiffe hebt. Clive Cussler hat sie gegründet. Anstelle von einsamen Superhelden arbeiten hier Spezialisten mit modernsten Geräten. Die Suche nach der legendären Bonhomme Richard war bisher vergeblich, aber das Unterseeboot der Südstaaten aus dem Bürgerkrieg, die CSS Hunley, das hat Cussler mit seiner NUMA gefunden. Sein Buch über seine maritime Forschungstätigkeit The Sea Hunters wurde vom Maritime College der Universität als Doktorarbeit ausgezeichnet, was den Doctor Cussler sehr stolz gemacht hat. Clive Cussler hat daneben noch eine Sammlung von seltenen Oldtimern (alle Autos, die Dirk Pitt in den Romanen fährt, besitzt der Schöpfer von Dirk Pitt selbst), aber darüber möchte ich jetzt nichts sagen. Das würde meinen Freund Keith neidisch machen, der auch Autos sammelt. Der hat zwar drei Bentley Corniche und einen Morgan, der mal Brigitte Bardot gehört hat. Aber einen Silver Ghost von 1921, ein Duesenberg Cabrio von 1929 oder einen Pierce Arrow von 1936, die hat er nicht.
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