Donnerstag, 25. Februar 2016

Alain Delon


Er war Kino-Ikone und Herzensbrecher, schön und überheblich, anziehend und egozentrisch zugleich. Alain Delon hat im Laufe seiner Karriere eine Vielzahl von Persönlichkeiten verkörpert. Er wirkte in mehr als 80 Filmen mit: Luchino Visconti, Jean-Pierre Melville, Jean-Luc Godard, Volker Schlöndorff - Delon hat mit den Großen seiner Branche gedreht.
     Arte zeigt den unnahbaren Einzelkämpfer mit stechend kühlem Blick in vier Spielfilmen: "Monsieur Klein" von Joseph Losey, "Rette deine Haut, Killer" - Delons Regie-Debüt, in dem er selbst die Hauptrolle spielt, "Der Schocker - Der Preis für ein Leben" von Alain Jessua und das Eifersuchtsdrama "Der Swimmingpool" von Jacques Deray. Begleitend dazu gibt die Dokumentation "Alain Delon, persönlich" bisher unbekannte Einblicke in das Privatleben des französischen Stars. Steht so auf der Seite von Arte, die aus irgendeinem Grund einen Schwerpunkt Alain Delon haben.

Hätten sie ja im November des letzten Jahres zeigen können, als er achtzig wurde. Ich habe mir die Dokumentation Alain Delon, persönlich angeschaut und am Montag Rette deine Haut, Killer gesehen. Das Regiedebüt von Delon hatte ich noch nie gesehen. Ich hatte nichts verpasst. Bevor ich anfange, diesen Verriss zu schreiben, möchte ich Sie bitten, sich das Revers von diesem Anzug anzuschauen. Es ist ein sogenanntes Knize Revers, das viele Schneider in Paris bevorzugten (Sie können in dem Post ➱Waltz into Darkness mehr dazu lesen). Delon, der den Burberry Trenchcoat und den ➱Borsalino wieder belebt hat, war - wie viele seiner französischen Kollegen - in Filmen immer gut gekleidet. Deshalb wird er auch schon in den Posts ➱['bɜ:bərᴗi], ➱Trenchcoats, ➱Hüte, ➱Brioni und ➱Lederjacken erwähnt. Über seine rechtsradikalen Ansichten, seine Macho Attitüden und seine Gewaltphantasien schweigt des Sängers Höflichkeit. Es soll aber nicht vergessen werden, dass er sich für Tiere und Tierschutz engagiert.

Rette deine Haut, Killer ist ein Kriminalfilm. Eine ➱Gattung, die das französische Kino perfektioniert hat. Ein Gattung, die Delon kennt, er hat in genügend Filmen dieser Sorte mitgespielt. Und sogar in ➱Filmen des Meisters des Genres Jean-Pierre Melville. Diese Filme (Der eiskalte EngelVier im roten Kreis und Der Chef) gehören auch zu den besten Filmen Delons. Er hätte von Melville etwas lernen können, aber er hat nichts gelernt. Gar nichts. Delon spielt einen Privatdetektiv, der früher einmal bei der Polizei war. Das Motiv ist alt, schon als ➱Raymond Chandler es in The Big Sleep verwandte (ja, Philip Marlowe war einmal im Staatsdienst), war es nicht mehr neu.

Privatdetektive brauchen eine Sekretärin, das ist eine Gattungskonvention. Wir erinnern uns gerne an Effie Perrine, die die Sekretärin bei ➱Hammetts Detektiv Sam Spade ist. Oder an Hélène Chatelain, die die Sekretärin von Nestor Burma ist (➱Léo Malet hat zugegeben, dass er in Bezug auf Detektiv und Sekretärin seine Kollegen Chandler und Hammett ganz schön beklaut zu haben). Der Privatdetektiv Alain Delon hat eine Sekretärin namens Charlotte, die von Anne Parillaud gespielt wird. Sie war damals einundzwanzig und hatte gleich mit Delon eine Affaire.

Das bleibt bei Delon nicht aus, er hatte Affairen mit vielen Frauen. Lange mit Mireille Darc, die in Rette deine Haut, Killer einen klitzekleinen Cameo Auftritt hat (und ➱hier einen vielgelesenen Post hat), kürzer mit Romy Schneider. Und dann ist da noch die Beziehung zu ➱Nico, die einen Sohn von ihm hatte. Den Delon nie anerkannt hat. Obgleich der genau so aussieht wie er. Diese beiden jungen Menschen hatten wohl nichts miteinander, aber im Alter sind sie sich näher gekommen: Delon schwärmt wie ➱Brigitte Bardot für die Front National.

Anne Parillaud zeigt viel nackte Haut in Rette deine Haut, Killer. In dieser Szene sagt sie mit dem nettesten Lächeln ihren beiden Rettern gerade, dass das Sexuelle schon stattgefunden hat. Ach, ist das cool. Und lustig. Dies ist ein Film voller Humor. Alain Delons Humor. Ist wahrscheinlich so ähnlich wie Til Schweigers Humor.

