Mittwoch, 12. Oktober 2011

Amerika


Heute vor 519 Jahren hat Columbus Amerika entdeckt. Vor ihm waren wohl schon andere da. Wie zum Beispiel Leif Erikson oder Didrik Pining und Hans Pothorst, aber die beiden letzten sind nicht so bekannt geworden. Sind auch keine Filme über sie gedreht worden. Das wär doch mal was: Gerard Depardieu spielt Didrik Pining aus Hildesheim! Was wäre Amerika ohne die Deutschen? Ohne den Baron von Steuben, ohne Johann Jacob Astor, ohne Johann August Roebling, ohne Wernher von Braun und ohne Levi Strauss? Angeblich sollen die Amerikaner sogar einmal darüber abgestimmt haben, ob Deutsch die offizielle Amtssprache der USA wird. Das ist die so genannte Muehlenberg Legende, aber an der Sache ist nichts dran.

Als ich noch klein war, hat mir mein Opa erzählt, dass es Amerika noch keine hundert Jahre lang gibt und dass alles, was in dem Land gut ist, von den Deutschen kommt. Ich habe einige Jahre mit diesem Glauben gelebt. Wahrscheinlich hat er diese Geschichte aus Trotz erzählt, weil draußen auf der Straße die amerikanischen Soldaten herumliefen, Bremen war amerikanische Besatzungszone. Aber natürlich ist an der Geschichte auch ein klein wenig dran, die riesigen Einwanderungszahlen zu Ende des 19. Jahrhunderts fallen in die Jugend meines Großvaters. Und das Amerikabild, das ihm sein Vater vermittelt hatte, war das eines riesigen barbarischen Landes (1850 hatten die USA noch nicht einmal die Einwohnerzahl, die Deutschland schon 1800 hatte), das froh sein konnte, dass es die deutschen 48er Revolutionäre aufgenommen und Wilhelm von Humboldts Schulsystem übernommen hatte. Jede Nation und jede Generation bastelt sich ihr Amerikabild. In dem Film Mon oncle d'Amérique von Alain Resnais fällt der schöne Satz: Amerika existiert nicht. Ich weiß das, denn ich bin dort gewesen. Der Sprecher will natürlich die geographische Existenz Amerikas nicht verneinen, was er negiert, ist der Traum einer schönen Utopie, die er mit Amerika verbunden hat. Für die meisten, die nach Amerika kommen, wird der American Dream zum American Nightmare.

Es wird natürlich überall in Amerika noch Deutsch gesprochen, es gibt sogar einen wunderbaren Dialekt, der Pennsylvania Dutch heißt. Wo man so schöne Sätze findet wie: und dann sind die pigs übern fence gehoppt und haben die potatoes gedamaged. Es gab sogar eine Zeitung namens Pennsylvania Dutchman, die im Vorwort ihrer ersten Ausgabe erklärte: Der 'Pennsylvania Dutchman' is net yusht intend for laecherlich un popular lehsa shtuff for olly de unser Pennsylvanish Deitsh - de mixture fun Deitsh un Aenglish - fershtehn, awer aw for usefully un profitlichy instruction for olly de druf ous sin bekannt tsu waerra mit der shproch, un aw mit emgeisht, character un hondlunga fun unserm fleisicha, ehrlicha und taahlreicha folk in all de Middle un Westlicha Shtaata.

Also denken wir heute mal einen Augenblick an Amerika und Christoph Columbus. Und an das, was aus dem Land hätte werden können. Und zur Besinnung gibt es ein scheußlich-schönes Bild von Salvador Dali, das Die Entdeckung Amerikas heißt. Und kleines Gedicht, das Joyce Carol Oates 1975 wahrscheinlich mit Blick auf die Zweihundertjahrfeier der Nation geschrieben hat. Es ist aber irgendwie immer noch aktuell. In der Geschichte Amerikas ist immer alles noch aktuell, weil die Amerikaner nie aus ihrer Geschichte lernen. History is more or less bunk. It's tradition. We don't want tradition. We want to live in the present, and the only history that is worth a tinker's damn is the history that we make today.

Joyce Carol Oates: Dreaming America

When the two-lane highway was widened
the animals retreated.
Skunks, raccoons, rabbits - even their small corpses
disappeared from the road- transformed into rags
then into designs
then into stains
then nothing.
When the highway was linked to another
then to another
six lanes then nine then twelve rose
sweeping to the horizon
along measured white lines.
The polled Herefords were sold.
When the cornfields were bulldozed
the farmhouses at their edges turned into shanties;
the outbuildings fell.
When the fields were paved over
Frisch`s Big Boy rose seventy-five feet in the air.
The Sunoco and Texaco and Gulf signs competed
on hundred-foot stilts
like eyeballs on stalks
white optic-nerves
miraculous.
Illuminated at night.
Where the useless stretch of trees lay
an orange sphere like a golf ball
announces the Shopping Mall, open
for Thursday evening shopping.
There, tonight, droves of teenagers hunt
one another, alert on the memorized pavement.
Where did the country go? - cry the travelers, soaring
past. Where did the country go? - ask the strangers.
The teenager never ask.
Where horses grazed in a dream that had no history,
tonight a thirteen-year-old girl stands dreaming
into the window of Levitz`s Record Shop.
We drive past, in a hurry. We disappear.
We return.


1 Kommentar:

  1. Für die Roten ist es "der Tag, an dem wir Kolumbus entdeckten", wird noch heute betrauert.

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