Seit der Chefingenieur der Canadian Pacific Railway, Sandford Fleming, für eine Festlegung der Zeitzonen gekämpft hat, und seit die International Meridian Conference in Washington 1884 die Zeitzonen mit dem Nullmeridian in Greenwich festgelegt hat, haben wir wenigstens einheitliche Zeitzonen. Vorher gab es selbst in Deutschland von Ort zu Ort eine verschiedene Zeit. In der Sternwarte von Greenwich gibt es auf dem Boden eine Markierung für den Nullmeridian, im Flamsteed House ist es eine grüne Leuchtstoffröhre. Flamsteed House heißt nach dem ersten Astronomer Royal John Flamsteed. Der hat viele Dinge am Himmel entdeckt, seine Entdeckungen wurden ihm prompt von Sir Isaac Newton gestohlen. Im Messen der Zeit sind sich die Engländer im 18. Jahrhundert nicht grün, das muss der Autodidakt John Harrison erfahren, der die ersten genau gehenden Uhren der Menschheitsgeschichte bauen wird. Hat nur Ärger mit Nevil Maskelyne, dem Astronomer Royal. Harrisons Uhren H1 bis H4 stehen heute im Museum von Greenwich. Sie gehen auch seit 1933 wieder, seit der Commander Rupert Gould in den zwanziger Jahren angefangen hatte, sie zu reparieren. Zum Nullmeridian ist Greenwich schon 1738 geworden, allerdings hat die Welt das erst 1884 anerkannt. Damals hieß die Zeit noch GMT (Greenwich Mean Time), seit 1968 heißt sie UTC, Universal Time Coordinated. GMT ist als Zonenzeit für die Westeuropäische Zeit geblieben.
Time is money, hat Benjamin Franklin gesagt. Auf dem ersten Half a Dollar Schein, den Franklin 1776 für den Continental Congress entworfen hat, ist die Sonne und eine Sonnenuhr zu sehen. Neben der Sonne steht das Lateinische fugio, unter der Sonnenuhr steht Mind your Business. Business und Leben werden jetzt abhängig von der Zeit. Wir sind besessen von der genauen Zeit, obgleich wir die eigentlich gar nicht brauchen. Dass die Züge pünktlich abfahren, ist lange vorbei. Die genauesten Schweizer Armbanduhren mit Chronometerzertifikat versagen gegen billige Quarzuhren. John Harrison, der in einem geradezu epischen Kampf gegen Behörden und Konkurrenten (worüber Dava Sobel in Longitude ein schönes Buch geschrieben hat) zu seinem Lebensende endlich den ausgelobten Preis des Longitude Wettbewerbs beanspruchen konnte, würde über eine Quarzuhr nur staunen können. Captain Cook hat mit einer Kopie von Harrisons Uhr No. 4 die Südsee vermessen. Könnte man heute auch mit einer billigen Quarzuhr machen. Die silberne Schweizer Taschenuhr, die sich mein Opa vor hundert Jahren zur Hochzeit gekauft hat, geht heute immer noch. Dass eine billige Quarzuhr in hundert Jahren noch geht, wage ich zu bezweifeln.
Genau gehende Uhren kosteten früher ein Vermögen und waren nur etwas für die so genannten besseren Leute, heute ist die Zeitmessung demokratisiert. Man bekommt eine genau gehende Quarzuhr heute schon als Werbegeschenk. Aber dennoch kann die Zeitmessung ins Geld gehen. An einer (hier nicht zu nennenden) deutschen Universiät fielen vor Jahren die Uhren in Hörsälen und auf Fluren aus. Solche Uhren werden gesteuert von einer so genannten Mutteruhr, wenn diese elektrisch gesteuerte Hauptuhr eine Macke hat, können auch alle anderen Uhren auf dem Campus nicht mehr richtig gehen. Als nach einer Woche die Universität immer noch zeitlos war, rief ein Dozent (der auch Uhrensammler war) den zuständigen Referenten an, um ihm zu sagen, dass er einen tüchtigen Uhrmacher habe, der sich auch mit Elektrouhren auskenne. Der Referent druckste am Telephon herum und sagte dann, man habe beschlossen, billige Quarzuhren für die Hörsäle anzuschaffen. Das Jahresende sei nahe, und man habe noch Geld im Etat. Man nennt dieses Phänomen in Behörden auch Novemberfieber, die Haushaltsmittel müssen ausgegeben werden, weil die einzelnen Titel nicht ins neue Jahr übertragen werden können. Ein Mitarbeiter einer italienischen Universität soll in dieser Situation einmal 13.000 Kugelschreiber gekauft haben. Aber, sagte der Referent, Ihr Uhrmacher kann die Uhr gerne abbauen und sie behalten. Was der auch tat. Die Mutteruhr in der Größe von zwei Gefrierschränken stammte von der Firma Patek-Philippe in Genf. Die bauen die feinsten (und teuersten) Uhren der Welt. Eine solche Uhr steuert die Uhren des Schweizer Parlaments, alle Uhren im Vatikan. Und auch die Uhren des englischen Parlaments werden von eine Patek-Philipp gesteuert. Auf so etwas kann man ja gerne verzichten, wenn man in Schilda wohnt und vom Novemberfieber besessen ist. An der Patek war, wie ein elektrisches Durchmessen ergab, lediglich ein elektrischer Widerstand kaputt. Großhandelspreis 60 Cent. So billig kann die Zeit sein. Die billigen Quarzuhren, die die Universität angeschafft hatte, haben nie richtig funktioniert.
*Das Bild oben zeigt die Harrison H1 von 1735. Wenn Sie ganz viel Geld haben, baut Ihnen die Firma Sinclair Harding in England die H1 nach.
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