Der größte Erfolg von Anne Parillaud war Luc Bessons Actionfilm Nikita, in dem sie eine Killerin spielt. Da brauchte sie auch nicht so viel anzuziehen. Alain Delon hat der Film wahrscheinlich gefallen. Wenn Anne Parillaud als staatliche Auftragsmörderin ein Erfolg war, als Vampir war sie das nicht. Obgleich sie ein Vampir um Anbeissen war. Ich habe den ➱Film von John Landis Bloody Marie: Eine Frau mit Biß schon in dem Post ➱Fantasy erwähnt. Falls Sie den Post noch nicht gelesen haben, sollten Sie das tun. Der ultimative Artikel zu Vampiren, Zombies, Zeitreisen, Rittern usw.

Eine verworrene Handlung, viel Gewalt und Brutalität, Bösewichte aus der Retorte (auch noch ein klein wenig Gestapo Assoziationen), dumme Polizisten, verbrecherische Polizisten und eine Autojagd (die mit ➱Steve McQueen in Bullitt ist besser) zeichnen den Film aus. Und der infantile Humor. Und schlechte, dröhnende Musik. Oscar Bentons ➱Bensonhurst Blues ist ja ganz nett, brauchte aber nicht so laut zu sein. Ich habe hier eine vierminütige Version des ➱Films, ist alles drin (eine ganze Fassung findet sich ➱hier). Der Film ist offensichtlich jahrelang in Deutschland in einer gekürzten Fassung gezeigt worden, aber das macht nichts. Diesen Film kann man beliebig kürzen. Beliebig verlängern kann man dagegen die Aufzählung der erreurs dans le film auf der französischen Wikipedia Seite.

Wenn ich jetzt bösartig wäre, dann würde ich sagen, dass das Beste in dem Film der kurze Auftritt von Brigitte Lahaie ist, der Königin des französischen Pornofilms. Die Actrice war ja immer mal in Spielfilmen des mainstream Kinos zu sehen (wie in I as in Icarus oder Diva). Oder sie verschönte Naziploitation Filme wie Bordel SS und Horrorfilme wie La Nuit des traquées (The Night of the Hunted).

Es ist ein Film, von dem ich eine DVD besitze, lag im Grabbelkasten, hat mich zwei Mark gekostet. Ich hatte einmal den Plan, über die schlechtesten (und komischsten) Filme des Fantasy Genres zu schreiben. Also Filme wie The Lair of the White Worm (hat ➱hier schon einen Post) oder The Hunger mit ➱Catherine Deneuve. Und ähnliche Filme. Man muss dabei aber ganz vorsichtig sein, ich glaube Jean Rollins La Nuit des traquées hat schon Kultstatus. Ist filmisch gesehen auf jeden Fall besser als Delons Rette deine Haut, Killer.

Arte hat in seinem Delon Schwerpunkt auch gute Delon Filme gezeigt, so etwas gibt es natürlich auch. Aber da hat Delon keine Regie geführt. Für Rette deine Haut, Killer gilt der schöne Satz Ne sutor supra crepidam!, was auf deutsch Schuster bleib bei deinen Leisten heißt. Und seien Sie unbesorgt, ich rede jetzt nicht wieder über ➱Schuhe. Aber dass Delon Kunde bei ➱Berluti war, dass darf man ja wohl noch erwähnen.

Regie zu führen ist eine Kunst, bei der man etwas von dem Handwerk verstehen muss. Davon versteht Delon überhaupt nichts, deshalb die continuity Fehler und die Löcher in der Handlung. Der Drehbuchautor heißt übrigens auch Alain Delon. Der Schriftsteller Christopher Frank hat ihm dabei geholfen. Der hatte zehn Jahre zuvor einen Roman geschrieben, der La Nuit américaine hieß. Ein Titel, den wir kennen, ➱Truffaut hat einen Film mit ➱Jacqueline Bisset daraus gemacht. Allerdings muss man sagen, dass die Dialoge von Christopher Frank in Rette deine Haut, Killer nicht auf dem Niveau von Truffaut sind.

Als der Regisseur Delon den Film Rette deine Haut, Killer dreht, ist er sechsundvierzig Jahre alt. Er möchte gerne jünger sein, er möchte auch gerne so tough sein wie sein Konkurrent Belmondo. Ist er aber bei dem ganzen violence is fun Getue nicht. Wenn er einen karierten Anzug tragen würde, wäre dies die perfekte ➱Nick Knatterton Verfilmung. Mit der Kunstform des französischen ➱Kriminalfilms hat dies nichts zu tun.

Delons Filmdebüt erregte nicht das Aufsehen renommierter Kritiker. Zwar finden sich im Internet viele Lobhudeleien, aber die berühmten Cinéasten blieben stumm. Stumm blieb auch Hans Gerhold, ein Kenner des französischen Films. In seinem souveränen Überblick Kino der Blicke: Der französische Kriminalfilm sucht man den Titel Rette deine Haut, Killer vergebens. Am besten hat mir aber gefallen, was Jean-Patrick Manchette, dessen Roman Delon verfilmte, im Gespräch mit Martin Compart
zu Alain Delons Film gesagt hat: Egal was die Kritik sagt: Ich halte die Verfilmungen von Chabrol oder Bral nicht für besser als die durch Delon und Deray. Von mir wird man kein schlechtes Wort über Delon hören; er hat mir mein Appartement bezahlt.

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