Dienstag, 4. Mai 2010

Finckenstein


Enfin un château, soll Napoleon gesagt haben, als er das Schloss Finckenstein sah. Es gefällt ihm, was der erste Finckenstein hier hundert Jahre zuvor gebaut hat. Im Prunkschlafzimmer wird er demonstrativ sein eisernes schmales Bett aufstellen, das er auf all seinen Feldzügen mit sich führt. Ein Soldatenkaiser schläft nicht auf weichem Pfühl. Er wird allerdings nicht in seinem Feldbett schlafen. Es gibt da im Nachbarzimmer eine junge polnische Comtesse, die ein schönes Doppelbett hat. Sie heißt Maria Walewska, die beiden haben sich gerade jetzt im Frühjahr des Jahres 1807 kennengelernt. Liebe auf den ersten Blick sagen die Romanautoren. Oder das Drehbuch, das Salka Viertel und S.N. Behrmann für Greta Garbo geschrieben haben. Maria Walewska wird in den nächsten Jahren nicht von seiner Seite weichen. Seine polnische Frau, wird seine Armee sie nennen.

Als Napoleon hier im Schloss Finckenstein ein neues Leben beginnt, da gehört das eindrucksvolle Schloss längst nicht mehr den Finckensteins, sondern der Familie Dohna. Der erste Finck von Finckenstein, der es auf seinen ostpreußischen Ländereien hatte bauen lassen, war noch mit dem Prinzen Eugen im Kriege gewesen. War der Held der Schlacht von Malplaquet gewesen. Da sollte er auch noch auf den jungen Kurfürsten aufpassen, der dann der erste König von Preußen wurde. Der ihn sofort zum Erzieher seines Sohnes machte, jenes Friedrich, der aus unerklärlichen Gründen bei uns entweder der Große oder der alte Fritz heißt. Sein schönes neues Schloss, das Finckenstein nach seinem Landsitz Habersdorff nennen wollte, das aber auf Befehl des Königs den Namen Finckenstein bekam, hat der Reichsgraf kaum gesehen. Sein Sohn Karl Wilhelm (der einzige Mensch, dem Friedrich II. vertraute) wird in der Mitte des Jahrhunderts Madlitz erwerben. Das wird noch zu einem preußischen Musenhof werden. Günter de Bruyn, der im Alter seinem Vorbild Theodor Fontane im Stil immer ähnlicher wird, hat mit Die Finckensteins: Eine Familie im Dienste Preußens eine wunderbare Kulturgeschichte von Madlitz und den Finckensteins geschrieben. Allerdings kommt das Schloss, in dem sich Napoleon so wohl fühlte, darin nicht vor.

Seit die Rote Armee es 1945 in Brand gesteckt hat, künden von dem Schloss nur noch Ruinen. Man nimmt als Baumeister des Schlosses den Hugenotten John von Collas an, obgleich manchmal auch der Name Jean de Bodt ins Spiel gebracht wird, der das Zeughaus in Berlin gebaut hat. Beide haben im frühen 18. Jahrhundert eine Anzahl von Schlössern in Preußen gebaut (Quittainen, Schlodien, Friedrichstein, Döhnhoffstaedt, Finckenstein), die sich durch eine klassische Strenge auszeichnen. Die Hugenotten Jean de Bodt und John Collas sind beide am Hofe von Wilhelm von Oranien gewesen (und sind beide mit Wilhelm nach England gegangen), und man kann mit Sicherheit annehmen, dass sie mindestens über das Mauritshuis von Pieter Post und Jacob van Campen mit Palladio in Berührung gekommen sind. Denn dass dessen Einfluss auf die nordeuropäische Architektur mit Inigo Jones aufgehört hat und erst mit Lord Burlington wieder aufgeblüht ist, ist zwar eine landläufige Meinung, aber so ganz richtig ist sie wohl nicht. Man wird nicht so weit gehen können, wie der Kunsthistoriker Carl von Lorck, der in der preußischen Schlichtheit eine eine latente Grundstruktur und eine ewige Klassizität sieht. Und der sich zu der Vermutung versteigt, dass die Preußen in grauer Vorzeit die hellenische Kultur begründet hätten. Aber dass Palladios Villa Zeno eine Vielzahl der west- und ostpreußischen Landhäuser beeinflusst hat und dass es keinen opulenten Barockstil bei den preußischen Landsitzen gibt,  das ist sicherlich richtig. Da unterscheidet sich West- und Ostpreußen als Kulturlandschaft doch von anderen deutschen Staaten. Clemensruh in Poppelsdorf und Augustusburg in Brühl werden gleichzeitig mit Finckenstein gebaut, haben aber nicht diese klassizistische Strenge. Die sich zu der Zeit, wenn man an Knobelsdorffs Bauten denkt, auch in der preußischen Hauptstadt nicht findet. In diesem Punkt hat Carl von Lorck schon Recht, dass es einen Klassizismus zuerst im Ostseeraum gibt, bevor er nach Berlin findet.



