Mittwoch, 5. Oktober 2011

Jacques Offenbach


Heute vor 131 Jahren ist Jacques Offenbach in Paris gestorben, sein Vater hatte den kleinen Jakob nach Paris geschickt, weil er glaubte, dass er in der französischen Hauptstadt bessere Chancen hätte als in Köln. Jakob, der sich prompt Jacques nannte, war ein Zeitgenosse Richard Wagners, der ja auch einmal in Paris tätig war. Wagner hat Offenbach gehasst, aber noch mehr hasste er einen anderen Deutschen in Paris (irgendwie scheinen alle deutschen Komponisten in dieser Zeit in Berlin zu sein), der Giacomo Meyerbeer heißt. Und Erfolg hat, Wagner nicht so sehr. Jacques Offenbach ist nicht der einzige berühmte Rheinländer in Paris. Es gibt da noch einen Dichter aus Düsseldorf namens Heinrich Heine, der mag den Cellisten und Komponisten Offenbach auch. Der Dichter aus Düsseldorf und der Komponist aus Köln liegen heute beide auf dem Père Lachaise Friedhof begraben, ihre Gräber sind nur wenige Meter voneinander entfernt.

Offenbach ist noch immer in unseren Ohren. Wenn vielleicht auch nur durch diesen schmissigen Can-Can aus Orpheus in der Unterwelt (den gibt es in Köln noch in jedem Karneval zu hören) oder die Barcarole aus Hoffmanns Erzählungen. Wie die Barcarole klang, das wusste Offenbach, weil er die Melodie schon einmal in Die Rheinnixen verwendet hatte. Aber Hoffmanns Erzählungen hat Offenbach nie auf der Bühne gesehen. Als er in der Nacht vom 4. auf den 5. Oktober starb, war sie noch nicht ganz fertig. Sie ist heute für Musikhistoriker noch ein kleines Rätsel, obgleich es sich in den letzten Jahren durchgesetzt hat, dass man die von Michael Kaye rekonstruierte Fassung spielt. Kent Nangano hatte mit dieser Version in Lyon großen Erfolg. Ich habe die Inszenierung auf Arte gesehen und war begeistert. Obgleich sie vielleicht nicht jedermanns Sache ist. So schreibt eine gewisse Callas123 unter dem Titel Pubertäre [sic!] Quatsch bei Amazon: Bloß nicht kaufen oder wenn schon gekauft, dann an Leute verschenken, bei denen man nicht mehr eingeladen werden möchte. Also, mir könnte man das schon schenken. Und Leute wie Callas123 würde ich eh nicht einladen.

Ich habe auf Arte vor Jahren noch eine andere Jacques Offenbach Oper gesehen, von der es aber leider keine DVD gibt. Wenn das jetzt jemand von den Arte Kulturfuzzis lesen sollte: Leute, bringt die Inszenierung von La Pèrichole von Jérôme Savary als DVD heraus! Es war ein geschickter Einfall von Savary, für die Rolle der Périchole keine ausgebildete Opernsängerin zu nehmen. Sängerinnen wie Régine Crespin, schön und gut. Aber Elise Caron, die noch nie eine Oper gesungen hatte, als Périchole, das war wirklich ein Ereignis (Sie können hier einen ➱Schnipsel sehen). Wenn Joan Sutherland die Périchole singt, dann singt sie das wie eine Opernsängerin. 

C’est une fille des rues : elle n’a pas une voix de chanteuse, hat Elise Caron über die Schwierigkeit gesagt, die richtige Stimme zu finden: Dans sa direction, Jérôme le disait également "prends pas ta voix de bourgeoise!". Pour projeter ma voix, j’avais tendance à la rendre plus aigue, ça ne fonctionnait pas. Je rattrape dans les graves un côté plus… poissonnière. Le placement de la voix a été un vrai travail. Ja, ein bisschen mehr Fischweib, das ist es, so richtig schön ordinär. Callas123 hätte es bestimmt nicht gefallen. Wahrscheinlich ist Jacques Offenbach auch wirklich nicht jedermanns Sache, Offenbach ist nicht Eduard Künneke. Seine Operetten, die eigentlich keine Operetten sind, sondern Offenbachiaden (wie Karl Kraus so schön sagte) sind, sind nicht jedermanns Sache.

Für Offenbach Liebhaber hätte ich heute noch zwei Tips. Na ja, vielleicht kennen Sie das alles schon, dann sind diese Tips für all die anderen, die noch Jacques Offenbach Liebhaber werden wollen. Die erste Empfehlung ist ein Film, der schon sechzig Jahre alt, aber unvergessen und unvergesslich ist. Nämlich The Tales of Hoffmann von Powell und Pressburger, drei Jahre nach dem berühmten The Red Shoes gedreht (mit der selben Hauptdarstellerin). Der berühmte Sir Thomas Beecham leitet das Orchester. Den Film kann man noch ohne größere Schwierigkeiten als DVD bekommen.

Meine zweite Empfehlung ist ein Buch, das zwar vergriffen ist, sich aber noch leicht im Antiquariat finden lässt. Es heißt Das imaginäre Tagebuch des Herrn Jacques Offenbach, geschrieben von einem Kölner namens Alphons Silbermann. Und niemand außer Deutschlands witzigstem Soziologen hätte dieses Buch schreiben können! Achten Sie darauf, dass Sie die erweiterte Neuausgabe von 1991 (Piper-Schott) kaufen. Die ist nämlich mit 457 Seiten doppelt so dick wie die Erstausgabe von 1960.

Es gibt eine Vielzahl von Jacques Offenbach Seiten im Internet, die Hälfte ist stillgelegt, oder der Browser kann die Seite nicht finden. Irgendwie scheint mir das typisch für die Offenbach Rezeption zu sein. Würden Angela Merkel und all die zweifelhaften B-Promis, die jedes Jahr nach Bayreuth pilgern, auch zu einer Jacques Offenbach Festwoche kommen? Warum machen wir Deutsche Wagner zu unserem Nationalhelden? Also mal außer der Tatsache, dass er im 19. Jahrhundert von einem geisteskranken Bayern und im 20. Jahrhundert von einem geisteskranken Österreicher verehrt wurde. Vielleicht sollte die Domstadt Köln mal eine Gegenveranstaltung zu Bayreuth ins Leben rufen, alljährliche Jacques Offenbach Festwochen. Damit dieser wunderbare Musiker nicht nur auf so schreckliche Dinge reduziert wird wie den Meuchelmord an der Barcarole durch Mireille Matthieu oder André Rieu. Ich weiß nicht, was von beiden das Schlimmere ist.

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