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Montag, 26. Dezember 2016

Christmas Cards


Sie werden die Geschichte von dem Geizhals Ebenezer Scrooge kennen, er begegnet uns in ➱Charles Dickens' Christmas Carol. Das griechische Finanzministerium hat in diesem Jahr eine Weihnachtskarte mit der originalen Illustration von John Leech an Journalisten verschickt. Auf der Karte steht: Perhaps all Christmas stories feature a terrifying Ebenezer welcoming the spirits of Christmas in his desolate loneliness, and perhaps our Christmas story is no exception. But dear friends and colleagues, our wishes will prevail over all the Ebenezers of this world. A very happy new year, with health and love focused on those all around us. Mit den Ebenezers of this world sind die Kreditgeberländer gemeint. Da wird sich Frau Merkel sicher freuen.

Dabei sparen sie ja, ➱die lieben, nie zahlenden Griechen. Schon vor der Staatspleite von 1893 war man dabei zu sparen. Es gibt die schöne ➱Anekdote, dass der Premierminister das Finanzministerium damals angewiesen habe, den Posten Katzenfutter zu streichen: Wenn die Katze ihre Arbeit sauber macht, braucht sie das Futter nicht, wenn sie ihre Arbeit nicht sauber macht, dann brauchen wir sie nicht. Dieses Bild hier ist nicht als Weihnachtskarte verschickt worden, es wäre aber vielleicht eine Anregung für das griechische Finanzministerium für das nächste Jahr.

Sie haben doch bestimmt auch Weihnachtskarten verschickt. Solche für einen guten Zweck? Kitschige? Komische? Oder selbstgemachte Karten mit dem guten alten Kartoffeldruck? Wir können den Karten und der Kartenflut gar nicht entgehen. Dabei gibt es sie noch gar nicht so lange. Für eine kleine Geschichte der Weihnachtskarte kommen wir nicht an dem Engländer Sir Henry Cole vorbei.

Sir Henry ist schon mehrfach in diesem Blog gewesen. Dass er die Christmas Card und die Penny Post erfunden hat, stand schon 2011 in dem Post ➱Bill Bryson; die Dinge, für die er eigentlich berühmt wurde, finden sich in den Posts ➱Prince Consort und ➱Alfred Lichtwark. Das hier ist übrigens die erste Weihnachtskarte der Welt, in Auftrag gegeben von Sir Henry Cole und illustriert von John Callcott Horsley. 1843 in einer ersten Auflage von tausend handkolorierten Exemplaren in den Handel gekommen (es gab danach noch eine zweite Auflage). Es hat davon immer wieder Reproduktionen gegeben, besäße man eine originale Karte, dann hätte man ein kleines Vermögen.

John Callcott Horsley, der auch diesen wunderbaren viktorianischen Kitsch produziert hat, ist Mitglied der Royal Academy gewesen; er hatte das Glück, schon als junger Maler die Gunst des Mäzens John Sheepshanks erlangt zu haben. Das ist der Millionär, der einmal aus dem Erster Klasse Abteil der Bahn geworfen wurde, obgleich er einen gültigen Fahrtausweis hatte, er sah so abgerissen aus. Englische Gentlemen pflegen heute immer noch so einen Look, Männer in neuen Anzügen und neuen Schuhe sind Neureiche, keine Gentlemen. Der Kunstsammler Horsley, dem das ➱Victoria & Albert Museum viel verdankt, begegnet uns in diesem Blog immer wieder, so zum Beispiel in den Posts ➱Robert Vernon, ➱Francis Danby, ➱David Wilkie, ➱William Turner in Kiel und ➱Gordale Scar.

Für anglophile Leser kann ich das Buch From Stonehenge to Santa Claus: The Evolution of Christmas von Paul Frodsham empfehlen, in dem auch Weihnachtskarten vorkommen. A propos anglophile Leser: obgleich dies ein Blog ist, in dem viel England und ➱Engländer vorkommt, lesen mich die Inselaffen überhaupt nicht. Das hat nichts mit dem ➱Brexit zu tun, die haben mich auch vorher nicht gelesen. Dafür bin ich seit zwei Monaten der darling der Franzosen, das finde ich très charmant. Im Augenblick lesen mich erstaunlicherweise jeden Tag genau so viel Franzosen wie Deutsche, da kann ich gerne auf die Engländer verzichten.

Obgleich die die Traditionen des Weihnachtsfests sehr kritisch sehen können. So die Historikerin Judith Flanders auf der Seite der ➱British LibraryShould one want to find the ultimate Christmas celebration, the oldest traditions, the most cherished customs, surely Dickens is the author to turn to. The problem is that, during Dickens’s lifetime, most of these traditions were barely traditions at all. The ‘traditional’ British Christmas we know today is not found in the mists of history, but is entirely a product of industrialisation. Alles nur Kommerz. Oder mit den Worten von Ebenezer Scrooge: Humbug, humbug.

In der Kieler Universitätsbibliothek gibt es seit dem Nikolaustag die Ausstellung ➱Alle Jahre wieder - Zur Geschichte der Weihnachtspostkarten, die noch bis zum 26. Februar 2017 zu sehen ist. Das Konzept der Ausstellung wurde von der Kieler Kunsthistorikerin Dr Birthe Gaethke erarbeitet, über zweihundert Karten mit ergänzenden Objekten sind hier zu sehen. Das ist ein Nostalgietrip durch die Welt der Weihnachtspostkarte, aus einer Zeit, als es die ➱Universelle plus noch nicht gab. Im schleswig-holsteinischen Schwarzenbek stehen vierzig von diesen Hightech Maschinen, die handschriftliche Karten schreiben. Falls ihnen der Ortsname Schwarzenbek nicht sagt, dann sollten Sie mal eben den Post ➱Schwarzenbek lesen. Dann wissen Sie, weshalb Louis Armstrong von dem Ort begeistert war. Das hier oben ist übrigens die neue Universitätsbibliothek. Dieses Manche leuchten, wenn man sie liest der Neon Lichtinstallation von Elsbeth Arlt ist natürlich ein ➱Zitat. Ohne Zitate geht es in der Uni nicht. In Krimis wie ➱Morse oder ➱Lewis auch nicht.

Birthe Gaethke, die schon eine Vielzahl interesanter Ausstellungen kuratiert hat, hat auch noch ein Buch zu dem Thema geschrieben: ➱Engelsgrüße aus der Ferne. Weihnachtspostkarten aus alter Zeit, am 1. Dezember im Husum Verlag erschienen. Wenn Sie jetzt merken, dass Sie einigen lieben Menschen keine Weihnachtskarte geschickt haben: schicken Sie doch dieses Buch, es kostet nicht die Welt! Das griechische Finanzministerium hat übrigens auch gespart. Wie Ebenezer Scrooge. Die kleine Haßbotschaft auf die europäischen Scrooges fand sich nicht auf einer gedruckten Karte. Und auch die Universelle plus in Schwarzenbek brauchte nicht in Aktion zu treten: dies war eine E-Card. Ist billig, hat aber keinen Stil.

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