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Montag, 9. Januar 2017
Gotthardt Kuehl
Und irgendwann schreibe ich mal über Gotthardt Kuehl, habe ich vor vier Jahren in dem Post ➱Stadtansichten geschrieben. Und dabei dieses schöne Bild von der Augustusbrücke zu Dresden im Schnee abgebildet, vielleicht sein bekanntestes Bild. Er hat es fünfzig Mal gemalt, in Bremen hat man auch eine Version. Gotthardt Kuehl kommt aus Lübeck wie ein anderer Maler Jahrhunderte vor ihm. Der aber nicht nach Dresden ging wie Kuehl, der ging nach England. Verwandelte sich aus Gottfried Kniller in ➱Godfrey Kneller, wurde Hofmaler und wurde geadelt.
Das schaffte Kuehl, der am 9. Januar 1815 in Dresden starb, nicht ganz, aber er wurde von Friedrich August III, dem letzten König von Sachsen, zum Geheimen Hofrat ernannt. Gotthard Kuehl war ein Gründungsmitglied der Dresdener Sezession, die eine Abkehr von der Historienmalerei und eine Hinwendung zur Freiluftmalerei bedeutete. Zu den Mitgliedern des Vereins bildender Künstler Dresden gehörte auch der Bildhauer Robert Diez, der mit ➱Meerjungfrauen + Waldnixen hier schon einen Post hat.
Gotthardt Kuehl hat schöne impressionistische Stadtansichten (und ➱Innenansichten von Kirchen) gemalt, deshalb wird er auch in dem Post Stadtansichten genannt, der eigentlich über Eduard Gaertner geht. In dem viel zu kurzen Wikipedia Artikel (die Stadtwiki Dresden hat einen längeren Artikel) findet sich der Satz Kuehl malte vor allem feine Interieurs, durchaus auch mit sozialem Bezug. Dies hier wäre ein Beispiel. Es hängt heute in Greifswald, in Dortmund hat man eine Variante von diesem Bild. Dort steht über der Tür ➱Leihanstalt, das Schild fehlt in dieser Version von 1873, die Im Leihhaus heißt. Ältere Damen vor der Tür, die ihr letztes Hab und Gut zu Geld machen wollen, sicherlich ein Kommentar auf Bismarcks Sozialpolitik.
Dem Gemälde verwandt ist das Bild der nähenden Waisenhausmädchen in Lübeck, das Kuehl in seiner Pariser Zeit (1878-1889) gemalt hat. Die Bilder der Impressionisten hat Kuehl wohl zum ersten Mal 1873 bei der Weltaustellung in Wien gesehen. Dorthin hatte er Im Leihhaus als sein Debütbild geschickt. Auf die Motivik des Waisenhauses war Kuehl durch Max Liebermann gekommen. Kuehl hat über die Jahre an die zwanzig Bilder von Waisenhäusern gemalt. Die Kunsthalle Bremen besitzt eines dieser ➱Gemälde, bei dem Wikipedia Photo findet sich der Satz Näheres zum Bild aufgrund der armseligen Website der Kunsthalle leider nicht online zu finden. Man sollte das ganz fett setzen, es ist armselig. Als ich den Post ➱Kunsthalle Bremen geschrieben hatte, habe ich den dem Direktor mit einer netten Mail geschickt und ihn auf den selten funktionierenden Online Katalog aufmerksam gemacht. Er hat nie geantwortet.
Zu diesem Bild aus dem Jahre 1885, das unter dem Titel Amoureux au café 1995 bei Sothebys auftauchte, vermerkte der französische Wikipedia Artikel
localisation inconnue. Es scheint sich in einer Privatsammlung zu befinden. Im Internet bieten hunderte von Firmen es als Kunstdruck an, man kann es auch als Bettbezug bestellen, ist vielleicht passend für junge Liebende. Mit diesem Bild ist Kuehl sicher beim Impressionismus angekommen, der sich aber schon mit dem Licht in sein Leihhaus (im zweiten Absatz) hineingeschlichen hat. Es ist ein Licht, das manchmal an ➱Waldmüller (den man in dieser Zeit in Dresden neu entdeckte) erinnert. Das Bild vom Leihhaus ist übrigens ganz klein: 39 x 48,5 Zentimeter. Aber es hat eine große Wirkung. Als es noch in Kiel in der ➱Stiftung Pommern neben den beiden ➱Rayskis hing, spielte ich immer mit der Idee, es von der Wand zu nehmen und es nach Hause mitzunehmen.
Die Kunsthalle Kiel besitzt dieses wunderschöne Bild eines nähenden Mädchens. Als ➱Jens Christian Jensen 1987 die Ausstellung Die Idylle: Eine Bildform im Wandel. 1750 - 1930. Zwischen Hoffnung und Wirklichkeit machte, wanderte das Bild auf den Umschlag des Katalogs. Den kann man übrigens noch sehr preisgünstig finden. Ich bin damals jede Woche einmal in der Ausstellung gewesen. Idyllen kann man sich immer anschauen. Und sie sind ja selten geworden, man findet sie beinahe nur noch auf Bildern. Es ist eine Wirklichkeitsflucht, und die ist manchmal notwendig.
Doch bevor wir uns in Idyllen verlieren, habe ich zum Schluß noch etwas sehr Reales, was wir nicht unbedingt mit dem Dresdner Impressionisten Kuehl in Verbindung bringen würden: das erste deutsche Bild eines Fußballspielers. Der trägt Preußens Farben und könnte für den Fußballclub Britannia Berlin spielen. Das Bild ist vor wenigen Jahren in einer Sendung von Kunst und Krempel aufgetaucht, das ist sicherlich schon eine kleine Sensation. Wenn Sie noch mehr Bilder von Fußballern sehen wollen, dann klicken Sie den Post ➱Neo Rauch an.
Gotthardt Kuehl ist in diesem Blog immer wieder erwähnt worden, so zum Beispiel in den Posts Stadtansichten, Richard von Hagn, Albert Stagura, Frank Duveneck und Friedel Anderson. Ein Werkverzeichnis von Kuehl gibt es leider nicht, aber es gibt das 1993 bei Seemann in Leipzig erschienene Buch von Gerhard Gerkens Gotthardt Kuehl 1850–1915. Das begleitete die Kuehl Ausstellungen in Dresden und Lübeck. Wenn Sie noch mehr Bilder von Kuehl sehen wollen, dann gehen Sie zu der Seite akg images.
Manchmal sucht man was, was nicht gefunden wird. Wird dann mal eine Überraschung gefunden, im so besser. So geht es mir mit diesem Blog.
AntwortenLöschenTrotzdem ist Kuehl erst 1915 gestorben. Die Amtszeit des letzten sächsischen Königs wäre sonst unverhältnismäßig lang gewesen.