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Freitag, 22. Februar 2019
Kunstfigur
Würde ich sie an einem Nacktbadestrand erkennen? Sie wissen, von wem ich rede. Von der schönen Buchhändlerin, die so gerne am Strand von Cap d'Agde geblieben wäre. Meine Kenntnis von Nacktbadestränden ist nicht sehr groß: einige Sommer Sylt in meiner Jugend an einem Strand, der Abessinien hieß. Wenn ich ehrlich bin, habe ich in der Zeit nur zwei wirklich schöne Frauen gesehen. Und die waren in Begleitung von übergewichtigen Männern mit Sonnenstudiobräune und goldenen Uhren am Arm: beauty and the beast. Man muss als schöne Frau offenbar im Leben Konzessionen machen.
Ich glaube, dass ich meine schöne Buchhändlerin am FKK Strand nicht ohne weiteres erkennen würde, ich habe sie bisher zu wenig beschrieben. Einmal mit dem Bikinihöschen in Hendaye und einmal vor dem beschlagenen Spiegel im Badezimmer des französischen Hotels. Sie wird wahrscheinlich sehr schlank sein. Watt bistu bloos für'n mageres Postür, würde ihre Tante sagen. Schlank, aber mit den Rundungen an den richtigen Stellen. Wir lassen sie noch einen Augenblick am Strand, wir können sie natürlich auch als Blaustrumpf mit Brille in die Buchhandlung versetzen. Wir lassen sie aber jetzt am Strand (den schmerbäuchigen Typ mit der goldenen Rolex ersparen wir ihr), weil ich da ein wunderbares Gedicht habe, das sich in der Autobiographie The Perfect Stranger: A Memoir von P.J. Kavanagh findet:
Curled in your night-dress on the beach,
Corn-yellow ghost, pale with sleep,
Head to the starry North, bare toes to the burning East,
Tracking the Sun's climb into our seaside perch,
I watch you at the fringe of this other island
Our public love makes private for us two;
Your face in floating shadow like a moon,
Stretching your arms around the bay to yawn,
Ebony trees in your fingers turning to green.
I stand alone, in the dark, with the birds in the bush.
Like the pewter lagoon I am flustered by day,
Which turns, turns, like a pin to prick out my eye.
Now sun, the angry bo'sun, straddles the sea.
'Is that you?' your murmur,
Grateful and blind my whisper
'You and me'.
Kunstgeschöpfe reden das, was ihr Schöpfer ihnen eingibt. Die Nicklausse in Offenbachs Oper Les contes d'Hoffmann singt in ihrer Arie Vois sous l'archet fremissant von den Dingen, die in ihrer Maschinerie rumoren. Literarische Kunstfiguren sind keine singenden Automaten, sie singen oder sprechen das, was wir eingeben. Was wirkliche Frauen sprechen, ist manchmal rätselhaft. Die Bedienungsanleitungen sind verlorengegangen. Ich habe gerade Jacques Offenbach erwähnt, den ich leider in dem Post 1819 vergessen habe, auch er hat in diesem Jahr den zweihundertsten Geburtstag. Vielleicht schreibe ich bis zum Juni ja noch mal über Offenbach, wo mir Heidi dieses schöne französische DVD von Orphée aux enfers. Zu dem Orpheus Thema könnten Sie jetzt hier im Blog Che farò senza Euridice lesen. Und zu Jacques Offenbach gibt es hier die beiden Posts Jacques Offenbach und La Périchole. Und die Kunstfigur Nicklausse lassen wir auch noch einmal singen, diesmal im Duett.
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