Freitag, 14. Oktober 2011

Winnie-the-Pooh

Da sind sie alle drei. A.A. Milne, der Mann, der die Geschichte mit dem Bären von sehr geringem Verstand erfunden hat, sein Sohn Christopher und ein Teddybär. Aber das ist natürlich nicht irgendein Teddybär. Dies ist der berühmteste aller Teddybären. Ich gehe einmal davon aus, dass Sie alle ein Exemplar von Winnie-the-Pooh mit den Illustrationen von E.H. Shepard zu Hause haben. Das ist Weltliteratur, da brauchen wir gar nicht drüber zu reden. Ist auch besser als vieles, was jetzt zur Buchmesse in die Regale von Thalia und Hugendubel gespült wird. Alle Zeitungen haben wieder die dicken Literaturbeilagen und wollen uns einreden, dass wir all diese Neuerscheinungen unbedingt lesen müssen. Ich tue das nie, deshalb kann ich auch nie mitreden, wenn auf Parties über Neuerscheinungen geredet wird. Aber ich bringe jede Diskussion von neunmalklugen Möchtegern-Literaturkritikern damit zum Schweigen, wenn ich sage, dass ich gerade Winnie ille Pu lese. Das ist Winnie-the-Pooh auf Lateinisch. Ein Rezensent schrieb bei Amazon zu dieser Ausgabe: I sing of a boy and a bear... Perhaps Vergil would have opted for Pu (Pooh) rather than 'Aeneid' had he the choice, and begun his tome not in the journey from Troy, but rather the journey around the forest.

Ich komme auf Winnie, weil heute vor 85 Jahren bei Methuen in London dieses schöne Buch erschienen ist. Und ich nehme mir mal eben die Freiheit, den tausend Literaturempfehlungen zur Buchmesse noch einige hinzuzufügen. Mein erster Tip ist Ann Thwaites Biographie A.A. Milne (Faber 1990), die gewann 1990 den Whitbread Biography of the Year Preis. Es gibt überhaupt nichts Besseres, da muss man nicht viele Worte machen. Was aber auch sehr schön ist, ist The Enchanted Places von Christopher Milnes (Eyre Methuen 1974). A.A. Milnes Sohn hat sein ganzes Leben im Schatten eines Bären verbracht, der von sich sagte I am a bear of very little brain, and long words bother me. Im Alter von 54 Jahren hat er die Geschichte seiner Kindheit aufgeschrieben. Das Buch ist auch eine Würdigung seines Vaters, es ist still und zurückhaltend und voller Humor.

Was braucht man noch? Ein Nachschlagewerk. Ich empfehle A.R. Melrose, The Pooh Dictionary: The Complete Guide to the Words of Pooh & all the Animals in the Forest (Dutton Books 1995). Ein sehr nützliches Werk, illustriert mit den Zeichnungen von Ernest H. Shepard. Wenn Sie fernöstliche Philosophie mögen, führt natürlich kein Weg an Benjamin Hoffs The Tao of Pooh vorbei. Aber eines der liebsten Bücher ist mir Frederick C. Crews The Pooh Perplex (E.P. Dutton 1965). Hier werden von einer Vielzahl von Wissenschaftlern (die natürlich in Wirklichkeit alle Frederick Crews heißen) alle Methoden der Wissenschaften an diesem Werk erprobt. Mein Freund Hombre hat es mir vor Jahrzehnten aus New York geschickt, als er Assistant Professor an der Uni war. Er hat mich nach einer Woche angerufen und mir gesagt, dass er jetzt ein echter New Yorker sei. Er war gerade überfallen und ausgeraubt worden. Solche Dinge passieren in der Welt von Winnie-the-Pooh natürlich nicht.

Ich habe von Hombre auch mal eine schöne kolorierte Zeichnung von Ernest Shepard geschenkt bekommen, die hängt bei mir in einem kleinen Goldrahmen neben einem Bücherregal. Es ist natürlich kein Original. Shepard hat viele seiner Originalzeichnungen dem Victoria und Albert Museum hinterlassen, die sind für solche Dinge natürlich genau die richtige Institution. Da war Sir Roy Strong auch einmal Direktor, der hat dem Museum irgendwann seine ganzen schrillen Klamotten gespendet. Jetzt haben sie nach Sir Mark Jones gerade einen neuen Direktor. Das raten Sie nie, wo der herkommt. Er heißt Martin Roth (natürlich Professor Doktor) und war vorher Direktor in Dresden. Auf diesem ➱Video können Sie ihn bewundern. Ich weiß nicht, ob dies sein Bewerbungsvideo für das V&A war, auf jeden Fall wirkt er hier ungeheuer dynamisch (wahrscheinlich hätte er mit dem Video auch Trainer beim HSV werden können).

Aber weiß er, dass er in seinem Haus die Originalzeichnungen zu Winnie-the-Pooh hat? Hat er heute davon einige ausgestellt zur 85-Jahr Feier? Das letzte Mal, dass sie alle gezeigt wurden, war 1969. Da gab es aber nicht nur die Zeichnungen zu Winnie-the-Pooh, sondern auch die zu dem anderen Klassiker des englischen Jugendbuchs, The Wind in the Willows, zu sehen. A. A. Milne hat den Stil seines Illustrators zuerst nicht gemocht. Aber dann war er doch von den Zeichnungen begeistert, er hat sogar dafür gesorgt, dass Shepard prozentual an den Verkaufserlös beteiligt wurde. Denn er wusste, dass dieses Buch nur mit den Zeichnungen von Shepard funktioniert (glücklicherweise konnte er nicht wissen, dass es eines Tages eine Disney Version geben würde). Und er hat in ein Exemplar von Winnie-the Pooh eine sehr schöne Widmung hineingeschrieben:

               When I am gone
    Let Shepard decorate my tomb
        and put (if there is room)
      Two pictures on the stone:
Piglet from page a hundred and eleven,
     And Pooh and Piglet walking
And Peter, thinking they they are my own,
      Will welcome me to heaven.














Ob ich Professor Roth mal die Adresse von meinem Blog schicke? Damit er in 24 Stunden zum Winnie-the-Pooh Fachmann wird? Die Engländer würden das bestimmt gerne sehen.

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