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Donnerstag, 31. Mai 2018

Tissot


Irgendwie ist das ja immer noch ein cooles Teil, meine alte Tissot Seastar Seven Visodate. Sie hatte mal ein Metallband, jetzt hat sie ein Krokoband. Man kann den Boden nicht aufschrauben, das Gehäuse ist aus einem Stück. Wenn man an das Werk will, muss man mit einem Spezialöffner das Plexiglas abnehmen, diese Konstruktion garantierte, dass die Uhr wasserdicht war. Tissots Schwesterfirma Omega hatte damals das Modell Seamaster, Tissot die Seastar. Die Erwähnung des Meeres musste sein, auch wenn die meisten Besitzer einer solchen Sportuhr sie nie den salzigen Fluten aussetzten. Bevor die Seastar auf den Markt kam, bot Tissot als Sportuhr das Modell Camping an (und in den 40er Jahren gab es schon eine Aquasport), eine robuste Uhr mit dem unverwüstlichen 27er Kaliber.

Tissot hatte damals noch eine andere wasserdichte Uhr im Programm, das Modell hieß T12. Das T stand für Tissot, das 12 für 120 Meter. Wenn Schweizer Firmen 120 Meter garantierten, dann war die Uhr wirklich wasserdicht. Ansonsten besagen diese Zahlen auf dem Zifferblatt wenig, wenn da 30 Meter steht, dann darf man sich mal gerade mit der Uhr die Hände waschen. Auf dem Boden der Seastar steht waterproof, und das war sie wirklich, da ich jahrelang mit ihr geschwommen bin. Was das Symbol auf dem Rückboden bedeutet, weiß ich nicht. Es könnte etwas Bootsähnliches sein. Beim Modell T12 ist eine Art spanischer Galeone auf dem Boden, könnte auch das Flaggschiff von Christoph Kolumbus sein.

Die außergewöhnliche Wassersportwelle und das große Interesse für das Fischen und Tauchen im Meer haben die Fabrik Tissot dazu veranlasst, eine Uhr zu etwickeln, welche die strengsten Anforderungen unter verschiedensten zeitlichen, örtlichen und beruflichen Bedingungen erfüllt, schrieb Tissot 1956 in einem Prospekt anläßlich der Lancierung des T12 Modells.

Zur Konfirmation hatte ich, wie Millionen aus meiner Generation, eine Junghans bekommen. Das Armband war aus Nylon und wurde unter der Uhr durchgezogen. Man konnte es jede Woche waschen, das war praktisch. Ich hätte die →Junghans wahrscheinlich heute noch, wenn sie nicht in einem →Bundeswehrmanöver unter einen Panzer gekommen wäre. Glücklicherweise war mein Arm nicht dran. Als ich Leutnant wurde, schenkten mir meine Eltern zu Weihnachten die Tissot Seastar Seven, automatisch und wasserdicht, sozusagen state of the art. Sie hat mich nie im Stich gelassen. Sie hat in den siebziger Jahren mal den Großbaum unseres Congers bei einem verunglückten Wendemanöver abbekommen. Seitdem sitzt das Werk etwas schief im Gehäuse, jeder Uhrmacher weist mich darauf hin. Macht aber nix, sie geht nach 50 Jahren immer noch zuverlässig.

Auf die Marke Tissot, die im 19. Jahrhundert im Rußlandgeschäft groß geworden war, lasse ich nichts kommen. Meine Schwägerin gewann als junges Mädchen bei einem Tissot Preisausschreiben eine Mexikoreise, damals hatte Tissot gerade eine Fabrik in Cuautitlan in Mexiko eröffnet. Meine Schwägerin trägt aber keine Tissot. Mein Bruder hat ihr einmal eine Omega geschenkt, ist ja die gleiche Firma. Mein Bruder bekommt zum medizinischen Staatsexamen von meinen Eltern eine Rolex, gottseidank eine Explorer, ein schlichtes Modell. Hat damals achthundert Mark gekostet. Für das, was ihm die Firma Rolex beim Kundendienst in den letzten Jahrzehnten an Geld abgenommen hat, hätte er zwei Dutzend Tissot Seastars kaufen können. In Gold.

Als es Omega in den zwanziger Jahren schlecht ging, schlossen sich Tissot und Omega zur Société Suisse pour l’Industrie Horlogère SA (SSIH) zusammen. Madame Marie Tissot pflegte noch Jahrzehnte später im Aufsichtsrat die Vertreter der inzwischen viel mächtigeren Konzernschwester Omega daran zu erinnern, wer sie damals gerettet hatte. Die Enkelin des Firmengründers, die wie ihr Bruder Paul noch in Russland geboren wurde, hat fünfundfünfzig Jahre für die Firma gearbeitet, deren Namen sie trug. Die Firmengeschichte von Tissot kann man in dem Buch Tissot: 150 Jahre Geschichte 1853-2003 von Estelle Fallet nachlesen, ein Buch, das leider nicht an die Qualität von Marco Richons Omega Buch heranreicht.

