Montag, 28. März 2011

Suhrkamp


Peter Suhrkamp wurde heute vor 120 Jahren geboren. Und der Verlag, der seinen Namen trägt, wird in diesem Jahr 60 Jahre alt. Das steht auf der schönen bunten Papiertüte, die Volker mir mit einer Woche Süddeutsche Zeitung gefüllt ins Wohnzimmer gestellt hat. Obgleich Suhrkamp mal einen Weiße Reihe hatte und die Bibliothek Suhrkamp mit dem Design von Willy Fleckhaus eigentlich zuerst auch weiß war, assoziiert man den Verlag eher mit bunten Farben. Allen Farben des Regenbogens. Das war (und ist) die berühmte edition suhrkamp, immer klein geschrieben.

Das Design in den Spektralfarben stammte wieder von Willy Fleckhaus. Wir hatten an der Schule eine junge Kunstlehrerin, von der gemunkelt wurde, sie sei die Assistentin von Willy Fleckhaus beim twen gewesen. Die Zeitschrift fand ich ja damals ganz toll, und für den Anfang der sechziger Jahre war sie das auch. Leider ist der schöne Katalog von Michael Koetzle twen: Revision einer Legende inzwischen auch schon Vergangenheit. Ich war einmal Anfang der sechziger Jahre auf einer Kulturtagung (natürlich weil man dafür schulfrei bekam), wo eine Dame mit Dutt hasserfüllt einen Vortrag über den twen hielt. Das Magazin war für sie der Untergang des Abendlandes. Sie reichte auch zur Abschreckung einige Hefte herum. Die habe ich alle mitgenommen, damit meine Mitschüler nicht in Versuchung gerieten, in den Strudel des Unterganges gezogen zu werden. Unglücklicherweise fand ich später heraus, dass die Vortragende die Tante meiner damaligen Freundin war.

Das Drei-Tage-Seminar fand damals an einem Ort statt, der nur wenige Kilometer von Peter Suhrkamps Geburtsort bei Oldenburg entfernt war. Das kleine Kaff Hatten kenne ich gut. Meine Kaserne war nicht weit davon entfernt, und als Infanterist lernt man ja die Landschaft im 50 Kilometerradius um den Standort herum gut kennen.

Aber der großgewachsene Bauernsohn Peter Suhrkamp ist aus dem Oldenburger Land herausgekommen. Bis in die Hauptstadt Berlin, wo er den renommierten S. Fischer Verlag durch das so genannte Dritte Reich gesteuert hat. Den Verlag, der seinen Namen trägt (und der aus dem Fischer Verlag hervorgegangen ist), hat er zwar gegründet, aber nicht mehr prägen können. Denn alles, was man heute mit Suhrkamp assoziiert, ist nicht Suhrkamp sondern Siegfried Unseld. Also zum Beispiel die Suhrkamp culture, ein Begriff, den George Steiner erfunden hat und den Unseld gerne vermarktet hat. Das äussere Zeichen der Suhrkamp culture waren diese regenbogenfarbigen Bände. Wenn man davon ganz viele im Regal hatte, glaubten Gäste, dass man ein Intellektueller sei. Books do furnish a room.

Der Suhrkamp Verlag ist heute in schwierigen Zeiten, mehr oder weniger öffentlich werden seit Jahren Machtkämpfe inszeniert, die viele Betrachter an Shakespearesche Königsdramen erinnern. Oder an die Götterdämmerung. Der langsame Untergang ist auch schon in Norbert Gstreins Schlüsselroman Die ganze Wahrheit (Hanser Verlag 2010) Teil der Literatur geworden. Die Verlagschefin Ulla Berkéwicz hat dem Autor bisher nicht den Gefallen getan, ihn zu verklagen. Die Bücher von Ursula Schmidt, die sich irgendwann Ulla Berkéwicz nannte, kann man bei Amazon ab einem Cent kaufen. Da kriegt man für einen Euro schon das Gesamtwerk zusammen. Ich weiß nicht, was von Suhrkamp übrig bleiben wird. Ist mir auch egal, ich habe das Gefühl, dass die gute Literatur inzwischen an ganz anderen Stellen verlegt wird. Zum Beispiel beim Ammann oder dem Residenz Verlag, deren Büchern ich in den letzten Jahren schöne Leseerlebnisse verdankt habe. Aber die bunte Tüte mit dem 60 Jahr Suhrkamp Aufdruck, die bewahre ich auf.

In einem Nachruf auf Peter Suhrkamp schrieb Hans Erich Nossack 1959: Seine Persönlichkeit wirkte so stark, daß sich alle nur eingebildeten Unzufriedenheiten und müden Zweifel in Nichts auflösten; man schämte sich in seiner Gegenwart, ihnen überhaupt verfallen zu sein. Das wird man über Frau Berkéwicz wohl niemals sagen. Als die Nazis den hochdekorierten Offizier des Ersten Weltkriegs Peter Suhrkamp 1944 erst ins Gefängnis und dann in ein Konzentrationslager gebracht hatten, wo sie ihn folterten, schrieb sein Lektor Hermann Kasack die kleine Erzählung Das Birkenwäldchen. Sie wurde im zweiten Heft des Jahres 1944 in der Neuen Rundschau veröffentlicht, sodass Suhrkamp die Möglichkeit hatte, sie im Gefängnis zu lesen. Sie sollte ihm Trost spenden und ihm zeigen, dass es draußen noch eine andere Welt gebe. Wenn irgendein Buch ein Werk der inneren Emigration ist, dann ist es Kasacks Birkenwäldchen. Siegfried Unseld hat 1996 zum hundertsten Geburtstag von Kasack Das Birkenwäldchen neu aufgelegt, mit einem schönen Nachwort versehen, das Hermann Kasack und Peter Suhrkamp gleichermaßen würdigte. Das hatte noch Stil. Heute hat man bunte Tüten.

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