Napoleon liegt nicht nur mit der schönen polnischen Gräfin im Bett. Er wartet darauf, dass die Straßen besser werden, damit er die Russen angreifen kann. Und er betreibt Politik. Am 4. Mai 1807 schließt er einen Vertrag mit den persischen Gesandten (das Bild ganz oben von Henri François Mulard, einem Schüler von David, zeigt die Delegation im Schloss Finckenstein), der unter anderem das Ziel hat, dass die Perser den Krieg nach Afghanistan und Indien tragen, um die verhassten Engländer zu schwächen. Das ist lange bevor der ehemalige stellvertretende Stadtdirektor von Uelzen die Freiheit Deutschlands am Hindukusch verteidigen will. Aus dem Vertrag von Finckenstein wird aber nichts, da Englands Diplomaten mit Persien wenig später einen anderen Vertrag aushandeln.

Eine Woche zuvor hatte der Korse einen preußischen Generalleutnant empfangen, den er erstmal vierzehn Tage auf die Audienz warten ließ. Er wusste damals noch nicht, dass der fünfundsechzig jährige Herr mit dem Schnauzbart Jahre später seinen Untergang herbeiführen wird. Der Herr heißt Gebhard Leberecht von Blücher. Am 28. April schreibt Blücher an den Freiherrn von Stein: Ins feindliche Hauptquartier habe ich vor meiner Auswechselung 14 Tage zubringen müssen. Der große Mann hat sich eine ganze Stunde ganz allein mit mich unterhalten. Er hatte viel Mühe, mich alles verständlich zu machen, da ich der Sprache nicht mächtig bin, ließ sich aber nicht abhalten, es mich begreiflich zu machen, daß er Frieden wolle. Blücher lässt sich von Napoleon nicht einwickeln, wenige Zeilen später sagt er in dem gleichen Brief Ich hoffe, nächstens wieder auf der Bühne zu erscheinen und werde meine Rolle, wenn nicht geschickt, doch treu und eifrig spielen. Das wird er tun, das wissen wir aus der Geschichte. Und auch der Schlossherr von Finckenstein, Friedrich Graf zu Dohna-Schlobitten wird noch seinen patriotischen Part auf der preußischen Bühne spielen.

Maria Walewska wird 1810 Mutter eines Jungen, der stolze Vater ist Napoleon. Der verleiht ihm den Titel eine Comte de l'Empire (von dem der Sohn aber keinen Gebrauch machen wird) und setzt eine stattliche Apanage für ihn aus. Als Napoleon auf Elba ist, hat seine Geliebte ihn zum letzten Mal gesehen. Sie will ihn zwar noch auf St. Helena besuchen, erhält auch vom englischen König die Bewilligung zur Reise. Sie stirbt aber, bevor sie sich mit ihrem zweiten Ehemann, dem Grafen d'Ornano, auf den Weg machen kann. Ihr Herz liegt im Familiengrab der Familie d'Ornano auf dem Père Lachaise. Neben das schmiedeeiserne Tor des Grabmales hat jemand Maria Walewska Appolonia in den Stein geritzt. Ihr Sohn, der Graf Alexandre Colonna-Walewski, wird noch Außenminister Frankreichs unter seinem Cousin Napoleon III. Irgendwie bleibt in Frankreich immer alles in der Familie.

Alles über das Schloss, das Napoleon so gefiel, finden Sie auf dieser schönen Seite von Christa Mühleisen.


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