Goethes Freund und Berater in allen Fragen der Musik war der Komponist ↝Karl Friedrich Zelter. In einem Brief an Goethe schreibt er: Bachs Urelement ist die Einsamkeit, wie Du ihn sogar anerkanntest, indem Du einst sagtest: 'Ich lege mich ins Bett und lasse mich von unserem Bürgermeisterorganisten in Berka Sebastian spielen.' So ist er, er will belauscht sein. Der Bürgermeister und Organist von Berka heißt Heinrich Friedrich Schütz. Goethe besucht ihn gerne, wenn er wegen der Schwefelbadeanstalt nach Berka reist. 1818 wird er drei Wochen bei Schütz wohnen. Und er legt sich ins Bett und hört zu, wie Schütz Bach spielt.
Er hat über das musikalische Erlebnis, an das ihn sein Freund erinnert auch etwas zu sagen: Wohl erinnere ich mich bei dieser Gelegenheit an den guten Organisten in Berka; denn dort war mir zuerst, bei vollkommener Gemütsruhe und ohne äußere Zerstreuung, ein Begriff von Eurem Großmeister geworden. Ich sprach mir's aus: als wenn die ewige Harmonie sich mit sich selbst unterhielte, wie sich's etwa in Gottes Busen, kurz vor der Weltschöpfung, möchte zugetragen haben. So bewegte sich's auch in meinem Innern, und es war mir, als wenn ich weder Ohren, am wenigsten Augen, und weiter keine übrigen Sinne besäße noch brauchte. Wenn Goethe von Eurem Großmeister spricht, dann heißt das, dass Zelter Bach schätzt. Er ist damals einer der wenigen, denn nach Bachs Tod sind seine Werke schnell in Vergessenheit geraten. Erst mit Felix Mendelssohn Bartholdy begann eine Bach-Renaissance (in Dänemark mit ↝Hans Matthisson Hansen).
Im Bett liegen und Bach hören, konnte Goethe nicht einschlafen? So soll es ja dem Grafen Hermann Carl von Keyserlingk gegangen sein, der sich Bach für seinen Cembalisten Johann Gottlieb Goldberg einigen Stücke wünschte, die so sanften und etwas muntern Charakters wären, daß er dadurch in seinen schlaflosen Nächten ein wenig aufgeheitert werden könnte. Auf die Idee bin ich mit meiner Schlaflosigkeit noch nicht gekommen, aber wenn sie mich mal wieder überfällt, werde ich die ↝Goldberg Variationen hören. Dazu brauche ich keinen Heinrich Friedrich Schütz und keinen Johann Gottlieb Goldberg, da reicht ein ↝CD Player. Aber es geht ja nicht nur um die bequeme Haltung beim Kunstgenuss, es geht auch um Gott. Der immer wieder bemüht wird, wenn es um Bachs Musik geht. Glenn Gould hat einmal gesagt: I believe in God - Bach's God. Und der Philosoph ↝Isaiah Berlin soll gesagt haben: When the angels are playing for God, they play Bach, to each other they play Mozart.
Mozart hat auch göttliche Momente, hören Sie doch einmal in ↝Soave sia il vento oder ↝Contessa perdono hinein. In dem Film Amadeus von Milos Forman (nach dem Theaterstück von Peter Shaffer) ist Salieri bei dem ↝Contessa, perdono überwältigt. Über die ↝Gran Partita sagt er, dass er die Stimme Gottes gehört hätte: On the page it looked nothing. The beginning simple, almost comic. Just a pulse. Bassoons and basset horns, like a rusty squeezebox. And then suddenly, high above it, an oboe. A single note, hanging there, unwavering. Until a clarinet took over and sweetened it into a phrase of such delight! This was no composition by a performing monkey! This was a music I'd never heard. Filled with such longing, such unfulfillable longing, it had me trembling. It seemed to me that I was hearing the voice of God. Aber heute gibt es hier keinen göttlichen Mozart, sondern ein klein wenig göttlichen Bach. Weil Johann Sebastian Bach heute vor 333 Jahren geboren wurde, gibt es ↝hier etwas Schönes von ihm. Sie könnten natürlich auch die ↝Goldberg Variationen hören, wie Glenn Gould sie 1955 gespielt hat.
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