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Mittwoch, 6. September 2017

Prequel


ZDF_neo setzt auf englische Krimiserien. Die man auch unendlich wiederholen kann. Wie zum Beispiel ➱Inspector Barnaby. Oder ➱Inspector Lewis, Father BrownVera, Inspector Banks etc. Oder, auf einem niedrigerem Niveau, aber ganz vergnüglich, Agatha Raisin. Jetzt hat man etwas neues, nämlich ein sogenanntes Prequel. Eine Serie die ➱Der junge Inspektor Morse heißt. Heißt im Original Endeavour und hat hier schon einen Post. Und wir haben zu der Serie ein Sequel, das Lewis heißt. Aber der Mittelteil fehlt uns, eine Serie, die es hier nie zu sehen gab (außer mal in der DDR), doch das macht offenbar nichts.

Der fehlende Mittelteil ist selbstverständlich die Serie Morse (die ➱hier natürlich schon einen Post hat), eine der besten englischen Krimiserien. 33 Folgen, je zwei Stunden lang (ohne die Werbung 100 Minuten). Die Serie lief von 1987 bis zum Jahre 2000. Überall in der Welt, nur nicht - wie gesagt - bei uns. Die Serie basiert auf den Romanen von Colin Dexter, der es sich nicht nehmen ließ, in dreißig Folgen einen kleinen Cameo Auftritt zu haben.

Auch bei den ➱Lewis Filmen war er gelegentlich zu sehen (im Prequel ➱Endeavour auch). Und die Drehbuchautoren von Prequel und Sequel, die sich aus den Romanen von Colin Dexter bedienten, konnten ständig mit ihm zusammenarbeiten. Jetzt sind sie auf sich alleingestellt, denn im März ist Colin Dexter (hier auf dem Bild neben seinen beiden Detektiven) im Alter von 86 Jahren gestorben. Alle Folgen von Inspector Morse (18 DVDs) bekommt man für 43,90. Nur in englischer Sprache, aber es gibt englische Untertitel.

Und das ist immer besser als eine schlechte Synchronisation. Wie die von dem Pilotfilm von Endeavour, der am Sonntag gesendet wurde. Das hier ist Roger Allam als Detective Inspector Fred Thursday, der dem jungen Detective Constable Morse eine Art väterlicher Freund ist. Roger Allam ist ein berühmter englischer Schauspieler, der seinen Ruhm dem Theater verdankt. In diesem Punkt unterscheiden sich englische Krimiserien von deutschen. Viele berühmte englische Schauspieler finden es nicht unter ihrer Würde, in einer Krimiserie mitzuspielen.

Roger Allam war letztens hier im Fernsehen in dem Dreiteiler The Politician's Husband (Der Mann an ihrer Seite) zu sehen. Da spielte er Marcus Brock, den Chief Whip des House of Commons. Und er sagte in einer Szene, wörtlich bekomme ich das nicht mehr zusammen: Wenn wir fünfzig Prozent der Zeit, die wir auf unsere Whitehall Intrigen verwenden, auf die Lösung von Problemen verwenden würden, könnten wir etwas erreichen. Darüber könnte man einmal nachdenken. Roger Allam hat eine klar erkennbare sonore Stimme, die seinem Inspector Fred Thursday Autorität verleiht. Leider nicht in der deutschen Fassung, da ist die Stimme des  deutschen Synchronsprechers eine Fehlbesetzung.

In dem Pilotfilm von Endeavour findet sich auch der Schauspieler Danny Webb. Hier können wir ihn in dem Film Churchill als General Alan Brooke sehen, die Rolle hat er wahrscheinlich bekommen, weil er dem General sehr ähnlich sieht. Man konnte ihn am Montag in der Barnaby Folge Dance with the Dead sehen. Er ist ein sehr versatiler Schauspieler, der auch in dem Pilotfilm zu ➱Lewis eine Rolle hatte.

In Der junge Inspektor Morse spielt er den Detective Sergeant Arthur Lott, einen Mann, der keine Zierde für die Polizei ist. Inspector Thursday hat ihn gerade gefeuert, er ist versetzt worden. Und hat da noch auf dem Flur eine kleine Hassrede für den jungen Morse übrig: Flunked out again, have you … college? I read your file, boy. Three years Lonsdale. Threw the towel in before your finals. That’s the trouble with you poshos, no gumption. First sign of bother, it’s off back home to mummy, tail between. Mm, no hard feelings. You’ve done me a favour. Pastures new. Vice in the smoke. And you on the slow boat to China. 

