Dienstag, 1. März 2011

Harry Belafonte


Fünfzig Jahre hat es gedauert, bis diese LP als CD erschienen ist. Seit dem Beginn des CD Zeitalters habe ich danach gesucht, man bekam beinahe alles von Harry Belafonte auf CD, aber nicht Belafonte Sings the Blues. Meine gute alte LP von RCA Victor mit dem Living Stereo Aufdruck hatte mit der Zeit etwas gelitten. Und jetzt kann man sie mit einem Klick kaufen. Das war Ende der fünfziger und Anfang der sechziger Jahre noch anders, da brauchte man viel Zeit und Geduld, um an Harry Belafonte Platten zu kommen. Aber die Suche nach einer Platte, von der man gehört hatte, wurde zu einer Gralssuche, zu einer âventiure durch Dutzende von kleinen und großen Plattenläden. Und wenn man das Objekt seiner Begierde endlich gefunden hatte, dann bedeutete es einem mehr, als heute auf das Feld Jetzt mit 1-Click kaufen bei Amazon zu gehen.

Als der Vater meiner damaligen Freundin beruflich in die USA flog (was 1960 noch ein großes Ereignis war), habe ich ihn gebeten, mir Belafontes Calypso (die erste LP, die mehr als eine Million mal verkauft wurde) mitzubringen. Hat er auch getan, aber er hat mich mit einem Gesicht angeguckt, das ganz klar sagte, dass ich nicht der richtige Typ für seine Tochter sei. Die LP Belafonte at Carnegie Hall hat mir Ekke aus New York geschickt, und dafür bin ich ihm ewig dankbar.

Auf der alten LP stehen unter dem Plattentitel Belafonte sings the Blues die Lieder, die Belafonte singt. Drei Titel von Ray Charles, einer (God Bless the Child) von Billie Holiday. Auf der neuen CD stehen da Namen, die RCA damals (selbst im Kleingedruckten) nicht erwähnenswert waren: Roy Eldridge, Don Fagerquist, Ben Webster, Plas Johnson, Hank Jones, Jimmy Rowles, Howard Roberts, Laurindo Almeida. Für RCA waren das damals nur gemietete Musiker für die Hintergrundmusik, für Jazzfans heute sind das klangvolle Namen. Als Belafonte berühmt war, hat er viele junge Musiker gefördert. Ich werde es natürlich nicht auslassen zu erwähnen, dass auf Midnight Special 1962 ein junger Mann namens Bob Dylan seinen ersten Auftritt hat.

Belafonte hat in Jazzclubs angefangen, bei seinem ersten öffentlichen Auftritt hatte er keinen geringeren als Charlie Parker an seiner Seite. Vielleicht hätte er, wie Johnny Hartman mit Coltrane an seiner Seite, dabei bleiben sollen. Eine Kombination von Belafonte und Charlie Parker hätte etwas werden können. Aber damals begann Folk Music eine neue Sache zu sein, und Belafonte importierte jetzt die Musik von Jamaica nach New York. Immerhin hatte er da einen Teil seiner Jugend verbracht. Er ist nicht der einzige, der das tut. Wenn man sich die CD London Is The Place For Me: Trinidadian Calypso In London, 1950-1956 von Lord Kitchener anhört (die auch ein hervorragendes Booklet besitzt), merkt man, dass auch London jetzt im Bann dieser Musik ist. Auf jeden Fall seit 1948 die MV Empire Windrush die ersten Einwanderer aus der Karibik nach London gebracht hatte. Weil der British Nationality Act von 1948 das jetzt erlaubte.

Belafonte ist seinen ganz eigenen Weg gegangen, der schon früh das einschloss, was man später Weltmusik genannt hat. Er ist im Lauf der Zeit kommerzieller geworden und hat auch schlimmen Kitsch gesungen. Wenn er süßlich Scarlet Ribbons singt, sträuben sich bei mir immer die Nackenhaare. Aber er hat das Lied schon ganz früh gesungen, wie man auf der Naxos CD Matilda, Matilda: Original Recording 1949-1954 hören kann.

Belafonte ist auch als kritischer Bürger der USA seinen eigenen Weg gegangen. Das letzte Kriegsjahr war er noch als Freiwilliger in der US Navy, die fünfziger Jahre finden ihn an der Seite von Martin Luther King. Für das Civil Rights Movement ist er sein Leben lang (auch finanziell) eingetreten, da ist Paul Robeson sein lebenslanges Vorbild gewesen. Er ist auch keinem politischen Streit aus dem Weg gegangen. Zum Beispiel als er den Verteidigungsminister Colin Powell attackierte: There is an old saying, in the days of slavery. There were those slaves who lived on the plantation, and there were those slaves who lived in the house. You got the privilege of living in the house if you served the master, do exactly the way the master intended to have you serve him. That gave you privilege. Colin Powell is committed to come into the house of the master, as long as he would serve the master, according to the master's purpose. And when Colin Powell dares to suggest something other than what the master wants to hear, he will be turned back out to pasture. And you don't hear much from those who live in the pasture.

Er stand auf den schwarzen Listen während der McCarthy Zeit, er wurde in Hotels nicht bedient, weil er farbig war. Aber er ist gradlinig, wie sein Vorbild Paul Robeson, seinen Weg gegangen. Wenn man die Interviews liest, die Günter Amendt Anfang der achtziger Jahre mit ihm geführt hat (Was mich bewegt: Gespräche mit Günter Amendt. Konkret Literatur Verlag 1982), kann man sehen, dass dieser Mann mehr ist als ein Entertainer. 1997 hat Belafonte in einer Rede vor den Veteranen der Abraham Lincoln Brigade über Paul Robeson gesagt:

Shortly before he died, I visited him in Philadelphia. He was living at his sister's. And I looked at this giant of a man who was, quite frail in body, but still strong in spirit. And through all that had engulfed him -- McCarthyism, the difficult times that he faced in this country because of his beliefs, because of his resistance to oppression -- I looked at him, and I said, 'Paul, I must know. Was all that you have gone through, really worth it? Considering the platform you had gained, and how easy life could have been for you, was it worth it?' And he said, `Harry, make no mistake: there is no aspect of what I have done that wasn't worth it. Although we may not have achieved all the victories we set for ourselves -- may not have achieved all the victories and all the goals we set for ourselves, beyond the victory itself, infinitely more important, was the journey.'

Vor einem halben Jahrhundert war es seine Stimme, waren es Platten wie CalypsoBelafonte Sings the Blues und Belafonte at Carnegie Hall, die mich faszinierten. Sie faszinieren mich heute noch. Aber noch mehr bewundere ich seinen Lebensweg.

Harry Belafonte wird heute 84. Da muss ich gratulieren, auch wenn er es wahrscheinlich nie erfährt.

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