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Samstag, 23. Juli 2022

Made in Italy

Ich habe über englische Oberhemden geschrieben und über Schweizer Hemden, und ich habe dabei angekündigt, dass ich irgendwann etwas über italienische Hemden schreiben werde. Wobei in dem Post Hemdenkauf bei ebay schon einiges über die italienische Firma Borrelli gesagt wurde. Und die Firma Guy Rover hat hier auch schon einen Post. Dass ich beim Tippen am Computer Sweatshirts und italienische Hemden trage, das habe ich schon häufiger erwähnt.

Italienische Hemden haben nicht nur Freunde, die Größen stimmen selten. Für viele sind sie zu klein, italienische Konfektionsgrößen haben wenig mit der europäischen Norm zu tun. Vor allem die schmalen Manschetten werden beklagt. Rolex Besitzer kriegen ihre Uhr nicht unter die Manschette. Deshalb hat der Fiat Boss Agnelli seine Uhren immer über der Manschette getragen. Was ihm viele Italiener nachgemacht haben. Für andere sind italienische Hemden die ultima ratio des Oberhemds, das klingt dann in der Werbung eines Händlers so: Beim Herrenausstatter Michael Jondral finden Sie nicht nur ein perfekt passendes Business Hemd von namhaften sartorialen Häusern wie Finamore oder Cesare Attolini. Sie tauchen vielmehr in die Welt von neapolitanischer Raffinesse ein. Es gibt nämlich Männer Hemden und dann gibt es wiederum Herren Hemden, falls Sie verstehen was wir meinen

Michael Jondral hat in Hannover Heinrich Zaple beerbt. Der kommt in diesem Blog schon in dem Post Opernhaus Hannover vor, wo ich schrieb: Modisch gesehen bot Hannover damals noch nicht viel, Heinrich's, H.B. Möller und Michael Jondral gab es noch nicht. Ich mochte Terner, wohin ich manchmal meine Mutter auf ihren modischen Beutezügen begleitete, die hatten früher immer gute Belvest und Isaia Jacketts. Heute haben sie nur noch Canali, alle anderen Marken scheinen in dem kleinen Klamottentempel von Jondral versammelt zu sein. Als ich an der Herresoffiziersschule Hannover war und diese Uniform trug, gab es noch keine italienischen Hemden auf dem Markt. Dass die Münchener Firma Konen eine Linie Atelier Torino hat und dass der Namensgeber für viele C&A Produkte mal ein berühmter italienischer Designer war, das lassen wir mal draußen vor.

Der erste Italiener bei uns im Ort hieß Chiamulera, aber der handelte nicht mit Hemden, der verkaufte Speiseeis. Ich habe erst viel später erfahren, dass die Chiamuleras nicht zu den Italienern gehörten, die in den fünfziger Jahren in die BRD kamen, die Familie war schon seit den Kaiserszeiten in Bremen. In den fünfziger Jahren kamen Hemden aus Bielefeld, immer weiß und von der Hausfrau liebevoll gestärkt. Und als Sahnehäubchen obendrauf gab es im Angebot van Laack und eine Firma, die Création Otto Hoffmann Paris hieß. Die kam allerdings nicht aus Paris, sondern aus Recklinghausen. Mein Otto Hoffmann Hemd, dass ich bei Carl Tiefenthal am Neuen Wall in Hamburg gekauft habe, habe ich schon in dem Post Hathaway erwähnt.

Für ihre Auswahl an Hemden waren die Bremer Herrenaustatter nicht berühmt, egal, ob sie Hespen, Stiesing oder Kalich hießen. Stiesing in der Sögestraße, 1895 gegründet, war das älteste Haus am Platze. Hespen am Wall gab es seit 1910. Hans Kalich in der Böttcherstraße, der auch eine Dependance auf Juist hatte, war das neueste Geschäft. Kalich war der erste, der im Gegensatz zu den an der englischen Mode orientierten Geschäften Stiesing und Hespen, konsequent auf Italiener setzte (Charlie Hespen hatte aber auch interessante Dänen im Angebot). Italienische Hemden fand man bei Kalich allerdings auch nicht. Aber die Zeit wird kommen.

Wenn man dem Einerlei der weißen Hemden entkommen wollte, dann gab es in Bremen eine Adresse. Das war Hugo Nolte in der Sögestraße 58, gegenüber von Stiesing. Das 1890 gegründete Geschäft bezog seine Hemden aus Bielefeld und von Daniel Schagen in Aachen, aber alle Hemden trugen nur das Etikett von Hugo Nolte mit den verschlungenen Buchstaben H und N und der Jahrezahl 1890. Das Schöne war, dass es nicht nur weiße Hemden gab. Es gab auch gestreifte Hemden, Hemden mit rundem Kragen und Tab- oder Piccadilly Kragen, das Angebot war unglaublich. Ein weißes Hemd mit dünnen blauen und schwarzen Streifen (und rundem Kragen) war jahrelang mein Lieblingshemd.