Was redet der Sergeant da? Er hat die Personalakte von Morse gelesen, weiß, dass der ohne Examen die Uni verlassen hat. Aber vice in the smoke? Er ist zur Sittenpolizei (vice) nach London versetzt worden. Ein Slang Dictionary belehrt uns, dass London the smoke ist. Die Gründe liegen auf der Hand. Mir begegnete dieses smoke vor Jahrzehnten zum ersten Mal, als ich Marjorie Allinghams The Tiger in the Smoke las. London war schon im 19. Jahrhundert die Stadt von Qualm und Rauch.

Wenn Wordsworth in seinem Gedicht ➱Composed upon Westminster Bridge von der smokeless air spricht, dann hat er wohl den einzigen Tag des Jahres erwischt, wo es keinen Smog gab (lesen Sie mehr in ➱Touristen). Slowboat to China ist ein Song, das ist nicht so schwer. Sogar Miss Piggy hat ihn gesungen. Und was ist mit den pastures new? Das ist John Milton, die letzte Zeile von Lycidas. Gut, das ist inzwischen sprichwörtlich geworden, aber es bleibt Milton. Der Drehbuchautor Russell Lewis, der auch mehrere Folgen von Lewis geschrieben hat, hat da eine Menge Bildung in sein Drehbuch gepackt. Was natürlich alles in der deutschen Übersetzung verlorengeht.

Was schlimm ist Wenn man kein Englisch kann, von einem guten Kriminalroman zu hören, der nicht ins Deutsche übersetzt ist, dichtete einst ➱Gottfried Benn. Man müsste mehr Geld in die Hand nehmen und bessere Übersetzer bezahlen, wenn man gute englische Serien adäquat ins Deutsche bringen will. Und man brauchte auch etwas mehr Intelligenz in den Rundfunkanstalten. Lutz Marmor verdient beim NDR beinahe 300.000 Euro, ich weiß nicht wofür. Beim ZDF werden die Intendanten nicht viel weniger bekommen. Der Herr, der sich hier mit Inspector Thursday unterhält, heißt John Light. Er spielt einen englischen Geheimagenten namens Dempsey, der auf einen Minister aufpassen soll. Er sieht ein wenig so aus wie Michael Caine in ➱Ipcress, das ist wohl so beabsichtigt.

Der Minister Sir Richard Lovell (süffisant arrogant gespielt von Patrick Malahide) nimmt an Sexparties mit Minderjährigen teil, die Analogie zu dem Christine Keeler Skandal (der ➱hier einen langen Post hat) liegt auf der Hand. Zumal Patrick Malahide eine gewisse Ähnlichkeit mit John Profumo hat. Und es wird auch direkt auf den Christine Keeler Skandal angespielt, wenn der Geheimagent im Gespräch mit DI Thursday sagt: We're still going round with a dustpan and brush after Cliveden. Am Ende bringt der MI5 Agent Dempsey dem Minister ein Rücktrittsgesuch zur Unterschrift.

Als der Minister sich weigert und den Premierminister Wilson anrufen will (We'll see what Harold has to say about this), unterbricht Dempsey die Verbindung mit seiner Pistole. Und sagt dem Minister, für den das alles nur ein harmless bit of fun ist: This is what he has to say about it. There's two ways out. This one or do I have to get blood on my shoes?

Was schlimm ist Wenn man kein Englisch kann, von einem guten Kriminalroman zu hören, der nicht ins Deutsche übersetzt ist. Was noch schlimmer ist, wenn aus einem guten Film wichtige Szenen herausgeschnitten werden. Ich habe diese Szene mit dem Minister und dem Geheimagenten mit ihren kulturellen und historischen Konnotationen etwas ausführlicher besprochen, weil sie in der am Sonntag gesendeten Fassung fehlte. Der Film war zu lang, und um 20.15 mussten Frau Merkel und Herr Schulz sprechen. Da hätte man lieber noch eine Folge von Der junge Inspektor Morse senden sollen. Oder einen alten ➱Wallace. Oder vier Agatha Raisin. Oder die Neujahrsansprache von Helmuth Kohl 1986. Schlimmer als das sogenannte Duell konnte nichts sein.


Das Skript zum Pilotfilm von Endeavour finden Sie ➱hier. Noch mehr zu englischen Krimiserien in den Posts: Englische Krimiserien, Endeavour, Kreuzworträtsel, Inspector Lewis, Inspector Barnaby und die Mode, Inspector Gently und Janker.

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