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Dienstag, 23. April 2024

Robert Desnos


Am 23. April 1965 wurde in Paris der Peugeot 204 vorgestellt, das erste Auto von Peugeot mit Frontantrieb (und Scheibenbremsen). Ich kenne den Wagen, ich hatte einen, das steht schon in dem Post Traumwagen. Als ich mir einen neuen 204 kaufen wollte, gab es das Modell nicht mehr. Da habe ich mir meinen ersten Golf gekauft. Der hatte zwar auch ein Schiebedach, aber er besaß natürlich nicht die Armaturen von Jaeger-LeCoultre, die der Peugeot hatte. Mein Gedicht kommt heute von dem Franzosen Robert Desnos, einem Dichter der Avantgarde. Er war ein Vertreter des Surrealismus. Hier ist er mit anderen Surrealisten (André Breton und Paul Éluard sind auch dabei) bei einem Jahrmarktbesuch, Desnos ist der zweite von links. Er liebte Sprachspielereien. Wie in diesem Gedicht über die Ameise:

Une fourmi de dix-huit mètres
avec un chapeau sur la tête
ça n'existe pas, ça n'existe pas.
Une fourmi traînant un char
plein de pingouins et de canards
ça n'existe pas, ça n'existe pas.
Une fourmi parlant français
parlant latin et javanais
ça n'existe pas, ça n'existe pas.
eh ! et pourquoi pas !


Juliette Gréco hat das gesungen, sogar auf deutsch. Das war auf der Platte, die der Twen 1965 herausgebracht hatte. Die habe ich immer noch. Robert Desnos, dessen geistige Väter Baudelaire und Rimbaud waren, kann auch andere Dinge als die Sache mit der Ameise und die vielen wortspielerschen Kindergedichte. 

Wenn Desnos nicht dichtete, nicht für das Radio und den Film arbeitete, schrieb er Werbesprüche, so etwas bringt Geld, Gedichte bringen nicht so viel. Mehr als hundert Werbesprüche hat er für Cinzano, Nivea und für die Seifenfirma Cadum verfasst. Und auch für die Automobile von Peugeot. Deren erfolgreichstes Modell war damals der Peugeot 201. Desnos war der Meinung, dass seine Kindergedichte das Einzige wären, was von ihm überleben würde: Ce que j'écris ici ou ailleurs n'intéressera sans doute que quelques curieux espacés au long des années. Tous les vingt-cinq ou trente ans on exhumera dans quelques publications confidentielles mon nom et quelques extraits, toujours les mêmes. Les poèmes pour enfants auront survécu un peu plus longtemps que le reste. J'appartiendrai au chapitre de la curiosité limitée. Es ist mehr von ihm geblieben, nicht nur die Ameise und die Kindergedichte. In der französischen Wikipedia hat er einen erstklassigen Artikel, so etwas wünschte man sich auch im deutschen Teil der Wikipedia.

Mit dem Einmarsch der Deutschen geht es mit dem Surrealismus zu Ende, von dem hatte sich Desnos längst getrennt. Breton emigriert in die USA, Éluard und Desnos gehen in die Résistance. Im Februar 1944 wird Desnos von der Gestapo verhaftet und kommt in das Lager Royallieu, ein Sammellager für Deportationen. Dann folgen die Stationen Auschwitz, Buchenwald und Flossenbürg. Von dort kommt er in das Lager Flöha in Sachsen, wo er für die dort ansässige Tarnfirma Fortuna G.m.b.H. mit sechshundert anderen Häftlingen Flugzeugteile für die Messerschmitt Bomber herstellen muss. Da denkt er wahrscheinlich nicht mehr an das Pappflugzeug auf dem Jahrmarkt, in dem er mit den anderen Surrealisten posierte. Obgleich ihn sein Lebensmut und seine Kreativität nie verlassen hat, er schreibt noch im KZ Gedichte. Und er erfindet seltsame Dinge, um den Mithäftlingen das Leben zu erleichtern. Aber er infiziert sich mit Typhus und stirbt am 8. Juni in Theresienstadt, wenige Wochen nach der Befreiung des Konzentrationslagers. Jusqu’à la mort, Robert Desnos a lutté pour ce qu’il avait à dire et pour l’idée de la liberté, qui tout au long de ses poèmes, court comme un feu terrible, claque comme un drapeau parmi les images les plus neuves, les plus violentes aussi. La poésie de Desnos, c’est la poésie du courage. Il a toutes les audaces possibles de pensée et d’expression. Il va vers l’amour, vers la vie, vers la mort sans jamais douter, wird Paul Éluard nach dem Krieg sagen.

In seinem Gedichtband Contrée, in dem seine Gedichte aus der Zeit von 1942 und 1943 gesammelt sind, findet sich das Gedicht L’épitaphe, das, im Ton von François Villon geschrieben, seinen Tod schon vorwegnimmt:

L’épitaphe

J’ai vécu dans ces temps et depuis mille années
Je suis mort. Je vivais, non déchu mais traqué.
Toute noblesse humaine étant emprisonnée
J’étais libre parmi les esclaves masqués.

J’ai vécu dans ces temps et pourtant j’étais libre.
Je regardais le fleuve et la terre et le ciel
Tourner autour de moi, garder leur équilibre
Et les saisons fournir leurs oiseaux et leur miel.

Vous qui vivez qu’avez-vous fait de ces fortunes?
Regrettez-vous les temps où je me débattais?
Avez-vous cultivé pour des moissons communes?
Avez-vous enrichi la ville où j’habitais?

Vivants, ne craignez rien de moi, car je suis mort.
Rien ne survit de mon esprit ni de mon corps.


Paul Celan hat das Gedicht ins Deutsche übersetzt:

Ich bin der Tote, der durch jene Zeiten schritt.
Vor tausend Jahren. Aufrecht und gejagt.
Das Menschliche, von Mauern war’s umrangt.
Vermummte Sklaven rings – ich lebte mit.

In jenen Zeiten lebt ich – lebt ich frei.
Mein Auge sah die Erde, es sah zum Himmel auf,
Ich sah, wie alles kreischte, ich sah den Wasserlauf.
Die Blüte gab den Honig, der Vogel zog vorbei.

Mit alledem, ihr Menschen, was fingt ihr damit an?
Die Zeit, in der ich’s schwer hatt’, tragt ihr sie noch im Sinn?
Sät ihr die Saat gemeinsam und erntet jedermann?
Ist sie durch euch jetzt schöner, die Stadt, aus der ich bin?

Ihr Lebenden, ich leb nicht, ihr braucht nicht bang zu sein.
Mein Leib, er lebt nicht weiter, mein Geist nicht, nichts, was mein.


Ich weiß nicht, warum ich immer, wenn ich so etwas lese, an Björn Höcke denken muss.

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