Sie fragen sich, wo die italienischen Hemden bleiben. Keine Sorge, die kommen noch. Doch viele italienische Firmen, die heute berühmt sind, gibt es 1960 noch nicht. Wenige sind so alt wie Truzzi (1890), Lorenzini (1920), Finamore (1925) oder Rubinacci (1932). Borrelli wurde 1957 gegründet, Poggianti 1958, Fray 1962. Etro tritt erst 1968 in Erscheinung, doch da hatten sie aber noch keine Hemden im Programm. Bagutta ist seit 1975 auf dem Markt, aber die Mutterfirma Confezioni Italiane Tessili (die auch erstklassige Hemden für andere Firmen herstellt) gibt es seit 1939. Wenn ich das Jahr 1960 nenne, dann hat das seinen Grund. In Christian Francks Die Bekleidungsindustrie in der EWG können wir lesen, dass die Hemdenproduktion Italiens von 1957 bis 1960 um 64 Prozent gestiegen ist (die der hergestellten Anzüge sogar um 300 Prozent). Jetzt kommen die Italiener wirklich.

Was erst einmal zu uns kam, waren Hemden mit diesem Kragen mit den tiefgezogenen langen Schenkeln. So etwas, was Marcello Mastroianni hier trägt. Die wurden als italienische Hemden verkauft, obgleich sie häufig gar nicht aus Italien kamen. Was man jetzt verkaufen kann, ist der italienische Stil, für den der gran bell'uomo Mastroianni ein Symbol ist. In den Sechzigern wurde 'Made in Italy' zum Gütesiegel in Mode und Design. Vespa, Cinquecento, Entwürfe von Pucci und Ferragamo - Marcello, der unfreiwillige Latin Lover, ist bis heute das Gesicht dazu, schrieb Anne Goebel 2018 in der Süddeutschen

Die italienischen Firmen brauchen keine Werbung zu machen, das machen andere für sie: die Filmindustrie. Der Begriff Hollywood on the Tiber ist in diesen Tagen gepägt worden. Hier sehen wir Marlon Brando mit Guglielmo Battistoni, der 1946 in Rom sein Geschäft für Oberhemden und Seidenpyjamas eröffnet hat. Bei Battistoni kaufen in jenen Tagen auch Vittorio de Sica, Marc Chagall, John Steinbeck, Cole Porter, Humphrey Bogart (der Lauren Bacall mitbrachte), Kirk Douglas und Gianni Agnelli. Das Geschäft ist nicht nur der Treffpunkt für den internationalen Jetset, es wird auch der Lieblingsladen des Herzogs von Windsor. Lesen Sie mehr zu diesem Kapitel der italienischen Modegeschichte in dem ausführlichen Post Cinecittà und die Mode. Die fünfziger Jahre sind die große Zeit der italienischen Mode, das wird nicht so bleiben. Dass aber, wie heute, die Chinesen die Konfektionsindustrie der Toskana beherrschen, auf die Idee wäre niemand gekommen. Da hat das Made in Italy eine völlig neue Bedeutung bekommen.

Ich muss noch einmal auf die Ikone des stile italiano Mastroianni zurückkommen. Der Herr links auf den Photo ist Bruno Piatelli, der Mastroiannis Anzüge für beinahe alle seine Filme gemacht hat. Den Neopren Anzug, den Mastroianni in La Dolce Vita unter seinem Anzug trägt, weil ihm das Wasser im Trevi Trunnen zu kalt ist, den hat Piatelli allerdings nicht gemacht. Anita Ekberg trägt in der Szene nur Anita Ekberg unter ihrem Kleid.

Dies ist der erste Post zu dem Thema italienische Hemden, es werden noch andere folgen. 1930 hatte Benito Mussolini erklärt, dass es einen italienischen Einrichtungs-, Dekorations- und Kleidungsstil noch nicht gebe, aber es könne ihn geben, also müsse er jetzt entstehen. Ich weiß nicht, wie er sich den stile italiano vorgestellt hat. Seine Uniformen und schlechtsitzenden Anzüge können es wohl nicht gewesen sein. Mussolini hat Ermenegildo Zegna zum Grafen gemacht, weil er ein vorbildlicher Unternehmer war, dem seine Arbeiter am Herzen lagen. Die Zegnas waren damals Weber, Herrenoberbekleidung stellten sie noch nicht her. Wenn sie 1968 diese Bühne betreten, nennt man sie Designer. Das bedeutet nicht, dass sie Hemden nähen können, die macht ein anderer für sie. Der Kunde glaubt, dass der Name des Designers für Qualität steht, aber das ist ein Irrglaube. Das kleine Etikett Made in Italy bedeutet nicht immer, dass das Produkt von hervorragender Qualität ist.

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