Omega und Tissot verwendeten häufig die gleichen oder ähnliche Werke. Dies ist das erste Automatikwerk (noch eine Hammerautomatik) von Tissot, das beinahe baugleich mit dem  Omega Werk 28.10 ist. Diese Baugleichheit wird man bei Tissot bis zu den neuesten Omega Werken beibehalten. Das Tissot 2940 ist nichts anderes als das Omega 1022. Auch die Quarzwerke der beiden Firmen werden die gleichen sein. Die Werke von Tissot sehen nicht besonders schön aus, den letzten Schliff, den die Omega Werke haben, den haben sie nicht. Aber sie sind robust.

Ein Werk, das Tissot in den 70er Jahren auf den Markt brachte, hat Omega nicht gebaut. Das ist das Kaliber 2250, beinahe nur Plastik. Lief unter dem Namen Astrolon und Sytal (Systeme Total d'Autolubrification). Hatte keine lange Lebensdauer. Die goldenen Taschenuhren, die die Tissots im 19. Jahrhundert dem russischen Zaren lieferten, können heute noch gehen (Tissot hat solche Uhren als Replikat wieder aufgelegt), ein Astrolon Werk aus den 7oer Jahren geht heute bestimmt nicht mehr. Mein Nachbar Uli hat mal versucht, seins zu reparieren. Zu dem Ergebnis sage ich lieber nichts.

Tissot hatte noch eine Sportuhrenlinie, die PR 516 hieß, Seamaster stand da auch häufig noch auf dem Zifferblatt. Was PR 516 bedeutet, weiß niemand so recht, das PR kann für präzise und robust oder particulièrement robuste stehen. Dies hier ist eine PR 516 GL, ein wunderbares 70er Jahre Monster. Man kann mit einem Blick sehen, dass zwischen Zifferblatt und Gehäuse ein Spalt ist. Das Zifferblatt (mit dem Werk) stößt also nicht ans Gehäuse. Diese Entkoppelung von Werk und Gehäuse finden wir in den 70er Jahren bei Sportuhren häufig, so zum Beispiel in der IWC Yacht Club oder der Zenith Defy. Aber man konnte eine solche Konstruktion auch schon preiswerter in der Junghans Trilastic bekommen.

Auch unter der Bezeichnung Seastar lief dieses Modell, das aber keine Verzierungen auf dem Stahlschraubboden hatte. Es war ein Chronograph (Handaufzug), in dem das Tissot Kaliber 872 tickte. Was nichts anderes als das Lemania 1277 war. Der Chronospezialist Lemania war 1930 zur Société Suisse pour l’Industrie Horlogère gekommen und versorgte seitdem Omega und Tissot mit Chronographenwerken.

Mein Chrono hat ein schönes Edelstahlband, und man muss sagen, dass Tissot in den sechziger und siebziger Jahren hrvorragende Armbänder hatte (bei der T12 kamen die sogar von Gay Frères). Ich kannte einen Rolex Besitzer, der seine Rolex mit einem Tissot Band versehen hatte. Sah beinahe so aus wie ein Rolex Band, war aber qualitativ besser. Über die Jahre habe ich eine schöne kleine Tissot Sammlung zusammengetragen. Was mir fehlt, ist diese rechteckige Uhr aus den dreißiger Jahren. 

Aber da ich so viele rechteckige Uhren habe - unter anderem zwei rechteckige Moeris - ist das nicht so schlimm. Meine eine Moeris hat ein gutes Zifferblatt, die andere hat eine Stoßsicherung. Moeris war eine der ersten Firmen, die in den 1930er Jahren Incabloc Stoßsicherungen und Glucydurunruhen einbaute. Die Firma Moeris erwähne ich deshalb, weil ich dadurch einen schönen Übergang zu den Taschenuhren von Tissot bekomme, denn Tissot hat Moeris Anfang der siebziger Jahre gekauft. 

Die Firma von Fritz Moeri war berühmt für ihre Taschenuhren, die im Zweiten Weltkrieg auch von der englischen Armee verwendet wurden. Moeris lieferte erstklassige Qualität, ihre Armbanduhren hatten schon in den 30er Jahren Stoßsicherung und Glucydurunruhe (die vom gleichen Hersteller kamen, der auch Eterna belieferte). Eine Armbanduhr ist berühmt beworden, als es der Firma schon schlecht ging, und sie keine Top Qualität mehr lieferte. Und das ist die James Bond Uhr, sie können Sie in dem Post 007 sehen. Die Taschenuhrproduktion - Tissot ist heute einer der wenigen Hersteller, der noch Taschenuhren anbietet - wanderte zu Moeris. Die auch eine Modellreihe mit der Bezeichnung Moeris Grand Prix offerierten, aber das hatte nichts mehr mit der Qualität zu tun, mit der Moeris einst seine Grand Prix Modelle anbot.

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